Entscheidungsdatum
31.07.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2195321-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Johannes ELTZ, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts XXXX vom 26.03.2018, XXXX, wegen Gerichtsgebühren zu Recht:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem am 10.10.2017 im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Schriftsatz erhob die durch den Rechtsanwalt Dr. Johannes ELTZ vertretene Beschwerdeführerin (BF) eine Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.08.2017, XXXX. Der Berufungsstreitwert betrug EUR 6.575. Der Schriftsatz trägt den Vermerk "Kein Gebühreneinzug! Die Berufungswerberin will die Höhe der Gebühren beim EGMR anfechten, daher Vorschreibung bitte direkt an die Berufungswerberin!".
Nach dem erfolglosen Versuch, die Gerichtsgebühren einzuziehen, wurden der BF mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 30.10.2017 die Pauschalgebühr gemäß TP 2 GGG von EUR 571 (ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 6.575) und die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 579, zur Zahlung vorgeschrieben.
Mit der am 17.11.2017 per Fax eingebrachten Eingabe vom 15.11.2017, die nur aus einer Seite besteht und weder eine Begründung enthält noch unterschrieben ist, erhob die BF dagegen eine Vorstellung an den Präsidenten des XXXX.
Nachdem die Frist zur Bekanntgabe der Vorstellungsgründe sowie zur Unterfertigung der Vorstellung fruchtlos verstrichen war, wurden der BF mit dem angefochtenen Bescheid folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:
Pauschalgebühr TP 2 GGG EUR 571
(Bemessungsgrundlage: EUR 6.575)
Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8
Mehrbetrag § 31 GGG EUR 22
offener Gesamtbetrag EUR 601.
Es wurde ausgesprochen, dass für die Einhebungsgebühr und den Mehrbetrag nach § 31 GGG auch der Rechtsvertreter der BF, Dr. Johannes Eltz, als Bürge und Zahler zahlungspflichtig ist.
In dem Bescheid werden Grund und Höhe der für die Berufung zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert begründet und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.
Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde der BF mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Gleichzeitig beantragt die BF, der Beschwerde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit" die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK sowie Art 7 und Art 18 B-VG. Bei der Entscheidung, eine Klage oder ein Rechtsmittel zu erheben, stünden nicht inhaltliche, sondern finanzielle Fragen im Vordergrund. Personen aus der Mittelschicht, die es sich nicht leisten könnten, Rechtsstreitigkeiten zu führen, aber auch nicht die Voraussetzungen zur Erlangung der Verfahrenshilfe erfüllten, würde der Zugang zum Recht verwehrt. Der Schwierigkeitsgrad und Arbeitsaufwand eines Verfahrens steige nicht mit dem Streitwert. Die Gebühr sei unabhängig von der Verfahrensdauer und vom anfallenden Aufwand zu entrichten. Die Gebührenschuld entstünde auch dann, wenn über ein Rechtsmittel nicht inhaltlich entschieden, sondern es aus formellen Gründen zurückgewiesen würde. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine "verbotene Steuer" seien. Die Verpflichtung, Gebühren für die Wahrnehmung staatlicher Pflichten zu zahlen, widerspräche den Anforderungen an ein faires Verfahren.
Der Präsident des XXXX legte - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo diese am 15.05.2018 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und aus dem Gerichtsakt des BVwG. Die Beschwerde tritt den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht substanziiert entgegen.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Zwar kann diese unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden (vgl §§ 13 Abs 2, 22 VwGVG). Da die aufschiebende Wirkung hier aber weder von der belangten Behörde noch von BVwG ausgeschlossen wurde, kann der Beschwerde die aufschiebende Wirkung auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 2 Z 1 lit c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Rechtsmittelwerber.
Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.
Bemessungsgrundlage ist gemäß § 14 GGG grundsätzlich der Wert des Streitgegenstands nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN. Betrifft das Rechtsmittelverfahren nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstands, so ist in diesem Verfahren für die Berechnung gemäß § 18 Abs 2 Z 3 GGG nur der Wert dieses Teils maßgebend.
Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen.
Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.
Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen. Mangels Zustimmung zur Abbuchung und Einziehung blieb die Einziehung der Gerichtsgebühren hier erfolglos.
Der Pauschalgebühr nach TP 2 GGG unterliegen ua Berufungsverfahren (vgl Anm 1 zu TP 2 GGG). Bei einem Berufungsinteresse über EUR 3.500 bis EUR 7.000 (wie hier) beträgt die Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz EUR 571.
Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der belangten Behörde verwiesen werden.
Den in der Beschwerde geäußerten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren an sich und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass das System der Gerichtsgebühren nicht verfassungswidrig ist (vgl VfGH 17.06.1996, B 1609/96 und 10.06.2002, B 1976/99) und auch gegen das Pauschalgebührensystem keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (VfGH 27.11.2000, B 119/98; siehe dazu auch die weiteren bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 zu § 1 GGG angeführten Entscheidungen).
Die Auffassung, der dem Gericht verursachte Arbeitsaufwand sei bei der Gerichtsgebührenpflicht zu berücksichtigen, ist unrichtig. Die Gerichtsgebühren stellen Abgaben dar, bei denen im Einzelfall eine Äquivalenz der Amtshandlung nicht erforderlich ist (VwGH 18.09.2003, 2003/16/0040). Daher geht auch der Vorwurf, es handle es um eine "verbotene Steuer", ins Leere. Aus diesem Grund ist die Vorschreibung von Gerichtsgebühren auch keine Entscheidung über "civil rights" iSd Art 6 EMRK (VfGH 01.03.2007, B 301/06; VwGH 18.09.2003, 2003/16/0040). Nach stRspr des VfGH ist eine strenge Äquivalenz im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühren dem bei Gericht verursachten Aufwand entsprechen müssten, nicht erforderlich. Gerichtsgebühren sind - wie Gebühren nach dem Gebührengesetz - nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-)Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe zuletzt VfGH 18.06.2018, E 421/2018).
Gegen die Höhe der Gerichtsgebühren und deren Bemessung nach dem Streitwert bestehen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ebenfalls keine Bedenken (VfGH 01.03.2007, B 301/06 und 11.12.2013, B 1459/2013). Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich).
Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (zB Verfahrenshilfe) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich). Von einer exzessiven Höhe der Gebühr kann hier keine Rede sein, zumal für das zweitinstanzliche Verfahren insgesamt EUR 601 zu entrichten sind.
Das GGG knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um, eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten (vgl zuletzt VwGH 22.10.2015, Ro 2014/16/0021). Dies ist weder unsachlich noch gleichheitswidrig (VwGH 03.09.1987, 86/16/0050 und 16.11.2004, 2004/16/0125, 0126; VfGH 29.11.2007, B 1883/07).
Die BF zeigt nicht auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).
Da das BVwG die grundsätzlichen Bedenken der BF gegen die Vorschreibung von Gerichtsgebühren und deren Höhe nicht teilt, unterbleiben sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen. Im Ergebnis ist die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung einer - ohnehin nicht beantragten - Beschwerdeverhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, weil die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt, zumal der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen ist.
Zu Spruchteil C):
Die Revision war nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Einhebungsgebühr, Gerichtsgebühren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2195321.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.08.2018