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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des AA in B, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21. November 2017, Zl. LVwG 70.20-2750/2017-5, betreffend die Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 23. August 2017 wies die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung den Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Schusswaffen der Kategorie B gemäß § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen wurde. Die Revision erklärte das LVwG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei seit dem Jahr 2016 als Referent des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl tätig. Zu seinen Aufgaben gehöre die Bearbeitung von Asylverfahren, bei denen es um die Aberkennung von internationalem Schutz bei "Terroristen" bzw. um deren "Außerlandesschaffung" gehe. Bislang habe er ein derartiges Verfahren geführt, wobei sich der Betroffene im Polizeianhaltezentrum Hernals befunden habe und ihm im Rechtshilfeweg die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt worden sei. Für die Zukunft sei beabsichtigt, die betroffenen Personen auch mündlich zu befragen. Eine Bedrohung des Revisionswerbers habe es (bislang) nicht gegeben. Er gebe aber an, "ein ungutes Gefühl zu haben, weil man wisse, dass sich Angehörige der abzuschiebenden Personen zum Teil noch in Syrien befinden und dort kämpfen". Sein Name werde zwar geheim gehalten, sickere aber trotzdem durch, sodass zum Beispiel, "wenn er in den Bereich des Grazer Hauptbahnhofes ginge, wo sich bestimmte Personen aufhalten, (er) ein ungutes Gefühl" habe.
4 Auf dieser Grundlage führte das LVwG aus, der Revisionswerber habe keinen Bedarf zum Führen von Schusswaffen nachgewiesen. Aus seinen Angaben ergäben sich keine konkreten verdichteten Verdachtsmomente im Sinne der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung, aus denen sich schlüssig eine konkrete Gefährdung seiner Person ergebe (Hinweis auf VwGH 26.1.2006, 2005/03/0062).
5 Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit wird geltend gemacht, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach für die Annahme eines Bedarfs im Sinne des § 22 Abs. 2 WaffG nicht jedenfalls eine besondere Gefährdung des Antragstellers vorliegen müsse. Im Übrigen sei eine solche Gefährdung im gegenständlichen Fall ohnedies gegeben. Zudem fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Referent des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, welcher Tätigkeiten ausführe, die mit der Stellung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 5 Abs. 2 SPG übereinstimmend seien, ebenfalls einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B habe und solcherart gemäß § 22 Abs. 2 Z 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 WaffG ein Waffenpass auszustellen sei.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Gemäß § 21 Abs. 2 WaffG hat die Behörde verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG ist nach § 22 Abs. 2 WaffG jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann (Z 1), oder es sich um ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes handelt (§ 5 Abs. 2 SPG). Diesfalls ist der Waffenpass dahingehend zu beschränken, dass nur Waffen mit Kaliber 9 mm oder darunter geführt werden dürfen (Z 2).
8 Zum Tatbestand des § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG (wortident mit § 22 Abs. 2 WaffG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 120/2016) wird in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erkannt, dass es allein Sache des Waffenpasswerbers ist, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. etwa VwGH vom 23.2.2018, Ra 2018/03/0002, mwN).
9 Im vorliegenden Fall hat das LVwG die soeben beschriebene konkrete und qualifizierte Gefahrenlage, in die der Revisionswerber aufgrund seiner Tätigkeit als Referent des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl kommen und der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könnte, in einer vertretbaren Beurteilung des vorliegenden Falles verneint. Dass es dabei von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen wäre, legt die Revision nicht dar.
10 Soweit die Revision fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Tatbestand des § 22 Abs. 2 Z 2 WaffG geltend macht, ist ihr Folgendes zu erwidern:
11 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 120/2016 wurde § 22 Abs. 2 Z 2 WaffG in das Gesetz eingefügt und soll nach den Gesetzesmaterialien (RV 1345 BlgNR 25. GP, 11f) ermöglichen, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (im Sinne des § 5 Abs. 2 SPG) einen Waffenpass beschränkt auf Waffen des Kalibers 9 mm oder darunter ausgestellt erhalten, ohne eine konkrete und qualifizierte Gefährdungslage im Einzelnen glaubhaft machen zu müssen. Berufe sich ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Beantragung eines Waffenpasses nicht auf § 22 Abs. 2 Z 2 WaffG, so gelte die Einschränkung auf Waffen des Kalibers 9 mm oder darunter nicht, der Antragsteller müsse aber in diesem Fall - wie bisher - seinen Bedarf zum Führen von Waffen im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nachweisen.
12 Im gegenständlichen Fall wird weder behauptet, dass der Revisionswerber Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Sinne des § 5 Abs. 2 SPG wäre, noch, dass er bei Beantragung des Waffenpasses eine Einschränkung auf Waffen des Kalibers 9 mm oder darunter gewünscht hätte. Ausgehend davon kommt ihm - entgegen der Rechtsansicht der Revision - die Neuregelung des § 22 Abs. 2 Z 2 WaffG nicht zugute, ohne dass es diesbezüglich einer klarstellenden Auslegung der Norm durch den Verwaltungsgerichtshof bedürfte.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Juli 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030075.L00Im RIS seit
20.08.2018Zuletzt aktualisiert am
27.08.2018