TE Vwgh Beschluss 2018/7/31 Ra 2018/20/0182

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Veröffentlicht am 31.07.2018
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Index

E3L E19103010;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

32011L0095 Status-RL Art9;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z11;
AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
MRK Art2;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Rechtssache der Revision des M A in W, vertreten durch Dr. Thomas Trettnak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2018, Zl. L507 2131617- 1/11E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 20. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. Juli 2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Revisionswerber zuerkannt (Spruchpunkt II.) und es wurde ihm infolgedessen eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

2 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abweisenden Teil des Bescheides des BFA als unbegründet ab und erklärte eine Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

3 In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird in der Begründung zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, dass es sich bei der Frage, in welcher Intensität den Angehörigen einer bestimmten Personengruppe eine über die allgemeinen Gefahren einer politischen Unsicherheit und Unruhe hinausgehende "Gruppenverfolgung" drohen müsse, dass man von einer gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung sprechen könne, bei der jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund habe, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG handle. Dies insbesondere unter Miteinbeziehung anderer Eigenschaften der Person selbst, wie im vorliegenden Fall der Stellung als Stammesoberhaupt eines sunnitischen Stammes im Irak, und im Hinblick darauf, dass der Schutz infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt hinsichtlich dieser Personen nicht gewährleistet werde, sodass man von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates sprechen müsse. Hierzu liege keine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Überdies bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vor, dass bereits die Verfahrenshilfe für den vorliegenden Fall bewilligt worden sei, und dies nicht geschehen wäre, wenn die Rechtssache als aussichtslos zu beurteilen gewesen wäre.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

8 Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist in den "gesonderten" Gründen zur Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/01/0172, mwN).

9 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 28.10.2016, Ra 2016/20/0235, mwN).

10 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der gegenständlichen Revision allgemein behauptet wird, es liege keine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur aufgezeigten Rechtsfrage iZm der Intensität einer "Gruppenverfolgung" vor, wird - iSd eben zitierten Rechtsprechung - eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan.

11 Ergänzend verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die zum Verfolgungsbegriff ergangene hg. Judikatur:

12 Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen.

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0080).

13 Die Gefahr der Verfolgung kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mwN).

14 Die Revision zeigt in ihrer Zulassungsbegründung eine Abweichung des BVwG von diesen Leitlinien nicht ansatzweise auf.

15 Auch bei bewilligter Verfahrenshilfe hat die Revision dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG zu entsprechen, wonach die Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (vgl. VwGH 10.9.2015, Ra 2014/20/0142; 2.9.2015, Ra 2015/19/0108). Wenn die Revision in ihrer Zulassungsbegründung - auch - auf die Bewilligung der Verfahrenshilfe abstellt, vermag dies daher nicht schon per se die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17 Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 31. Juli 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200182.L00

Im RIS seit

20.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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