Entscheidungsdatum
09.04.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2171696-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2017, Zl. 1001634209-160544779, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Mit Zweckänderungsantrag vom 09.11.2015 beantragte der BF, der über eine bis 01.04.2019 gültige Aufenthaltskarte verfügt, nach der Scheidung seiner Ehe die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus".
Mit Schreiben vom selben Tag informierte der Magistrat der Stadt XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) darüber und ersuchte um Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung gemäß § 55 Abs 3 NAG. Der BF wurde am selben Tag davon in Kenntnis gesetzt.
Am 12.07.2017 forderte das BFA den BF auf, sich binnen zwei Wochen zu der beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu äußern. Der BF erstattete am 18.07.2017 eine entsprechende Stellungnahme.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde der BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem BF im April 2014 eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG aufgrund seiner Ehe mit einer slowenischen Staatsangehörigen ausgestellt worden sei. Die Ehe sei nach weniger als drei Jahren geschieden worden; ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Eingehens einer Aufenthaltsehe sei von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt worden. Die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen des bisherigen Aufenthaltsrechtes seien nicht erfüllt. Zudem habe der BF das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nicht erfüllt. Sein Privat- und Familienleben stünde der Ausweisung ungeachtet seiner Erwerbstätigkeit im Inland nicht entgegen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, die Ausweisung aufzuheben und den Zweckänderungsantrag zur Entscheidung an die zuständige Behörde zu verweisen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er sich seit Februar 2014 durchgehend in Österreich aufhalte. Er sei hier gut integriert, habe sich ein beachtenswertes Privatleben aufgebaut und pflege familiäre und freundschaftliche Kontakte, etwa zu seinem Cousin, der mit seiner Familie in Österreich lebe. In Bosnien und Herzegowina habe er keine Verwandten mehr. Er sei Arbeitnehmer iSd § 51 Abs 1 Z 1 und 2 NAG und nicht auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen; sein Arbeitgeber sei mit seinen Leistungen sehr zufrieden. Er bemühe sich um die Verbesserung seiner Deutschkenntnisse. Ihn träfe kein Verschulden an der Auflösung seiner Ehe. Das BFA hätte ihn zu seinem Privat- und Familienleben vernehmen müssen.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 27.09.2017 einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Feststellungen:
Der BF kam im heutigen Bosnien und Herzegowina zur Welt, wo er aufwuchs und eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolvierte. Am XXXX.2014 heiratete er in Bosnien und Herzegowina die slowenische Staatsangehörige XXXX. Seit Februar 2014 lebt er in XXXX. Am 02.04.2014 wurde ihm antragsgemäß eine bis 01.04.2019 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Seit 05.05.2014 ist der BF als Arbeiter bei der XXXX in XXXX vollzeitbeschäftigt. Sein monatliches Nettoeinkommen beträgt knapp EUR 1.500 (14 Mal jährlich). 2017 bestanden zumindest in den Monaten April, Mai und Juni Gehaltspfändungen.
Mit dem seit XXXX.2015 rechtskräftigen Urteil des Gemeindegerichts in XXXX (Bosnien und Herzegowina) vom 20.08.2015, XXXX, wurde die Ehe zwischen dem BF und XXXX, die kinderlos geblieben war, aufgrund des Antrags der Ehegatten vom 27.07.2015 einvernehmlich geschieden.
Der BF hat in seinem Herkunftsstaat weder einen Wohnsitz noch Bezugspersonen. Seine Eltern sind bereits verstorben; seine beiden Geschwister leben in den USA.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er besitzt einen österreichischen Führerschein. Sein Cousin, ein slowenischer Staatsangehöriger, mit dem der BF in regelmäßigem Kontakt steht, lebt mit seiner Familie ebenfalls in XXXX. Eine Tante des BF lebt mit ihrer Familie in Slowenien. Ein gemeinsamer Haushalt oder ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem BF und seinen Angehörigen kann nicht festgestellt werden. Der BF hat auch einen Bekannten- und Freundeskreis in Österreich.
Der BF verfügt über Basiskenntnisse der deutschen Sprache. Die Absolvierung einer Deutschprüfung kann nicht festgestellt werden.
Weitere Anhaltspunkte für eine Integration des BF in sozialer oder gesellschaftlicher Hinsicht bestehen nicht.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.
Die Feststellungen zu Identität, Familienstand und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Kopien aus dem bosnischen Reisepass des BF wurden vorgelegt, aus dem sein Geburtsort XXXX hervorgeht. Seine ebenfalls in Kopie vorliegende Aufenthaltskarte ist im Fremdenregister dokumentiert.
Die Berufsausbildung des BF geht aus seiner Stellungnahme vom 18.07.2017 hervor.
Die Heiratsurkunde des BF und das Scheidungsurteil, aus dem hervorgeht, dass die Ehe kinderlos blieb, wurden vorgelegt.
Der Aufenthalt des BF in Österreich seit Februar 2014 ergibt sich aus der Hauptwohnsitzmeldung laut dem Zentralen Melderegister. Der Mietvertrag vom Jänner 2015 wurde vorgelegt.
Die Tätigkeit des BF bei der XXXX ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug und aus dem Schreiben seines Arbeitsgebers vom 18.07.2017. Sein Einkommen ergibt sich aus den vorgelegten Verdienstnachweisen, aus denen auch die Pfändungen im April, Mai und Juni 2017 hervorgehen.
Die Feststellungen zum Fehlen von Bezugspersonen und einem Wohnsitz in Bosnien und Herzegowina folgen der plausiblen und gut nachvollziehbaren Stellungnahme vom 18.07.2017.
Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister. Das von der Staatsanwaltschaft XXXX gegen ihn wegen § 117 Abs 3 FPG geführte Strafverfahren wurde mangels Nachweisbarkeit der Tatbegehung eingestellt, wie sich aus der Benachrichtigung vom XXXX.2016 zu XXXX ergibt. Es gibt keine Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen des BF in anderen Staaten.
Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des 40-jährigen BF sind nicht zutage getreten. Da er seit Mai 2014 durchgehend in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist davon auszugehen, dass er arbeitsfähig ist, zumal er in seiner Stellungnahme angab, gesund zu sein.
Die von der BH XXXX am 02.12.2014 ausgestellte Lenkberechtigung des BF für die Klassen AM und B ist im Zentralen Führerscheinregister dokumentiert.
Die in Österreich und Slowenien lebenden Angehörigen des BF und seine Kontakte zu ihnen werden anhand seiner plausiblen Angaben dazu festgestellt. Es ist nachvollziehbar, dass der BF in regelmäßigem Kontakt mit seinen Angehörigen steht und während seines Aufenthalts - insbesondere im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit - auch weitere Sozialkontakte in Österreich geknüpft hat. Anhaltspunkte für ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis oder einen gemeinsamen Haushalt bestehen nicht.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des BF ergeben sich aus seinem mehrjährigen Inlandsaufenthalt. Eine Anmeldebestätigung für das ÖSD-Zertifikat A1 vom 24.08.2017 wurde vorgelegt. Nachweise für erfolgreich absolvierte Deutschprüfungen sind jedoch nicht aktenkundig.
Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen des BF im Inland.
Rechtliche Beurteilung:
Als Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist.
Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs 4 Z 11 FPG der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten
EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Gemäß § 54 Abs 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).
Der BF ist als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.
§ 55 NAG lautet:
"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).
Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.
Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger
iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt.
Dem BF wurde auf Grund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten slowenischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Da die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG vorliegt (wovon angesichts der einvernehmlichen Scheidung trotz der Behauptung des BF, ihn träfe kein Verschulden am Scheitern der Ehe, nicht auszugehen ist), sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs 1 und 5 NAG weggefallen.
Gemäß § 66 Abs 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Gemäß § 66 Abs 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im
Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß
§ 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF hält sich seit Anfang 2014 rechtmäßig in Österreich auf und verfügt über elementare Deutschkenntnisse. Im Bundesgebiet leben sein Cousin und dessen Familie, zu denen er regelmäßige Kontakte pflegt. Er lebt aber nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihnen und es besteht auch sonst kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Im Rahmen seines Privatlebens ist auch sein Bekanntenkreis im Inland zu berücksichtigen. Der BF ist ein gesunder Erwachsener im erwerbsfähigen Alter. Er ist aufgrund seiner Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig und unbescholten.
Der BF hat aber auch noch Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er aufwuchs, eine Berufsausbildung absolvierte und den Großteil seines bisherigen Lebens verbrachte. Er spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut. Nach seiner Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina wird er in der Lage sein, sich dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und damit seine Lebenserhaltungskosten zu decken.
Die Ausweisung greift zwar nicht in das Familienleben, wohl aber in das Privatleben des BF ein. Es wird ihm aber möglich sein, die Kontakte zu seinen in Österreich und Slowenien lebenden Angehörigen und Freunden über diverse Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, zumal der BF Österreich nach seiner Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina während erlaubter visumfreier Aufenthalte besuchen kann.
Die belangte Behörde ist daher im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist ua begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offen gelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.
Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.
Schlagworte
Aufenthaltsrecht, Ausweisung, begünstigte Drittstaatsangehörige,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2171696.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.08.2018