Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
ASchG 1972;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des H M in H, vertreten durch C & P, Rechtsanwälte KEG in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 12. Juli 1999, Zl. 320.576/1-III/9/98, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Gewerbeausschluss, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 12. Juli 1999 wurde dem Beschwerdeführer die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Baumeistergewerbes als gewerberechtlicher Geschäftsführer in der Funktion eines Arbeitnehmers gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 verweigert. Der Bundesminister ging bei dieser Entscheidung davon aus, der Beschwerdeführer sei gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen, weil er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. April 1997 (in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichtes Wien vom 22. Juli 1997) wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB und des Vergehens der Verstöße gegen die Vorschriften über die Einbehaltung und Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers durch den Dienstgeber nach § 114 Abs. 1 ASVG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 21. Juli 1997 (in der Fassung des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. November 1997) wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung durch Unterlassung nach § 2 in Verbindung mit § 80 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt worden sei. Der zuerst genannten Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer in Wien als Schuldner mehrerer Gläubiger, insbesondere in seiner Eigenschaft als Inhaber der seinen Namen tragenden Einzelfirma, ab Anfang 1992 bis Ende 1993 fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit insbesondere dadurch herbeigeführt habe, dass er seine Geschäfte ohne zureichendes Eigenkapital und ohne ausreichende kaufmännische Kenntnisse und Fähigkeiten begonnen und fortgeführt habe, unverhältnismäßig und leichtsinnig Kredit benützt und übermäßigen Aufwand getrieben habe und ab Anfang 1994 bis zum 13. März 1996 in fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen dadurch vereitelt und geschmälert habe, dass er alte Schulden bezahlt, neue Schulden eingegangen und das Insolvenzverfahren nicht rechtzeitig beantragt habe, er sohin den Gläubigerbefriedigungsfonds verschoben und schließlich in der Zeit von September 1996 bis Februar 1997 als Dienstgeber der genannten Einzelfirma vorsätzlich die Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung für diesen Zeitraum im Gesamtbetrag von S 199.629,82 einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten habe. Der Verurteilung durch das Bezirksgericht Floridsdorf vom 21. Juli 1997 sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer und eine weitere Person am 19. September 1996 auf einer Baustelle in Wien als verantwortliche Aufsichtspersonen im Rahmen von Dacharbeiten es unterlassen hätten, entweder selbst oder durch geeignete Anweisungen Vorsorge zur fachgerechten Absicherung eines 26 m tiefen Lichtschachtes zu treffen bzw. eine Anrampung durch fix fixierte Pfosten mit einer Mindestbreite von 1 m zu veranlassen, sodass im Zuge von Betontransportarbeiten mittels Scheibtruhen ein ungelernter Hilfsarbeiter in den Lichtschacht samt Pfosten und vollbeladener Scheibtruhe hinuntergestürzt sei und einen Genickbruch erlitten habe. Er habe somit den Tod des Opfers durch Unterlassung seiner Aufsichtspflichten herbeigeführt. Der Beschwerdeführer sei ferner mit Urteil des Bezirksgerichtes Hermagor vom 2. August 1989 wegen fahrlässiger Körperverletzung und mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Februar 1993 (in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichtes Wien vom 19. Oktober 1993) wegen fahrlässiger Krida, allerdings zu einer die Grenze des § 13 Abs. 1 GewO 1994 nicht übersteigenden Strafe, verurteilt worden. Die gerichtlichen Verurteilungen wegen fahrlässiger Krida und fahrlässiger Tötung seien im Zusammenhang mit der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes erfolgt, es lägen daher mit Rücksicht auf die Art der Straftaten Umstände vor, die die Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat aus Anlass der durch das in Rede stehende Gewerbe gebotenen Gelegenheit gerechtfertigt erscheinen ließen. Auch bei Würdigung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers sei diese Befürchtung schon im Hinblick auf das durch die den Straftaten zugrunde liegende Vorgangsweise ersichtlich gewordene Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers begründet. Daran vermöge der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes zum Zwecke der Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer in der Rechtsstellung eines Arbeitnehmers beantragt habe, nichts zu ändern, biete doch die Tätigkeit als für die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes bestellter gewerblicher Geschäftsführer auch in anderer Weise die Möglichkeit zur Begehung von strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen und gegen Leib und Leben, welche mit mehr als dreimonatiger Freiheitsstrafe zu ahnden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Erteilung der angestrebten Nachsicht verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt er vor, er habe sich in der Zeit von 1960 bis 1996, also über einen Zeitraum von 36 Jahren, bei seiner Arbeit rechtmäßig verhalten und sei nie mit dem Strafgesetz in irgendeiner Art und Weise in Konflikt geraten. Im Wesentlichen aus Fremdverschulden - sein Polier habe grob fahrlässig agiert, Kunden hätten offene Rechnungen nicht bezahlt - sei es in der Folge zu strafgerichtlichen Verurteilungen gekommen. Beide Verurteilungen hätten den Strafrahmen an der Mindestgrenze ausgeschöpft, da wohl auch den Strafbehörden klar gewesen sei, dass nur ein sehr geringer Verschuldensgrad des Beschwerdeführers vorgelegen sei. Sowohl die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung als auch die Verurteilung wegen fahrlässiger Krida habe im gegenständlichen Fall den Charakter einer "Formalverurteilung", es werde der Verantwortliche abgestraft, der aber subjektiv für die strafbaren Handlungen wenig dafür könne. Entscheidend sei, dass der Beschwerdeführer jahrzehntelang ohne Beanstandungen im Baugeschäft tätig gewesen sei und aus diesem Grund auch eine günstige Zukunftsprognose abgegeben werden müsse. Der Beschwerdeführer habe auch nicht vor, in Zukunft als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu fungieren, sondern möchte als angestellter gewerberechtlicher Geschäftsführer in einer Baugesellschaft tätig sein. Er werde also nicht wirtschaftlich entscheidungsbefugt sein, sodass ein Delikt der fahrlässigen Krida überhaupt nicht mehr in Frage komme. Sei er in einer betrieblichen Organisation integriert, so habe er auch einen streng abgegrenzten Leistungsbereich, wodurch Überprüfungen der Baustellen zeitlich möglich würden und vom Beschwerdeführer auch tatsächlich durchgeführt werden könnten. An der fachlichen Eignung des Beschwerdeführers bestehe wohl kein Zweifel. Es seien daher die beiden maßgeblichen Kriterien des § 26 Abs. 1 GewO 1994 erfüllt: Die Eigenart der strafbaren Handlung sei durch den neuen Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers nicht mehr wiederholbar, die Persönlichkeit des Beschwerdeführers (insbesondere sein langer beruflicher Werdegang) führe dazu, dass eine äußerst günstige Zukunftsprognose gestellt werden könne. Der Beschwerdeführer sei 54 Jahre alt, sodass ihm eigentlich nur die Möglichkeit bleibe, als gewerberechtlicher Geschäftsführer bei einer Baugesellschaft zu arbeiten oder um Frühpension anzusuchen. Die belangte Behörde hätte daher auch berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines sozialen Umfeldes darauf angewiesen sei, weiterhin als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig sein zu können.
Gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.
Gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 kann der Gewerbeinhaber für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist.
Wie sich aus der zuletzt genannten Gesetzesstelle zweifelsfrei ergibt, trifft den gewerberechtlichen Geschäftsführer eine Verantwortlichkeit lediglich für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften. Die Überwachung der Einhaltung sonstiger bei der Gewerbeausübung zu beachtenden Vorschriften fällt nicht in seinen Verantwortungsbereich (vgl. z. B. auch das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1988, Zl. 87/09/0293).
Ausgehend von diesem eingeschränkten Verantwortungsbereich des gewerberechtlichen Geschäftsführers vermag der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht der belangten Behörde, bei Ausübung der vom Beschwerdeführer angestrebten Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers bestehe die Gefahr der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten wie jener, die den Gewerbeausschluss nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 begründeten, nicht zu teilen. Bei der den Gegenstand der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 23. April 1997 bildenden fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB handelt es sich um eine spezifisch mit der wirtschaftlichen Führung eines Unternehmens verbundenen Straftat, die mit sonstigen gegen das Vermögen gerichteten Straftaten kaum vergleichbar ist. Da die wirtschaftliche Führung des Gewerbebetriebes nicht in die Ingerenz des gewerberechtlichen Geschäftsführers fällt, vermag der Verwaltungsgerichtshof daher die Begehung einer dieser Straftat auch nur ähnlichen Straftat bei Ausübung der vom Beschwerdeführer angestrebten Tätigkeit nicht zu erkennen.
Ähnliches gilt für die Verurteilung nach § 114 Abs. 1 ASVG. Auch hier handelt es sich um ein mit der besonderen Stellung eines Arbeitgebers verbundenen Straftat, die wegen des eingeschränkten Tätigkeitsbereiches durch einen gewerberechtlichen Geschäftsführer weder in dieser noch in ähnlicher Form begangen werden kann. Schließlich ist der gewerberechtliche Geschäftsführer, wie sich aus dem im § 39 Abs. 1 GewO 1994 umschriebenen Verantwortlichkeitsbereich ergibt, auch nicht für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich. Es fehlt daher auch in Ansehung der Verurteilung durch das Bezirksgericht Floridsdorf vom 21. Juli 1997 bei Ausübung der Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers an jeglicher Gelegenheit, zur Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten.
Die von der belangten Behörde gehegte Befürchtung aber, der Beschwerdeführer könnte bei Ausübung der von ihm angestrebten Tätigkeit generell vorsätzlich oder fahrlässig strafrechtlich zu ahndende Delikte gegen das Vermögen oder gegen Leib und Leben setzen, vermag der Verwaltungsgerichtshof aus den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen in der für die Verweigerung der Nachsicht nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 erforderlichen konkretisierten Form nicht abzuleiten.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999040174.X00Im RIS seit
21.02.2002Zuletzt aktualisiert am
26.01.2011