TE Bvwg Beschluss 2018/7/18 W153 2106763-2

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Veröffentlicht am 18.07.2018
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Entscheidungsdatum

18.07.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W153 2106763-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2018, Zl. 1047201108-180337848, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben

und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang, wesentlicher Sachverhalt und Beschwerdegründe:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Afghanistan, brachte am 23.04.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Laut EURODAC-Informationen stellte der Beschwerdeführer am 18.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Bulgarien.

Der Beschwerdeführer brachte dann am 03.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein, der mit Bescheid vom 23.03.2015, zurückgewiesen wurde, da zur Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) Bulgarien zuständig war.

Gegen den Bescheid des BFA wurde Beschwerde erhoben, welche mit Erkenntnis vom 08.05.2015, XXXX abgewiesen wurde und das Verfahren in weiterer Folge mit 19.05.2018 in Rechtskraft erwuchs. Der Beschwerdeführer wurde am 16.07.2015 nach Bulgarien überstellt.

Anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 23.04.2018 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er nach der Abschiebung bis Mitte 2016 in Bulgarien gelebt habe. Bis 20.04.2018 sei er dann in Serbien gewesen und sei dann über Kroatien, Slowenien wieder nach Österreich eingereist.

Am 09.05.2018 wurden Konsultationen mit Bulgarien aufgenommen und die bulgarischen Behörden stimmten am 11.05.2018 einer Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zu. Bei der Einvernahme am 25.05.2018 wiederholte der Beschwerdeführer beim BFA im Wesentlichen, dass er als er 2015 abgeschoben wurde bis April 2016 in Bulgarien gelebt habe. Seine österreichischen Freunde und seine afghanische Familie hätten ihm Bargeld geschickt. Nachdem das Geld nicht ausgereicht habe, habe er zurück nach Österreich wollen. Konkret sei er von seiner damaligen Freundin und jetzigen Frau XXXX unterstützt worden. Als er im April 2016 Bulgarien verlassen habe, habe er dann in einem Hostel in Serbien gelebt. Dann habe Frau XXXX eine Wohnung ( XXXX ) gemietet und bezahlt, in der er dann auch 6 Monate gelebt habe. Weil die Miete zu hoch gewesen war, habe er dann eine billigere Wohnung gesucht. Frau XXXX habe ihn 1x in der Woche besucht und dann auch immer Geld mitgebracht.

Nunmehr lebe er mit Frau XXXX in einem gemeinsamen Haushalt. Er habe sie damals beim ersten Aufenthalt in Österreich kennengelernt.

Als Beweis für seinen Aufenthalt in Serbien werden Kopien von Fotos und Beweise für die Wohnung sowie Bankbelege vorgelegt.

Die Rechtsberatung beantragte die Einvernahme von XXXX als Zeugin zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer ca. 2 Jahre ununterbrochen in Serbien gelebt habe. Außerdem beantragte er die Wiederholung des Konsultationsverfahrens mit Bulgarien.

Auf Antrag der Rechtsberatung wurden die bulgarischen Behörden am 25.05.2018 darüber informiert, dass der Beschwerdeführer laut seinen Angaben, Bulgarien und somit das Hoheitsgebiet für länger als 3 Monate verlassen und sich in Serbien aufgehalten habe.

Mit 31.05.2018 langte beim BFA eine neuerliche Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ein.

Mit Bescheid vom 11.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wird nochmals ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer nach seiner Abschiebung nach Bulgarien ca. 2 Jahre außerhalb der EU, in Serbien, aufgehalten habe, bevor er einen neuerlichen Asylantrag in Österreich gestellt habe. Es liege ein fehlerhaftes Konsultationsverfahren vor, da der Umstand, dass der Beschwerdeführer zahlreiche Beweismittel zu seinem Aufenthalt in Serbien (Anm. nicht Bulgarien) vorlegen habe können, wissentlich verschwiegen worden sei.

Weiters wurden ein Konvolut von Referenzschreiben zugunsten des Beschwerdeführers sowie eine Kopie des Reisepasses von Frau XXXX mit zahlreichen serbischen Einreisestempeln vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Dublin III-VO geltend machen kann.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er nach seiner Abschiebung aus Österreich bis April 2016 in Bulgarien gelebt habe. Dann sei er aber bis 20.04.2018 in Serbien gewesen. Erst von dort sei er über Kroatien, Slowenien wieder nach Österreich eingereist. Somit hätte der Beschwerdeführer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate verlassen. Sollte dieses Vorbringen den Tatsachen entsprechen, so wäre die vom BFA angenommene, auf Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO gegründete Zuständigkeit Bulgariens gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO nicht länger gegeben, sodass der Frage des Aufenthalts des Beschwerdeführers außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten besondere Relevanz zukommt. Der Beschwerdeführer legte auch Beweismittel wie Fotos, Bankauszüge und in der Beschwerde den Reisepass von Frau XXXX, die ihn in Serbien regelmäßig besucht haben soll, vor. Außerdem wurde die Einvernahme von Frau XXXX beantragt.

Das BFA ist jedoch auf diese Umstände und auf das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, wenn überhaupt, nur unzureichend eingegangen.

Die Behörde hat zwar auf Antrag ein weiteres Konsultationsverfahren mit Bulgarien geführt und den dortigen Behörden mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer laut seinen Angaben das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für länger als 3 Monate verlassen und sich in Serbien aufgehalten habe. Die Antwort der bulgarischen Behörden geht jedoch auf die Anfrage substantiell nicht ein. Es geht aus dem Schreiben nicht hervor, ob Bulgarien definitiv Anhaltspunkte zum ununterbrochenen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Bulgarien bis zur neuerlichen Ausreise nach Österreich habe.

Die Behörde hat insbesondere die vorgelegten Beweismittel in keiner Weise ausreichend gewürdigt wurden. Tatsächlich wurden Fotos, die den Beschwerdeführer in Belgrad zu unterschiedlichen Jahreszeiten zeigen (vgl. AS 137, 141, 147) und eine Unterkunftsbestätigung (vgl. AS 121) vorgelegt. Diese Unterlagen sind zumindest Indizien für einen längeren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Serbien und wären daher näher zu prüfen gewesen. Im fortgesetzten Verfahren erscheint es daher notwendig, sich mit diesen Beweismitteln näher auseinanderzusetzen und Frau XXXX einzuvernehmen, die der Beschwerdeführer nachweislich bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Österreich als seine Freundin bezeichnet hat. Es ist davon auszugehen, dass Frau XXXX über den Aufenthalt des Beschwerdeführers nach seiner Abschiebung nach Bulgarien bis zu seiner Wiedereinreise nach Österreich Auskunft geben kann.

Der vorliegende Sachverhalt erweist sich daher so mangelhaft, dass eine Ergänzung desselben und damit verbunden eine mündliche Verhandlung unvermeidlich erschiene, sodass den Beschwerden gem. § 21 Abs. 3, 2. Satz, BFA-VG stattzugeben war.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einvernahme, Ermittlungspflicht,
individuelle Verhältnisse, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W153.2106763.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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