TE Bvwg Beschluss 2018/7/25 W108 2123158-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.07.2018

Norm

AVG §45 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
GebAG §18 Abs1 Z2 litc
GebAG §19 Abs2
GebAG §20 Abs2
GebAG §3 Abs1 Z2
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W108 2123158-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Herbert NIGL, gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 18.01.2016, Zl. 4 C 410/14w, betreffend Bestimmung der Gebühr nach dem Gebührenanspruchsgesetz (GebAG):

A)

Gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Vorsteher des Bezirksgerichtes Klosterneuburg zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. In einem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht Klosterneuburg war der Versicherungsmakler E. H. als Zeuge aus XXXX zur Verhandlung am 05.11.2015 für 11:30 Uhr zum genannten Bezirksgericht geladen worden, wobei in der Ladung als voraussichtliches Ende 12:00 Uhr angegeben war. Die Anwesenheit des Zeugen bei Gericht war bis 11:53 Uhr erforderlich. Der Zeuge gab bei der Vernehmung hinsichtlich seines Berufes an, selbständig erwerbstätig zu sein.

2. Im gegenständlichen Gebührenbestimmungsverfahren machte der Zeuge mit Antrag vom 17.11.2015 fristgerecht seinen Gebührenanspruch geltend, und zwar Reisekosten und eine Entschädigung für Zeitversäumnis in Form der Kosten für einen Stellvertreter/eine Hilfskraft (für 4,5 Stunden zu je EUR 109,00, daher EUR 490,50).

Mit seinem Antrag legte der Zeuge einen Schriftsatz vom 11.11.2015 mit dem "Betreff: Beauftragung als Stellvertreter/Honorarforderung" vor. Damit verrechnete der als Stellvertreter beigezogene G. W., dem Schriftsatz zufolge ein Finanzberater, dem Zeugen für die Vertretungszeit am 05.11.2015 von 09:00 Uhr bis 13:30 Uhr ein Honorar in Höhe von EUR 490,50.

Über Aufforderung der für die Gebührenbestimmung zuständigen Behörde, die tatsächliche Zahlung an den Stellvertreter nachzuweisen, legte der Zeuge einen Ausdruck über die erfolgte Überweisung des Betrages von EUR 490,50 an den Stellvertreter für die Stellvertretung am 05.11.2015 vor.

Die Behörde ermittelte den Weg vom Ladungsort des Zeugen zum Gericht mit jeweils 56 Minuten Wegzeit pro Richtung (über Google Maps).

3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichtes Klosterneuburg (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) wurde die Gebühr des Zeugen für die Teilnahme an der Verhandlung am 05.11.2015 mit insgesamt EUR 503,70 bestimmt:

Reisekosten

(§§ 6-12 GebAG): XXXX - Klosterneuburg und retour EUR 13,20

Entschädigung für Zeitversäumnis

(§§ 17 und 18 GebAG)

Kosten für Stellvertreter (§ 18 Abs. 1 Z 2 lit.c) 4,5 Stunden je EUR 109,00 EUR 490,50

Summe EUR 503,70

Mit der im Bescheid enthaltenen Zahlungsanweisung wurde die Buchhaltungsagentur des Bundes angewiesen, den Betrag von EUR 503,70 zu überweisen.

Begründend wurde (lediglich) festgehalten, dass die Entscheidung in den angegebenen Bestimmungen des zitierten Gesetzes Deckung fände.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die klagende Partei des Grundverfahrens (im Folgenden: Beschwerdeführer) fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und bemängelte den Zuspruch der Kosten für die Beiziehung eines Stellvertreters. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Stellvertreters lägen nicht vor. Der Zeuge habe lediglich eine Rechnung vom 11.11.2015 vorgelegt ohne ein Vorbringen dahingehend zu erstatten oder zu bescheinigen/beweisen, dass es notwendig gewesen wäre, einen Stellvertreter zu bestellen. Der Zeuge hätte konkret darzulegen gehabt, welchen Einkommensentgang er gehabt hätte und weshalb er die Termine, die Einkommen gebracht hätten, nicht zu einem anderen Zeitpunkt hätte festlegen können, zumal der Termin für die Streitverhandlung vom 05.11.2015 bereits lange Zeit vorher bekannt gewesen sei. Auch hinsichtlich der Dringlichkeit der vom Stellvertreter verrichteten Arbeiten werde kein Vorbringen erstattet. Die Tätigkeit hätte auch nach Rückkehr vom Gericht vom Zeugen selbst durchgeführt werden können. Der Zeuge hätte darzulegen gehabt, ob er etwa einen Mitarbeiter habe. Demnach hätte dieser die Kunden darauf verweisen können, dass der Zeuge erst wieder um 12:30 Uhr zurückkehren werde. Andernfalls hätte der Zeuge das Telefon auf sein Mobiltelefon umleiten oder den Anrufbeantworter entsprechend zu besprechen gehabt. Beachtlich sei weiters, dass laut Gebührenbestimmung die Anwesenheit des Zeugen bei Gericht von 11:30 Uhr bis 11:53 Uhr erforderlich gewesen wäre. Die für den Stellvertreter geltend gemachten Kosten würden sich aber auf eine Dauer von 4,5 Stunden belaufen. Aus welchem Grund der Stellvertreter für den Zeitraum von 09:00 Uhr bis 13:30 Uhr beschäftigt worden sei, wäre vor dem Hintergrund der Einvernahme zwischen 11:30 Uhr bis 11:53 Uhr nicht ersichtlich. Für den (nicht gegebenen) Fall, dass die Stellvertreterbestellung erforderlich gewesen wäre, wäre die geltend gemachte Zeit zu umfangreich angesetzt. Die Entfernung zwischen dem Gericht und der Adresse des Zeugen betrage etwa 19 Kilometer und sei dafür eine Fahrzeit von 25 Minuten zu veranschlagen. Es wäre demnach auslangend gewesen, wenn der Zeuge um 11:00 Uhr weggefahren wäre. Dann hätte er um 12:30 Uhr bereits wieder im Büro sein können. Somit stünden dem Zeugen nur für diese Zeit - 1,5 Stunden - Stellvertreterkosten zu. Zudem sei das geltend gemachte Entgelt von EUR 109,00/Stunde überhöht. Dem Zeugen wären lediglich die Reisekosten in Höhe von EUR 13,20 zuzusprechen gewesen.

5. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6. Mit Beschwerdebeantwortung vom 14.03.2016, die vom Bundesverwaltungsgericht an die weiteren Verfahrensparteien übermittelt wurde, bezog der Zeuge hierzu - wie folgt - Stellung:

Bei der Vertretungstätigkeit handle es sich um eine "Vertretung für permanent unvorhersehbare Geschäftsfälle inklusive Kundenbesuche, die unangekündigt und ohne Voranmeldung von Kunden an [seiner] Geschäftsadresse von Kunden" stattfänden. Es müssten Telefonate zu plötzlich eingetretenen Versicherungsschäden beantwortet und die sofortige Organisation von Handwerkern/Einschleppung von verunfallten Fahrzeugen gewährleistet werden. Dies müsse alles ohne Aufschub abgearbeitet und ohne Nachfrage durchgeführt werden. Zudem handle es sich bei dem anberaumten Gerichtstermin um die Kernzeit des Tagesgeschäftes. Die Vertretung sei mit keiner Bürotätigkeit zu vergleichen und seien diese Fälle daher auch nicht nachzubearbeiten. Um die Sicherheit des pünktlichen Erscheinens vor Gericht zu gewährleisten, sei eine gewisse Reservezeit für die Anreise einzuplanen und sei diese von der Zeit für die Vertretung mitumfasst, weshalb der Betrag zu Recht zugesprochen worden sei.

7. Mit Stellungnahme vom 07.09.2017 replizierte der Beschwerdeführer drauf, dass der Zeuge die genannten Beschwerdegründe nicht zu erschüttern vermöge. Der Zeuge hätte konkret zu bescheinigen gehabt, welchen Verdienstentgang er gehabt habe. Der Zeuge unternehme nicht einmal einen Versuch dies darzulegen. Die Gebühr sei zudem überhöht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter Punkt I. dargelegten Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt ausgegangen.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Die Beschwerde wurde fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. Die relevante Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Gebührenanspruchsgesetz (GebAG) haben natürliche Personen, die als Zeuginnen und Zeugen in gerichtlichen Verfahren und in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (§ 103 Abs. 2 StPO) tätig sind, Anspruch auf Gebühren nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 3 Abs. 1 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.

Gemäß § 17 GebAG bezieht sich die Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 3 Abs. 1 Z 2 GebAG), vorbehaltlich des § 4 GebAG, auf den Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muss.

Gemäß § 18 Abs. 1 GebAG gebühren dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis

1. 14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

2. anstatt der Entschädigung nach Z 1

a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

Gemäß § 18 Abs. 2 GebAG hat im Falle des Abs. 1 Z 1 der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.

§ 19 Abs. 2 GebAG bestimmt, dass soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren (§ 3 Abs. 2), zu bescheinigen hat.

Gemäß § 20 Abs. 2 GebAG kann vor der Gebührenbestimmung der Zeuge aufgefordert werden, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu äußern und, unter Setzung einer bestimmten Frist, noch fehlende Bestätigungen vorzulegen.

3.3.2. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 VwGVG).

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

3.3.3. Ausgehend vom dargestellten Verwaltungsgeschehen/Sachverhalt und der angeführten Rechtslage ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt ungeklärt und liegen besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens im oben genannten Sinn vor:

Aufgrund der Beschwerde sind die vom Zeugen beantragten und von der belangten Behörde zuerkannten Stellvertreterkosten gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG strittig.

Nach dem klaren Wortlaut des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG sind dem Zeugen Kosten für einen Stellvertreter nur dann zuzusprechen, wenn die Bestellung notwendig war und die Kosten angemessenen sind. Die Bestellung eines Stellvertreters ist nur dann notwendig, wenn die von ihm wahrgenommenen Aufgaben unaufschiebbar sind und dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, zumal nur ein verloren gegangener finanzieller Nachteil das Erfordernis des in § 3 Abs. 1 Z 2 GebAG genannten Vermögensnachteils zu erfüllen vermag; denn das GebAG will dem Zeugen die mit seiner Mitwirkung an der Rechtspflege verbundenen finanziellen Einbußen ausgleichen, ihn aber nicht entlohnen (s. Krammer/Schmidt, SDG - GebAG³ [2001] Anmerkung 6 zu § 18 GebAG). Die Bestellung eines Stellvertreters erfolgt dann "notwendigerweise", wenn der Stellvertreter für Tätigkeiten herangezogen wird, die dem Zeugen Einkommen bringen, welches in Ermangelung der erfolgten Bestellung eines Stellvertreters jedoch verloren gegangen wäre. Dabei ist es wesentlich, ob es dem Zeugen möglich und zumutbar war, die betreffenden dem Stellvertreter übertragenen Tätigkeiten nach Rückkehr vom Gericht selbst durchzuführen, wobei gleichfalls die Dringlichkeit bzw. Terminisierung der versäumten Arbeiten eine Rolle spielen kann. Ist die Verrichtung der dem Stellvertreter übertragenen Arbeiten durch den Zeugen selbst nach seiner Rückkehr vom Gericht möglich und zumutbar, so war der Stellvertreter nicht "notwendigerweise" im Verständnis des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG zu bestellen (VwGH 20.06.2012, 2010/17/0099). Bei der Prüfung der Notwendigkeit ist auch die Angemessenheit des Zeitraums (gemäß § 17 GebAG), für den die Entschädigung begehrt wird, zu berücksichtigen (vgl. Feil, Gebührenanspruchsgesetz, 6. Auflage, § 18 RZ 5 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat der Zeuge nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur die Tatsache der Stellvertretung und die Höhe der dafür aufgewendeten Kosten zu bescheinigen, sondern auch die Notwendigkeit der Stellvertretung (VwGH 07.10.2005, 2005/17/0207), wobei es konkreter Angaben über die Erforderlichkeit einer derartigen Vertreterbestellung bedarf (VwGH 28.04.2003, 99/17/0202). Die Notwendigkeit der Stellvertreterbestellung muss konkret für den Zeitraum der Abwesenheit infolge der Zeugenladung behauptet und bescheinigt werden. Dies gilt im Besonderen für einen qualifizierten Vertreter (s. Krammer/Schmidt, SDG - GebAG³ [2001] Anmerkung 26f zu § 18 GebAG). Als einen für die Gebührenbestimmung bedeutsamen Umstand hat der Zeuge im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht jedenfalls über diesbezügliche Aufforderung der Verwaltungsbehörde die Notwendigkeit der Stellvertretung zu behaupten und zu bescheinigen (vgl. VwGH 28.08.2007, 2007/17/0094).

Ungeachtet der oben dargestellten klaren gesetzlichen Vorgaben, Literaturmeinungen und gefestigten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall keinerlei Feststellungen zur Notwendigkeit der Stellvertretung - was im konkreten Fall insbesondere Feststellungen zur Art und zur Unaufschiebbarkeit der vom Stellvertreter übernommenen Tätigkeiten und zu dem dem Zeugen durch die Zeugenvernehmung entstandenen Vermögensnachteil beinhaltet - getroffen und hat diesbezüglich alle Ermittlungen unterlassen (das von der belangten Behörde hinsichtlich des Schriftsatzes des Zeugen vom 11.11.2015 durchgeführte Verbesserungsverfahren zielte nicht auf das dargelegte Beweisthema der Notwendigkeit der Stellvertretung und der Angemessenheit der Kosten ab). Der angefochtene Bescheid enthält nicht einmal eine Begründung für den Zuspruch der Stellvertreterkosten, sodass nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen dem Zeugen die die Entschädigung für Zeitversäumnis zugesprochen wurde. Mangels behördlicher Ermittlungen und Feststellungen ist auch die Angemessenheit des Zeitraums von 4,5 Stunden, für den die Entschädigung begehrt und von der Behörde zugesprochen wurde, sowie die Angemessenheit der Höhe des begehrten Stundensatzes bzw. die Notwendigkeit der Bestellung eines qualifizierten Vertreters nicht nachvollziehbar.

Es sind diesbezüglich aber auch keine brauchbaren Ermittlungsergebnisse aktenkundig (als Ermittlungsergebnis bereits vorliegend). Aus dem Schriftsatz vom 11.11.2015 können die Notwendigkeit der Stellvertretung und die Angemessenheit der Höhe der Kosten nicht ansatzweise entnommen werden. Auch die Beschwerdebeantwortung des Zeugen vom 14.03.2016 ist diesbezüglich nicht ausreichend aussagekräftig, insbesondere bleiben auch damit der Vermögensnachteil, der dem Zeugen ohne Stellvertreterbestellung entstanden wäre, die Zeit der notwendigen Abwesenheit sowie die Erforderlichkeit der Bestellung eines gleich qualifizierten Stellvertreters im Dunkeln.

Die belangte Verwaltungsbehörde hat es - sichtlich aufgrund ihrer unzutreffenden (vgl. VwGH 07.10.2005, 2005/17/0207) Annahme, es genüge, dass der Stellvertreter bestellt und dessen Kosten vom Zeugen auch getragen worden seien - unterlassen, den Zeugen im Sinn des § 19 Abs. 2 GebAG und § 20 Abs. 2 GebAG zur Darlegung und Bescheinigung der Notwendigkeit der Bestellung eines Stellvertreters aufzufordern. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde dies nachzuholen haben bzw. den Zeugen zur diesbezüglichen Konkretisierung seiner Beschwerdebeantwortung zu veranlassen haben. Sodann wird sie - gegebenenfalls nach Durchführung weiterer Erhebungen - unter Beachtung der dargestellten Rechtslage, Literatur und Judikatur - die fehlenden begründeten Feststellungen zu treffen und zu beurteilen haben, ob der Stellvertreter "notwendigerweise" im Sinn des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG bestellt wurde und die dafür begehrten Kosten angemessen sind.

Dabei wird die belangte Behörde bei der Beurteilung der Unaufschiebbarkeit von Stellvertretertätigkeiten (im Sinn der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit für den Zeugen, diese Aufgaben zu einem anderen Termin [etwa vor dem Gerichtstermin bzw. nach Rückkehr vom Gericht] selbst durchzuführen) auch darauf Bedacht zu nehmen haben, dass der Zeuge bereits über drei Monate im Vorhinein zur Vernehmung geladen worden war. Bei der Eruierung der Zeit der notwendigen Abwesenheit des Zeugen wird sie auch zu prüfen haben, inwiefern für einen für 11:30 Uhr geladenen und um 11:53 Uhr entlassenen Zeugen die Heranziehung eines Vertreters bereits ab 09:00 Uhr und bis 13:30 Uhr gerechtfertigt bzw. angemessen erscheint. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass für den üblichen Präsenzdienst in der Kanzlei, dem Büro oder der Ordination eines freiberuflich Tätigen die Bestellung eines qualifizierten Stellvertreters nicht notwendig ist, weil diese Aufgaben (Abwesenheits- und Telefondienst) im Allgemeinen von im Sekretariat angestellten Mitarbeitern besorgt werden (s. Krammer/Schmidt, SDG - GebAG³ [2001] Anmerkung 27 zu § 18 GebAG), dass die Notwendigkeit der Stellvertretung etwa bei einem Kaufmann mit mehreren Verkäufern, einem Gastwirt oder Unternehmer mit vielen Beschäftigten zu verneinen sein wird, wenn nicht besondere Umstände bescheinigt werden (s. Krammer/Schmidt, SDG - GebAG³ [2001] Anmerkung 28 zu § 18 GebAG) und dass der Zeuge, wenn er die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes (etwa im Sinn eines Anwesenheitsdienstes zwecks Entgegennahme von Aufträgen) behauptet, auch initiativ darzutun hat, weshalb eine aus diesem Grund erfolgte Bestellung nur mit einem gleich qualifizierten Stellvertreter erfolgen kann (vgl. VwGH 07.10.2005, 2005/17/0207).

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass aufgrund des (gänzlichen) Unterbleibens von Ermittlungen/Feststellungen im behördlichen Verfahren zu diesen hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich der für eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache erforderliche Sachverhalt nicht feststeht und die belangte Behörde Ermittlungen und Feststellungen in einem entscheidungswesentlichen Punkt gänzlich unterlassen und insofern nur ansatzweise die notwendigen Ermittlungen durchgeführt hat, womit besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens gemäß § 28 Abs. 3,

2. Satz VwGVG vorliegen (zum Fall der bloß ansatzweisen Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde vgl. etwa VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127 unter Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; zum Umfang der noch fehlenden Ermittlungen, die eine Behebung und Zurückverweisung erlauben vgl. etwa VwGH 27.04.2017, Ra 2016/12/0071).

Es kann nicht gesagt werden, dass die Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, vielmehr dient in einem Fall wie dem vorliegenden die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des Sachverhalts. Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG war daher von der Möglichkeit des Vorgehens nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG (Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe) Gebrauch zu machen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde es überdies unterlassen hat, den Parteien des Verfahrens vor ihrer Entscheidung zum angenommenen Sachverhalt, welches sie in der Folge ihrer Entscheidung zu Grunde legte, Parteiengehör zu gewähren. Das Ermittlungsverfahren gemäß § 37 AVG dient auch dazu, den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Insbesondere ist ihnen gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen (s. Hengstschläger/Leeb [2005], AVG § 37, Rz 11 und die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Die Parteien des Verfahrens hätten daher bereits vor Erlassung des Bescheides die Möglichkeit haben müssen, die Sachverhaltsannahme der Behörde mitgeteilt zu erhalten, um diese gegebenenfalls entkräften zu können.

3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen - auch weil der Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen klar ist - schließlich keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor (vgl. OGH vom 22.03.1992, 5 Ob 105/90). Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich anhand der Beurteilung im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden (vgl. etwa VwGH 25.09.2015, Ra 2015/16/0085, mwN). Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

Bescheinigungspflicht, Entschädigung, Ermittlungspflicht, Kassation,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Mitwirkungspflicht,
Parteiengehör, selbstständig Erwerbstätiger, Stellvertreter,
Vermögensnachteil, Zeitversäumnis, Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W108.2123158.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten