Entscheidungsdatum
30.07.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W203 2180261-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2017, Zl. 1134267508 - 161505810/BMI-BFA_STM_AST_01_TEAM_01 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 10/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 07.11.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde sie durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie in Kobane geboren und ledig sei. Sie gehöre der Volksgruppe der Kurden an und bekenne sich zur islamischen Religion. Ihr Vater, ihre Mutter sowie zwei Brüder und drei Schwestern befänden sich in Syrien. Drei weitere Brüder würden im Irak leben. Sie habe Syrien im September 2014 zu Fuß Richtung Türkei verlassen, wo sie zwei Jahre gelebt habe. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass im September 2014 die IS-Terroristen die Stadt Kobane überfallen hätten und deswegen sei sie mit ihrer Familie, aus Angst um ihr Leben, in die Türkei geflüchtet.
2. Am 10.11.2017 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Zusammengefasst bestätigte sie die bereits in der Ersteinvernahme getätigten Angaben zu ihrer Person und gab weiters an, dass sie am 29.08.2017 ein Kind bekommen habe. Der Vater des Kindes sei Kurde, der bereits einen Asylstatus erlangt habe. Sie habe in Kobane in Syrien gelebt, Syrien verlassen habe sie aufgrund des Einmarsches des IS im September 2014. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass die gesamte Familie aufgrund der Bedrohung durch den IS von Kobane in die Türkei geflüchtet sei. Ein Großteil der Familie sei anschließend wieder nach Syrien zurückgekehrt. Sonst sei nichts weiter passiert und es gebe auch sonst keine weiteren Fluchtgründe. Vorgelegt wurde unter anderem ein Auszug aus dem Familienbuch.
3. Mit Bescheid vom 22.11.2017 - zugestellt am 27.11.2017 - wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass nicht festgestellt werden habe können, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland Afghanistan (gemeint wohl: Syrien) einer konkreten, individuellen und aktuellen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt war bzw. sein könnte. Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren immer eine Verfolgung verneint und immer nur auf allgemeine Folgen des Bürgerkrieges verwiesen. Es liege die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl aus in der GFK genannten Gründen nicht vor und es habe sich auch aus den sonstigen Ergebnissen im Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, der zur Asylgewährung führen könnte, ergeben.
4. Am 12.12.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid Beschwerde. Begründet wurde diese im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Kobane gelebt hätten. Es sei im Bescheid festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin aus Afghanistan stammen würden. Dies sei ein Indiz dafür, dass sich die belangte Behörde mit dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht gehörig auseinandergesetzt habe. Zu den Fluchtgründen wurde vollinhaltlich auf das bisher im Asylverfahren Vorgebrachte verwiesen.
5. Mit Schreiben vom 15.12.2017, eingelangt am 20.12.2017, legte die belangte Behörde den gegenständlichen Verfahrensakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 07.11.2016, der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde, der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige, gehört der kurdischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimischen Glauben.
Die Beschwerdeführerin ist rechtswidrig in Österreich eingereist und hat am 07.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Aufgrund dieses Antrages wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 22.11.2017 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Die Beschwerdeführerin hat Syrien aufgrund des Einmarsches des IS in Kobane und einer damit verbundenen Angst vor Verfolgung verlassen und hat nachfolgend von September 2014 bis Oktober 2016 in der Türkei gelebt.
Der letzte Wohnort der Beschwerdeführerin in Syrien befand sich in Kobane, im Gouvernement Aleppo, welches sich aktuell nicht in der Hand des IS, sondern unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte bzw. Milizen, wie der YPG, befindet.
Aus den vorgängigen Ausführungen lässt sich keine individuelle, die Beschwerdeführerin betreffende Verfolgungssituation im Sinne der GFK ableiten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25. Jänner 2018, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wird auszugsweise wie folgt angeführt:
Sicherheitslage:
Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch (AA 27.12.2017).
Grob gesagt stehen auf der Seite der syrischen Regierung Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah und schiitische Milizen, die vom Iran im Irak, in Afghanistan und im Jemen rekrutiert werden. Auf der Seite der diversen Gruppierungen, die zur bewaffneten Opposition bzw. zu den Rebellen gehören, stehen die Türkei, die Golfstaaten, die USA und Jordanien, wobei diese Akteure die Konfliktparteien auf unterschiedliche Arten unterstützen. Zudem sind auch die Kurden in Nordsyrien und der sogenannte Islamische Staat (IS) am Konflikt beteiligt (BBC 7.4.2017).
Mitte September des Jahres 2016 wurde von den USA und Russland, nach monatelangen Gesprächen, eine Waffenruhe ausgehandelt. Diese sollte ermöglichen, dass humanitäre Hilfe die Kampfgebiete erreichen kann; außerdem sollte den Luftangriffen des syrischen Regimes auf die Opposition Einhalt geboten werden. Die Waffenruhe sollte sieben Tage bestehen und galt für das syrische Regime und die Rebellen, jedoch nicht für die terroristischen Gruppierungen "Islamischer Staat" (IS) und Jabhat Fatah ash-Sham (CNN 12.9.2016). Es soll in verschiedenen Gebieten mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Nach ungefähr einer Woche wurde die Waffenruhe von der syrischen Armee bzw. vom syrischen Regime für beendet erklärt. In dieser Zeit konnten keine humanitären Hilfslieferungen die Kampfgebiete erreichen (Zeit 19.9.2016).
Der "Islamische Staat" (IS)
Im November 2017 brachte die syrische Armee Deir ez-Zour, das zuvor vom IS besetzt war, wieder unter seine Kontrolle (BBC 12.12.2017). Der IS verlor 2017 beinahe sein ganzes Territorium in Syrien und im Irak (Reuters 27.12.2017a).
Analysten gehen außerdem davon aus, dass der IS sich bereits auf eine neue Phase vorbereitet und sich zu der Art von Untergrundbewegung zurückentwickelt, die sie in ihren Anfängen war (NYT 17.10.2017).
Gemäß https://syria.liveuamap.com/ befindet sich Kobane - der Herkunftsort und auch der letzte Wohnort der Beschwerdeführerin in Syrien - mit Stand 04.07.2018 unter der Kontrolle der kurdischen Truppen bzw. der kurdischen Partei.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus deren Angaben im Rahmen der Erstbefragung bzw. der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie aus den vorgelegten Dokumenten (u.a. Familienbuch).
2.2. Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.3. Die Feststellungen zur Situation in Syrien, dem Heimatstaat der Beschwerdeführerin, beruhen auf den genannten (nun aktualisierten) Quellen, die schon die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
2.4. Im vorliegenden Verfahren hatte die Beschwerdeführerin nach ihrer Erstbefragung sowie im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde die Gelegenheit, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.
2.5. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Fluchtgründe betreffend ist festzuhalten, dass diese mehrfach angab, Kobane - zuerst in Richtung Türkei und in weiterer Folge nach Österreich - aufgrund der Eroberung ihres Heimatortes durch den IS verlassen zu haben. Diese Angabe der Beschwerdeführerin ist als glaubhaft und nachvollziehbar anzusehen, zumal sie im gesamten weiteren Verfahren angab, nie persönlich in Syrien verfolgt worden zu sein.
2.6. Die Beschwerdeführerin gab sowohl in den Befragungen durch die Sicherheitsorgane als auch vor der belangten Behörde sowie auch in der Beschwerde an, aus Kobane im Gouvernement Aleppo, zu stammen. Dieser Bezirk befindet sich laut syria.liveua.map.com aktuell nicht in der Hand des IS, sondern unter der Kontrolle der kurdischen Partei. Der IS ist auch nicht in der näheren Umgebung stationiert. Somit war festzustellen, dass eine Bedrohung der Beschwerdeführerin durch den IS mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.
2.7. Dass keine anderen Gründe - als die von der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung bzw. in der Befragung vor der belangten Behörde sowie in der Beschwerde angegebenen - erkennbar sind, aufgrund derer der Beschwerdeführerin in Syrien Verfolgung durch das syrische Regime bzw. den syrischen Staat droht, ergibt sich daraus, dass solche weder im Laufe des Verfahrens hervorgekommen sind, noch, dass sich solche unter Bedachtnahme auf die Länderberichte ergeben haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Zu Spruchpunkt A): Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Bei der Entscheidung, ob eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht, handelt es sich immer um eine Prognoseentscheidung, die eine auf die Zukunft gerichtete Verfolgung verlangt. Das Wort "Furcht" bezieht sich dabei nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt wurden, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Wege gehen möchten, die eine Gefahr der Verfolgung in sich birgt. (vgl. UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 1)
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).
Der Umstand, dass im Heimatland des Asylwerbers Bürgerkrieg herrscht, stellt für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK dar. Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegend der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, d.h. er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptungen spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" der wohlbegründeten Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus /vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
3.2.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, erweisen sich die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten möglichen Verfolgungsszenarien - die Angst vor einer Verfolgung durch den IS nach Eroberung ihres Heimatdorfes - vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen und aufgrund der Tatsache, dass sich das Herkunftsgebiet der Beschwerdeführerin aktuell nicht in der Hand des IS befindet, als maßgeblich unwahrscheinlich, weshalb es der Beschwerdeführerin insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung mit maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann daher nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
3.2.3. Bezugnehmend auf die Ausführungen in der Beschwerde, dass die belangte Behörde im Bescheid festgestellt habe, dass die Beschwerdeführerin aus Afghanistan stammen würde und dies ein Indiz dafür sei, dass sich die belangte Behörde mit dem Fluchtvorbringen nicht gehörig auseinandergesetzt habe, ist festzuhalten, dass die belangte Behörde einerseits zur Person der Beschwerdeführerin festgestellt hat, dass diese syrische Staatsangehörige ist und aus Kobane stammt und andererseits dem Bescheid die Länderfeststellungen Syrien betreffend zu Grunde gelegt hat und es sich bei der Anführung von Afghanistan eindeutig um einen Schreibfehler handelt, welcher die Aussagekraft des Bescheides nicht zu mindern vermag.
3.2.4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.2.5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen - ergänzt um aktuellere Feststellungen - unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falles notwendige Aktualität aufweisen.
Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchpunkt B):
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Punkten bei Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
aktuelle Bedrohung, aktuelle Gefahr, Asylantragstellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W203.2180261.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.08.2018