Entscheidungsdatum
31.07.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2196204-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. des XXXX, 2. der XXXX GmbH, 3. der XXXX KG, 4. der XXXX OG und 5. der XXXX, alle vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Johannes ELTZ, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX vom 04.04.2018,XXXX, wegen Gerichtsgebühren zu Recht:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit der im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Eingabe vom 25.10.2017 erhoben die vom Rechtsanwalt Dr. Johannes ELTZ vertretenen Beschwerdeführer (BF) als klagende Parteien eine Besitzstörungsklage gegen zwei Beklagte. Die Klage trägt den Vermerk "Kein Gebühreneinzug! Gerichtsgebühr bitte den Klägern direkt vorschreiben". Das Verfahren über diese Klage wurde beim Bezirksgericht XXXX zu XXXX geführt.
Nach einer erfolglosen Lastschriftanzeige wurden den BF mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 05.02.2018 die Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG von EUR 139,10 (ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 750) und die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 147,10, zur Zahlung vorgeschrieben.
Mit der am 21.02.2018 per Fax eingebrachten und mit Schriftsatz vom 15.03.2018 verbesserten Eingabe erhoben die BF dagegen eine Vorstellung an die Präsidentin des Landesgerichts XXXX.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden den BF folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:
Pauschalgebühr TP 1 GGG iVm § 19 a GGG EUR 139,10
(Bemessungsgrundlage: EUR 750)
Mehrbetrag § 31 GGG EUR 22
Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8
Gesamtbetrag EUR 169,10.
Es wurde ausgesprochen, dass die BF zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig sind und dass für die Einhebungsgebühr und den Mehrbetrag nach § 31 GGG auch ihr Rechtsvertreter Dr. Johannes ELTZ als Bürge und Zahler zahlungspflichtig ist.
In dem Bescheid werden Grund und Höhe der für die Berufung zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert begründet und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.
Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde der BF mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Gleichzeitig beantragen die BF, der Beschwerde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit" die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weil die Begleichung des geforderten Betrags einen unwiederbringlichen Nachteil für sie mit sich brächte und keine öffentlichen Interessen der Aufschiebung entgegenstünden.
Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK sowie Art 18 und Art 7 B-VG. Bei der Entscheidung, eine Klage oder ein Rechtsmittel zu erheben, stünden nicht inhaltliche, sondern finanzielle Fragen im Vordergrund. Insbesondere Personen aus der Mittelschicht, die es sich nicht leisten könnten, Rechtsstreitigkeiten zu führen, aber auch nicht die Voraussetzungen zur Erlangung der Verfahrenshilfe erfüllten, würde der Zugang zum Recht verwehrt. Der Schwierigkeitsgrad und Arbeitsaufwand eines Verfahrens steige nicht mit dem Streitwert. Die Gebühr sei unabhängig von der Dauer des Verfahrens und vom anfallenden Aufwand zu entrichten. Die Gebührenschuld entstünde auch dann, wenn z.B. über ein Rechtsmittel nicht inhaltlich entschieden, sondern es aus formellen Gründen zurückgewiesen würde. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine "verbotene Steuer" seien. Es widerspräche den Anforderungen an ein faires Verfahren, für die Wahrnehmung staatlicher Pflichten Gebühren zahlen zu müssen.
Die Präsidentin des Landesgerichts XXXX legte - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und die Akten des Justizverwaltungsverfahrens samt den wesentlichen Aktenbestandteilen des Grundverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo diese am 24.05.2018 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den Verwaltungsakten und aus dem Gerichtsakt des BVwG. Die Beschwerde tritt den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht substanziiert entgegen.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung, die unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden kann (vgl §§ 13 Abs 2, 22 VwGVG). Da die aufschiebende Wirkung hier weder von der belangten Behörde noch von BVwG ausgeschlossen wurde, kann der Beschwerde die aufschiebende Wirkung auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 2 Z 1 lit a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage begründet. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger.
Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.
Bemessungsgrundlage ist der Wert des Streitgegenstands und beträgt gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG beträgt bei Streitigkeiten über Besitzstörungsklagen EUR 750.
Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen.
Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.
Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.
Mangels Zustimmung zur Abbuchung und Einziehung war die Einziehung der Gerichtsgebühren hier erfolglos.
Der Pauschalgebühr nach TP 1 GGG unterliegen alle mittels Klage einzuleitenden Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen (siehe Anm 1 zu TP 1 GGG). Bei einem Wert des Streitgegenstands über EUR 700 bis EUR 2.000 (wie hier) beträgt die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz EUR 107.
Gemäß § 19 a GGG ("Streitgenossenzuschlag") erhöhen sich die in TP 1 bis 4 GGG angeführten Gebühren ua dann, wenn in einer Rechtssache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen oder gerichtlich in Anspruch genommen werden. Die Erhöhung beträgt 10 %, wenn zumindest auf einer Seite zwei Streitgenossen vorhanden sind, und 5 % für jeden weiteren Streitgenossen, jedoch nie mehr als insgesamt 50 %. Da hier fünf klagende Parteien zwei Beklagten gegenüberstehen, beträgt der Streitgenossenzuschlag 30 %. Die Pauschalgebühr für die Besitzstörungsklage beträgt daher EUR 139,10.
Ausgehend von den angeführten gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der belangten Behörde verwiesen werden.
Den in der Beschwerde geäußerten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren an sich und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass das System der Gerichtsgebühren nicht verfassungswidrig ist (vgl VfGH 17.06.1996, B 1609/96 und 10.06.2002, B 1976/99) und auch gegen das Pauschalgebührensystem keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (VfGH 27.11.2000, B 119/98; siehe dazu auch die weiteren bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 zu § 1 GGG angeführten Entscheidungen).
Die Auffassung, der dem Gericht verursachte Arbeitsaufwand sei bei der Gerichtsgebührenpflicht zu berücksichtigen, ist unrichtig. Die Gerichtsgebühren stellen Abgaben dar, bei denen im Einzelfall eine Äquivalenz der Amtshandlung nicht erforderlich ist (VwGH 18.09.2003, 2003/16/0040). Daher geht auch der Vorwurf, es handle es um eine "verbotene Steuer", ins Leere. Aus diesem Grund ist die Vorschreibung von Gerichtsgebühren auch keine Entscheidung über "civil rights" iSd Art 6 EMRK (VfGH 01.03.2007, B 301/06; VwGH 18.09.2003, 2003/16/0040). Nach stRspr des VfGH ist eine strenge Äquivalenz im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühren dem bei Gericht verursachten Aufwand entsprechen müssten, nicht erforderlich. Gerichtsgebühren sind - wie Gebühren nach dem Gebührengesetz - nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-)Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe zuletzt VfGH 18.06.2018, E 421/2018).
Gegen die Höhe der Gerichtsgebühren und deren Bemessung nach dem Streitwert bestehen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ebenfalls keine Bedenken (VfGH 01.03.2007, B 301/06 und 11.12.2013, B 1459/2013). Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich).
Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (zB Verfahrenshilfe) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich). Von einer exzessiven Höhe der Gebühr kann hier angesichts einer Gebühr von EUR 601 für das zweitinstanzliche Verfahren keine Rede sein.
Das GGG knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um, eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten (vgl zuletzt VwGH 22.10.2015, Ro 2014/16/0021). Dies ist weder unsachlich noch gleichheitswidrig (VwGH 03.09.1987, 86/16/0050 und 16.11.2004, 2004/16/0125, 0126; VfGH 29.11.2007, B 1883/07).
Die BF zeigen nicht auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).
Da das BVwG die grundsätzlichen Bedenken der BF gegen die Vorschreibung von Gerichtsgebühren und deren Höhe nicht teilt, unterbleiben sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen. Im Ergebnis ist die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung einer - ohnehin nicht beantragten - Beschwerdeverhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, weil die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt, zumal der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen ist.
Zu Spruchteil C):
Die Revision war nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Bemessungsgrundlage, Besitzstörungsklage,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2196204.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.08.2018