TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/22 99/01/0168

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Veröffentlicht am 22.12.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §7;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/01/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1) der MO, geboren am 30. April 1954, 2) des SO, geboren am 28. Dezember 1981, beide in E, der Zweitbeschwerdeführer vertreten durch die erstbeschwerdeführende Mutter, beide vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Oktober 1998,

1) Zl. 205.730/0-VIII/23/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages, 2) Zl. 205.731/0-VIII/23/98, betreffend Erstreckung von Asyl gemäß § 10 und 11 AsylG 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 8.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien, stellte am 21. September 1998 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Aufgrund ihrer Angabe anlässlich der vom Bundesasylamt durchgeführten Ersteinvernahme, sie habe sich vor ihrer Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten, wurde ihr vorgehalten, Asylwerber seien während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt, dies nach Art. 14 bis 16 des neuen Asylgesetzes Nr. CXXXIX/1997. Dieses Gesetz (insbesondere dessen Art. 61 Abs. 1 und Art. 6) sehe auch Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vor, falls dort eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gegeben wäre.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. September 1998 wurde der Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 - AsylG, als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, nach den Vorhalten, darunter auch zur Rechtslage in Ungarn, sei davon auszugehen, dass "Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt" seien und ihnen Schutz vor Abschiebung im oben ausgeführten Umfang zukomme.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die über Ungarn in das Bundesgebiet eingereiste Erstbeschwerdeführerin dort Schutz vor Verfolgung finden könne, wobei er auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz verwies und sich diesen anschloss.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat den Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf Erstreckung des Asyls gemäß §§ 10 und 11 AsylG abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass der Asylantrag der Mutter des Zweitbeschwerdeführers mit dem im Instanzenzug bestätigten Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. September 1998 zurückgewiesen worden sei. Die Erstreckung von Asyl sei nicht möglich, weil die gemäß § 10 Abs. 1 AsylG geforderte Voraussetzung, nämlich die einen Angehörigen im Sinne dieser Bestimmung betreffende Asylgewährung, nicht vorliege.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die von der belangten Behörde bekannt gegebene Tatsache, dass die Beschwerdeführer am 21. Dezember 1998 nach Ungarn "zurückgestellt" wurden, danach für zwei Monate in ihre Heimat zurückgekehrt und in der Folge über Albanien und Italien neuerlich nach Österreich eingereist sind, wo sie keinen neuen Asylantrag stellten, bewirkt weder, dass die Beschwerdeführer nicht zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde berechtigt gewesen wären, wie dies die belangte Behörde vermeint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1996, Zl. 95/20/0101), noch die Gegenstandslosigkeit der anhängigen Beschwerde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 4 Abs. 2 AsylG für die Zurückweisung eines Asylantrages wegen Drittstaatsicherheit voraus, dass die Asylbehörden im Einzelfall zunächst die Rechtslage im potentiellen Drittstaat ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284).

Weiters gilt für die Berufungsbehörde nach dem gemäß § 67 AVG auch von ihr anzuwendenden § 60 leg. cit., dass in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützt die Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung der Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargelegt werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1044 wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Berufungsbehörde die ungarische Rechtslage festzustellen und darzulegen gehabt hätte, auf Grund welcher Überlegungen sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die von ihr ermittelte ungarische Rechtslage derart beschaffen sei, dass rechtlich gemäß § 4 Abs. 2 AsylG zu folgern sei, Asylwerber seien während des Asylverfahrens (wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Verwaltungsgerichtshof darunter das gesamte Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens versteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), was von der belangte Behörde aber offen gelassen wurde) in Ungarn "zum Aufenthalt berechtigt". Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid jedoch nicht gerecht. Die belangte Behörde begnügt sich im entscheidenden Punkt ihrer von der Behörde erster Instanz übernommenen Begründung, nach der Feststellung, seit dem 1. März 1998 stehe in Ungarn das Gesetz Nr. CXXXIX/1997 in Geltung, das die einschlägigen Fragen des Flüchtlingsrechts regle, mit den Sätzen:

"Des weiteren sind Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt (vgl. Art. 14 bis 16 des obgenannten Gesetzes)"

sowie

"Schließlich sieht das Gesetz Nr. CXXXIX/1997 auch Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vor, falls dort eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gegeben wäre (vgl. insbesondere Art. 61 Abs. 1 und Art. 61 Abs. 6 leg. cit.)".

Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus der weiteren Bescheidbegründung wird allerdings der genaue Inhalt der zitierten Gesetzesbestimmungen deutlich. Wie die belangte Behörde zu ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte, die - von ihr im Einzelnen gar nicht dargestellte - ungarische Rechtslage sei so beschaffen, dass Asylwerber "während des Verfahrens" - wobei die belangte Behörde nicht eindeutig sagt, was sie darunter versteht - in Ungarn im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG "zum Aufenthalt berechtigt" und vor Abschiebung geschützt seien, entzieht sich daher einer Nachprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0313).

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der erstangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des erstangefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte.

Für den Zweitbeschwerdeführer folgt daraus, dass mit der rechtskräftigen Erledigung seines Antrages bis zur rechtskräftigen Erledigung des durch die Aufhebung des den Asylantrag der Mutter des Zweitbeschwerdeführers (der Erstbeschwerdeführerin) abweisenden Bescheides wieder offenen Verfahrens über den Hauptantrag zuzuwarten ist und dem Zweitbeschwerdeführer in dem genannten Verfahren die ihm durch § 11 Abs. 2 erster Satz AsylG eingeräumte Parteistellung zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311, sowie vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/01/0402).

Der zweitangefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999010168.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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