Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §7;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/01/0640 98/01/0641Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1.) des B B, geboren am 28. Dezember 1971,
2.) der V B, geboren am 12. Juni 1975, und 3.) des D B, geboren am 3. März 1998, der Drittbeschwerdeführer vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, diese und der Erstbeschwerdeführer vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates je vom 4. Dezember 1998, Zlen. 206.041/0-XI/35/98 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und 206.042/0-XI/35/98 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer), wegen Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 1.898,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 3.232,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe zugehöriger jugoslawischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo reiste am 29. April 1998 in das Bundesgebiet ein und stelle am folgenden Tag einen Asylantrag. Bei seiner Vernehmung am 6. Mai 1998 gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei Mitglied der LDK. Sein Onkel, der im Gefängnis von Prizren als Aufseher arbeite, habe ihm gesagt, dass sein Name auf einer Liste stünde. Auf dieser Liste seien die Namen von Personen festgehalten, die nach Ableistung ihres Wehrdienstes im Verdacht stünden, der UCK anzugehören. Sein Onkel habe ihm geraten, das Land zu verlassen, "weil man ja nicht wüsste, was passieren wird". Daraufhin sei der Beschwerdeführer sofort geflüchtet. Andere Fluchtgründe habe er nicht. Er habe von Österreich aus mit seiner Frau telefoniert. Diese habe ihm gesagt, dass die Polizei nach ihm gefragt hätte. Er habe in seiner Heimat als Fußballer gearbeitet und gut verdient. Verfolgungshandlungen sei er nie ausgesetzt gewesen. Mitglied der UCK sei er nicht. Über Aufforderung, Gründe geltend zu machen, die einer Abschiebung in den Kosovo entgegenstünden, führt er aus, zu wissen, wozu die Serben fähig seien, und deshalb um sein Leben zu fürchten. In seiner Nachbarschaft seien schon fünf Leute "einfach mitgenommen" worden und nicht mehr zurückgekommen. Frauen und Kinder würden umgebracht, es spiele keine Rolle, ob man tatsächlich etwas verbrochen habe oder nicht.
Über Vorhalt, dass es nicht glaubwürdig sei, dass der Onkel des Beschwerdeführers als Angehöriger der albanischen Volksgruppe in einem Gefängnis im Kosovo als Aufseher arbeite, führte der Beschwerdeführer aus, dass dieser Onkel sich bei einer Befragung im Jahr 1991 über Empfehlung der LDK als Serbe bekannt habe, um weiter im Gefängnis arbeiten zu können und dort allenfalls inhaftierten Albanern zu helfen. Über weiteren Vorhalt, dass es nicht glaubwürdig sei, dass derzeit noch Albaner in Gefängnissen arbeiten würden, meinte er nur: "Es ist aber so".
Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Gattin des Erstbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführer das gemeinsame Kind. Diese beiden Beschwerdeführer reisten am 6. August 1998 in das Bundesgebiet ein und stellen am selben Tag einen Asylantrag, den die Zweitbeschwerdeführerin (auch für den Drittbeschwerdeführer) bei der Vernehmung am 1. September 1998 im Wesentlichen wie folgt begründete:
Sie hätten die Heimat wegen des Krieges verlassen. Andere Gründe gebe es nicht. Persönlich seien sie niemals von irgendwelchen Verfolgungshandlungen betroffen gewesen. Ebenso wenig seien sie in Kampfhandlungen involviert gewesen. Der Krieg habe sich bis jetzt noch nicht auf sie ausgewirkt, sie hätten jedoch Angst davor. Konkrete Sanktionen im Fall der Rückkehr erwarteten sie nicht.
Mit den beiden Bescheiden vom 20. Oktober 1998 hat das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer jeweils gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen und gemäß § 8 leg. cit. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Jugoslawien zulässig sei.
In den im Wesentlichen gleich lautenden Berufungen führen die Beschwerdeführer aus, dass sie nicht " zum Spaß" geflüchtet seien sondern sich aus ihrer verzweifelten Situation heraus dazu entschlossen hätten. Im Fall der Asylgewährung könnte der Erstbeschwerdeführer einer ihm bereits konkret angebotenen Beschäftigung nachgehen. Die Beschwerdeführer würden dem österreichischen Staat nicht zur Last fallen.
Mit den beiden Bescheiden vom 4. Dezember 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat diese Berufungen abgewiesen.
Über die von den drei Beschwerdeführern dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In dem den Erstbeschwerdeführer betreffenden Bescheid hat die belangte Behörde ausgeführt, dass dessen Vorbringen, wonach sein Name in einer Liste von der Zugehörigkeit zur UCK verdächtigten Personen vorzufinden sei, nicht glaubwürdig sei. Sie hat dies damit begründet, dass es vor dem Hintergrund der derzeitigen allgemeinen Lage im Kosovo nicht glaubwürdig sei, dass nach wie vor ethnische Albaner als Beamte in Gefängnissen tätig seien. Solche Beamte würden von den Serben selbst dann als Sicherheitsrisiko angesehen werden, wenn sie sich über - wohl auch den Behörden bekannt gewordenen - Aufruf der LDK als Serben bekannt hätten. Überdies wäre nicht nachvollziehbar, wie ein Gefängnisbeamter an eine "Schwarze Liste" herankomme, die den Sicherheitsbehörden (der im Kosovo eingesetzten Sonderpolizei) diene, Verdächtige aufzugreifen. Auch sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei aufgrund der Mitteilung seines Onkels so schnell geflüchtet, dass er nicht einmal seinen Reisepass habe mitnehmen können, schon deshalb unglaubwürdig, weil der Beschwerdeführer Zeit gefunden habe, die DM 2500,-- für die Bezahlung des Schleppers aufzutreiben.
Diese - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (siehe insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Hinsichtlich der allgemeinen Situation von ethnischen Albanern im Kosovo hat die belangten Behörde in den beiden angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleich lautend ausgeführt, dass es in den vergangenen Jahren zu vermehrten (auch gewaltsamen) Übergriffen auf Angehörige der albanisch-stämmigen Bevölkerung durch serbische Behörden gekommen sei. Es lägen vielfach Berichte über Verhöre, Hausdurchsuchungen und Festnahmen vor. Die albanische Bevölkerungsgruppe sei auch in sozialer Hinsicht vielfach benachteiligt worden; seit 1990 hätten über 14.000 ethnische Albaner ihren Arbeitsplatz verloren. Auch das parallele albanische Erziehungswesen sei schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Von Verfolgungsmaßnahmen seien "schwergewichtsmäßig" Personen betroffen, die in der LDK und anderen parallelen albanischen Organisationen aktiv tätig gewesen seien. Bei schlichten Mitgliedern dieser Organisationen sei die Verfolgungsgefahr nur unwesentlich erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass albanisch-stämmige Staatsangehörige im Fall ihrer Rückkehr in den Heimatstaat massiven staatlichen Repressionen ausgesetzt würden, sei als gering einzustufen.
Zu diesen Feststellungen zitierte die belangte Behörde Berichte der österreichischen Botschaft in Belgrad, des UNHCR, verschiedener Menschenrechtsorganisationen und Presseagenturen aus dem Zeitraum bis November 1998. Diese Berichte wurden den Parteien im Verwaltungsverfahren zur Kenntnis gebracht.
Rechtlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass aus der bloßen Zugehörigkeit der Beschwerdeführer zur albanischen Volksgruppe und der Mitgliedschaft des Erstbeschwerdeführers bei der LDK keine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden könne, zumal die Beschwerdeführer bisher noch nicht ins Blickfeld der Behörden gelangt seien.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass es der Verwaltungsgerichtshof als notorisch ansieht, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der "bewaffneten" Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen hat. Diese Auseinandersetzungen gehen auch mit vermehrten Übergriffen auf die albanische Zivilbevölkerung einher. Derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, sind vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als Spezialbehörden jedenfalls auch von Amtswegen zu berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1999, Zlen. 99/01/0058-0063).
Soweit die Beschwerde diese Umstände ins Treffen führt und darauf verweist, dass die belangte Behörde dazu kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, zeigt sie die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht auf. Es ist nämlich auch allgemein bekannt, dass sich die Aktionen der serbischen Kräfte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht auf den ganzen Kosovo bezogen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1999). Die Beschwerdeführer stammen aus Prizren, für welchen Bereich in diesem Zeitpunkt verstärkte Aktionen der genannten Art nicht notorisch sind. Das sich diese Aktionen auch auf den Bereich Prizren erstreckten, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.
Weiters bringen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe einen Bericht des "Council for the Defence of Human Rights and Freedom in Prishtina" (das Datum dieses Berichtes wird in der Beschwerde nicht genannt) nicht berücksichtigt. Daraus ergäben sich gehäufte Fälle von Menschenrechtsverletzungen, Verurteilungen wegen politischer Delikte und Misshandlungen sowie Bedrohungen von "politischen Aktivisten" in der ersten Hälfte des Jahres 1997. Die darin genannten Verfolgungshandlungen richteten sich "teilweise wahllos gegen Albaner".
Damit gelingt es den Beschwerdeführern nicht, einen Verfahrensmangel aufzuzeigen, hat doch die belangte Behörde ihre Feststellungen betreffend die allgemeine Lage im Kosovo auf aktuelle Berichte gestützt. Eine Verpflichtung, den in der Beschwerde genannten Bericht heranzuziehen bestand nicht, zumal sich die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht darauf berufen haben.
Da die belangte Behörde den Angaben des Erstbeschwerdeführers betreffend eine ihn konkret betreffende Verfolgung in unbedenklicher Weise keinen Glauben geschenkt hat und ihre Ansicht, dass den Beschwerdeführern aus ihrer bloßen Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe bzw. zur LDK keine asylrelevante Verfolgung drohe, auf Grundlage des festgestellten Sachverhaltes unbedenklich ist, hat sie zurecht den Asylantrag abgewiesen und die Feststellung getroffen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Jugoslawien zulässig sei.
Auf die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, für die Beschwerdeführer bestünde überdies in Montenegro und in "Zentralserbien" eine "inländische" Fluchtalternative, braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragen Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da von der belangten Behörde lediglich eine Gegenschrift erstattet wurde, war der Aufwandersatz entsprechend aufzuteilen.
Wien, am 22. Dezember 1999
Schlagworte
Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010639.X00Im RIS seit
11.07.2001