Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakoski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der T GenmbH in T, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Wiener Straße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Oktober 1993, Zl. VII/2-5548/4-1993, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse,
Dr. Karl Renner-Promenade 14-16, 3101 St. Pölten), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 4. März 1993 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass die den 35 Dienstnehmern der beschwerdeführenden Partei, welche im Beitragsgrundlagennachweis für 1989 aufgelistet seien, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Bauspar- und Versicherungsverträgen im Jahre 1989 zugeflossenen Provisionen beitragspflichtiges Entgelt darstellten. Da Verjährung noch nicht eingetreten sei, habe die Beschwerdeführerin die daraus resultierenden Beiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt S 97.379,24 zu entrichten.
Nach der Begründung habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, die Rechtsmeinung einer Gebietskrankenkasse, wonach die von den Dienstnehmern einer Bank auf Grund der von ihnen vermittelten Bauspar- und Versicherungsverträge vereinnahmten Provisionen beitragspflichtiges Entgelt darstellten, bestätigt. Da die Beschwerdeführerin trotz des schon im September 1991 ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, das im Bankenbereich durch interne Kommunikation umgehend bekannt geworden sei, erst nach zweimaliger Aufforderung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die erforderlichen Veranlassungen bezüglich der Abrechnung der auf die Vermittlungsprovisionen für 1989 entfallenden Beiträge getroffen habe, komme im gegenständlichen Fall der fünfjährige Verjährungszeitraum zum Tragen, weshalb auch das Feststellungsrecht hinsichtlich der Beiträge für 1989 noch nicht verjährt sei.
Dem dagegen erhobenen Einspruch wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Nach der Begründung sei unbestritten, dass Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes nicht immer umgehend der breiten Öffentlichkeit bekannt würden. Jedoch sei durch interne Kommunikation im Bankenbereich zweifellos bekannt gewesen, dass die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bereits im Jahre 1988 Vermittlungsprovisionen als beitragspflichtiges Entgelt erachtet habe. Darüber hinaus sei im Dezember 1991 ein entsprechendes Rundschreiben der Allgemeinen Bausparkasse ergangen, in dem ausdrücklich auf die Auswirkungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991 hingewiesen worden sei. In diesem Zusammenhang sei auch auf die jüngere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen ( Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 90/08/0005), wonach sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung notwendigen Kenntnisse verschaffen und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt vertreten müsse. Daraus folge, dass die Beschwerdeführerin im Dezember 1991 die erforderlichen Veranlassungen hinsichtlich der Abrechnung der Beiträge treffen oder zumindest mit den zuständigen Sozialversicherungsträgern Verbindung aufnehmen hätte müssen. Da diesbezüglich keinerlei Schritte gesetzt worden seien, sei die Beschwerdeführerin am 9. März 1992 schriftlich gebeten worden, die Beitragsabrechnung für sämtliche in Frage kommenden Dienstnehmer rückwirkend ab dem Jahre 1989 durchzuführen. Dies zeige, dass die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Abrechnung der auf die Vermittlungsprovisionen entfallenden Beiträge keineswegs die entsprechende Sorgfalt habe walten lassen, was auch die Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist zweifellos rechtfertige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Von Seiten der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wurde eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist lediglich die Frage der Verjährung des Feststellungsrechtes hinsichtlich der vor dem 31. Dezember 1989 fällig gewordenen Beiträge umstritten.
Die Beantwortung dieser Frage hängt nach den Ausführungen der Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0176 und Zl.93/08/0177, davon ab, ob der Beschwerdeführerin schon vor den Zeitpunkten, zu denen hinsichtlich dieser Provisionen Meldungen im Sinne des § 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ASVG zu erstatten waren oder erstattet wurden, von der mitbeteiligten Partei die nunmehrige Rechtsauffassung über die Beitragspflicht auch dieser Provisionen mitgeteilt worden ist. Ohne eine solche Mitteilung bestand grundsätzlich keine Erkundigungspflicht im Sinne der in den genannten Erkenntnissen dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Sie wurde auch - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht durch das bloße Bekanntwerden des Umstandes, dass die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bereits im Jahre 1989 Vermittlungsprovisionen als beitragspflichtiges Entgelt erachtet habe, ausgelöst. Hiefür ist vielmehr entscheidend, welchen Inhalt die diesbezügliche "interne Kommunikation im Bankenbereich" hatte. Unabhängig davon hätte aber - wiederum nach den Grundsätzen in den zuletzt zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes - selbst eine dadurch ausgelöste Erkundigungspflicht nicht notwendig eine Verlängerung der Verjährungsfrist hinsichtlich aller im Jahre 1989 fällig gewordenen Beiträge zur Folge gehabt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 12. April 1994, Zl. 93/08/0274).
Nach dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen wurde die Beschwerdeführerin von der mitbeteiligten Partei erst mit Schreiben vom 9. März 1992 über die nunmehrige Rechtsauffassung bezüglich der Beitragspflicht der streitgegenständlichen Provisionen informiert. Nähere Feststellungen über die "interne Kommunikation im Bankenbereich" wurden von der belangten Behörde auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht überhaupt nicht getroffen.
Da eine ziffernmäßige Trennung der nach den obigen Ausführungen möglicherweise verjährten von den unverjährten Beiträgen nicht möglich ist, war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) nicht zuzuerkennen.
Wien, am 22. Dezember 1999
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1994080106.X00Im RIS seit
11.07.2001