TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/12 G309 2171460-1

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Veröffentlicht am 12.04.2018
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Entscheidungsdatum

12.04.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2171460-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und der fachkundigen Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 08.08.2017, XXXX, betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 20.04.2017 (Datum: Eingangsstempel) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ein. Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den mit 18.11.2010 ausgestellten Behindertenpass des BF gewertet. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 24.07.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF am selben Tag folgende Diagnosen festgehalten:

Der BF leide unter einer degenerativen Veränderung der Wirbelsäle, arterieller Hypertonie, einem postthrombotischen Syndrom sowie beginnender Gonarthrose beidseits.

Hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

"Die Mobilität ist nicht nachvollziehbar hochgradig eingeschränkt, es werden keine Gehhilfen oder Schienen verwendet, es liegen keine wesentlichen Muskelabschwächungen vor, kurze Wegstrecken können zurückgelegt werden, einige Stufen können bewältigt werden, der sichere Transport ist gegeben."

3. Mit Bescheid vom 08.08.2017 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt, wonach die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 18.09.2017 (Datum: Eingangsstempel) innerhalb offener Frist Beschwerde. Darin erklärte er, mit dem Ergebnis des Beweisverfahrens im Wesentlichen nicht einverstanden zu sein. Es sei ihm aufgrund der Schwere seiner Gesundheitseinschränkung unverständlich, dass seinem Antrag nicht stattgegeben worden sei. Die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei für ihn unzumutbar, denn er schaffe es nicht eine Wegstrecke von 300 m am Stück zurückzulegen. Die Untersuchung durch eine Allgemeinmedizinerin sei seiner Auffassung nach "völlig unzureichend und sehr oberflächlich vollzogen" worden. Er sei der Meinung, dass ihn nur ein Facharzt ordnungsgemäß beurteilen könne. Er habe massive Probleme beim Gehen auf unebenem Gelände, auf Treppen oder Steigungen bzw. Neigungen, nach wenigen Minuten werde sein Fuß taub, er leide unter diagnostizierten Muskelatrophien und unter dauerhafter Taubheit in den Kniegelenken und in drei Zehen desselben Fußes. Hinzu kommen würden ständige Gelenksschmerzen mit unregelmäßigen aber starken Schmerzschüben, häufige schmerzhafte Venenentzündungen in den Beinen und mehrere Thrombosen in der Vergangenheit sowie einem postthrombotischen rechten Bein, woraufhin er für sechs Monate blutverdünnende Medikamente bekommen und nun lebenslänglich Kompressionsstrümpfe tragen müsse. Ebenso leide sein mentaler Zustand und sei bereits eine depressive Episode diagnostiziert worden. Aufgrund der Muskelatrophien könne der BF Teile der betroffenen Muskelgruppen kaum mehr bewusst betätigen. Er ersuche daher um eine neuerliche Begutachtung.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 25.09.2017 vorgelegt.

6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde der Amtssachverständige XXXX, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im eingeholten Gutachten vom 21.12.2017 wurden, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, folgende Diagnosen festgehalten:

-

Gangstörung bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule.

-

Beginnende Gonarthrose beidseits und Sprunggelenksarthrose rechts.

Im Hinblick auf die Gesamtmobilität des BF in Zusammenhang mit der beantragten Zusatzeintragung wurde wie folgt ausgeführt:

"Bei der heutigen Begutachtung zeigt sich eine hochgradige Einschränkung der Lendenwirbelsäule, und mittelgradig der Halswirbelsäule. Außerdem besteht eine sensomotorische Symptomatik an beiden unteren Extremitäten mit Vorfußheberschwäche beidseits und Vorfußsenkerschwäche rechts. Eine erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten ergibt sich durch die MRT- verifizierte absolute Spinalkanalstenose der LWS mit alten bekannten nervalen Muskelschädigungen. Eine erhebliche Einschränkung der Gelenke an den unteren Extremitäten zeigt sich nicht.

Aufgrund der Wirbelsäulenproblematik ist die eingeschränkte Wegstrecke nachvollziehbar. Eine kurze Wegstrecke von 300 Metern ist ohne Unterbrechung derzeit nicht möglich. Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten. Eine Besserung ist möglich, eventuell durch Therapiemaßnahmen oder einer Wirbelsäulenoperation."

Der weitere Verlauf bleibe abzuwarten, es solle eine Nachuntersuchung in 24 Monaten erfolgen.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 03.01.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langten keine Stellungnahmen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an einer Gangstörung bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und an einer beginnenden Gonarthrose beidseits sowie einer Sprunggelenksarthrose rechts. Aufgrund der Spinalkanalstenose der LWS mit nervalen Muskelschädigungen leidet der BF an einer erheblichen Einschränkung der unteren Extremitäten. Es besteht zudem eine sensomotorische Symptomatik an beiden unteren Extremitäten mit Vorfußheberschwäche beidseits und Vorfußsenkerschwäche rechts.

Aus den beim BF vorliegenden Gesundheitsschädigungen resultiert, dass der BF eine relevante Wegstrecke nicht umsetzen kann. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen ist dem BF nicht möglich. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem BF nicht zumutbar.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung, dass der BF im Besitz eines Behindertenpasses ist, stützt sich auf den Akteninhalt, sowie den durch den BF in Kopie vorgelegten Behindertenpass.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 21.12.2017, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Soweit das Gutachten von XXXX vom von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 24.07.2017, abweicht, ist dies auf die von XXXX fachärztlicherseits nachvollziehbar befundene deutliche Muskelschwächung und die beim BF diagnostizierte Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule zurückzuführen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen, sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen.

Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens von XXXX wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Das Sachverständigengutachten von XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichts daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt haben.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das

36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Beim BF wurden eine sensomotorische Symptomatik an beiden unteren Extremitäten mit Vorfußheberschwäche beidseits und Vorfußsenkerschwäche rechts sowie einer hochgradige Einschränkung der Lendenwirbelsäule und eine mittelgradige Einschränkung der Halswirbelsäule festgestellt. Aus der diagnostizierten Spinalkanalstenose der LWS ergibt sich eine erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten.

Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist somit gegeben.

Da eine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten beim BF festgestellt wurde und der BF zudem Inhaber eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2171460.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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