TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/17 G309 2173857-1

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Veröffentlicht am 17.05.2018
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Entscheidungsdatum

17.05.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2173857-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und den fachkundigen Laienrichter Mag. Werner POCK als Beisitzer in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 14.04.2017 und die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 02.06.2017, XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide behoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 27.01.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 ein. Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde der Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den mit 11.09.2014 ausgestellten Behindertenpass gewertet. Dem Antrag waren verschiedene medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Facharzt für Psychiatrie, vom 11.04.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF am 06.04.2017 im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

"Es bestehen keine eindeutigen Hinweise auf das Vorliegen einer isolierten sozialen Phobie, ebenso bestehen keine eindeutigen Hinweise auf eine isolierte Klaustrophobie. Es bestehen leichte phobische Symptome im Rahmen der depressiven Grunderkrankung. Eine Agoraphobie besteht nicht. Es besteht kein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten. Eine Psychosewertigkeit besteht nicht, Hinweise auf eine generalisierte Angststörung oder eine dekompensierte Zwangsstörung zeigen sich im Zuge der psychiatrischen Exploration aktuell nicht, hier dürfte sich durch die laufenden Therapiemodalitäten bereits eine Besserung dieser Symptome wie im nervenfachärztlichen Befund festgehalten eingestellt haben.

Die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel ist vor diesem Hintergrund somit zumutbar."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.04.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt.

4. Mit dem via E-Mail vom 17.05.2017 übermittelten Schreiben wurde vom BF seitens seiner rechtsfreundlichen Vertretung binnen offener Frist Beschwerde gegen den Bescheid erhoben und eine Vertretungsvollmacht in Vorlage gebracht. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass das von der belangten Behörde eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten mit den vom BF vorgelegten Befundberichten in Widerspruch stehen würde. Der BF führt dazu aus, mit der Begutachtung durch den Amtssachverständigen und den Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde nicht einverstanden zu sein. Er leide an Klaustrophobie und Ängsten, die bei ihm Atemnot, Erstickungsgefühle, Zittern und Herzrasen auslösen würden, sowie an schweren Traumata aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit. Zudem sei er auch in seiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. Der BF beantragte die Behebung des Bescheides und die Einbeziehung der vorgelegten Befunde in die neuerlich zu treffende Entscheidung, da die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung im Lichte dieser Befunde gerechtfertigt sei.

5. Seitens der belangten Behörde wurde vom Amtssachverständigen XXXX zum Vorbringen des BF und zu den von diesem in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismitteln eine ergänzende Stellungnahme eingeholt, in welche folgende Ausführungen getroffen wurden:

"Die bestehende Grübelneigung sowie die phobische Symptomatik zeigt sich im Zuge der depressiven Grunderkrankung vorherrschend, eindeutige Zwangshandlungen konnten in der psychiatrischen Exploration durch den Gefertigten nicht evaluiert werden. Es besteht ein Tagesaktivitätsniveau ohne Vermeidungsverhalten in der Öffentlichkeit, ebenso besteht kein massiver sozialer Rückzug, dies im Zuge der Ausführungen des AST vom 6.4.2017 im Rahmen der Begutachtung ableitbar. Massive klaustrophobische, die Lebensqualität deutlich einschränkende Symptome, waren nicht evaluierbar.

Vor diesem Hintergrund ist die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel aus Sicht des Gefertigten zumutbar."

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.06.2017 wurde die Beschwerde des BF seitens der belangten Behörde abgewiesen und der Bescheid vom 14.04.2017 bestätigt. In der Begründung stützte sich die belangte Behörde auf das im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten.

7. Mit Eingabe vom 19.06.2017 wurde seitens der Rechtsvertretung des BF im Hinblick auf die Beschwerdevorentscheidung ein Vorlageantrag gestellt.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 18.10.2017 vorgelegt.

9. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde die Amtssachverständige XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Im eingeholten Gutachten vom 22.01.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Beim BF würden eine Depression mit Angst- und Panikstörung und mit einer Somatisierungsneigung sowie ein schmerzhaftes Vertebralsyndrom mit leichten Ausfallserscheinungen vorliegen. Zum fachärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX wurde stellungnehmend folgendes ausgeführt:

"Es ergibt sich eine Änderung gegenüber dem VGA vom April 2017. Der AST ist sehr agitiert und hektisch-nervös, er wirkt erfüllt von Angst und Panik. Auch bestehen nun zusätzliche körperliche Beschwerden, v.a. von Seiten der Wirbelsäule. Ob auch zusätzliche Erkrankungen vorliegen wird laut Angabe derzeit gerade abgeklärt. Aufgrund der starken Fixierung auf die Angst- und Panikproblematik ist es ihm glaubhaft nicht möglich, sich in engen Räumen bzw. unter mehreren Menschen aufzuhalten (er kann auch in der Ordination nicht im Wartezimmer platznehmen). Ein nachgereichter nervenfachärztlicher Befund bestätigt auch die Progredienz der Probleme. Auch wird hiermit belegt, dass bereits mehrfach Therapien versucht wurden, um die Depression und Angststörung zu behandeln, was bisher noch nicht ausreichend erreicht werden konnten.

[...]

Nachuntersuchung 01/2020, Begründung: Eine Besserung ist unter Fortsetzung der Therapie durchaus noch möglich und wahrscheinlich."

Im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung wurde folgende Position vertreten:

"Aufgrund der ausgeprägten Angst- und Panikstörung mit zusätzlicher Klaustrophobie ist derzeit die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

Die beschriebene Gehbehinderung ist nur gering ausgeprägt."

10. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 26.02.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es wurde keine Stellungnahme erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an einer Depression mit Angst- und Panikstörung mit Somatisierungsneigung sowie an einem schmerzhaften Vertebralsyndrom mit leichten Ausfallserscheinungen. Zusätzlich zu den Angst- und Panikstörungen ist beim BF das Krankheitsbild der Klaustrophobie festzustellen, welches auch nach mehrfachen Therapieversuchen im Entscheidungszeitpunkt bislang noch vorliegt. Somit liegt beim BF eine erhebliche Einschränkung psychischer Funktionen vor, die dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 22.01.2018, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Abweichungen zu dem seitens der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten ergeben sich nachvollziehbar aus der von der Sachverständigen getroffenen Einschätzung der klaustrophobischen Symptomatik. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen und die getroffenen Diagnosen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Es wurde zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausführlich Stellung genommen.

Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Das Sachverständigengutachten von XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichts daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

In der gegenständlichen Rechtssache sind die zitierten Bestimmungen jeweils in der geltenden Fassung anzuwenden.

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Abweichend davon beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 46 BBG zwölf Wochen.

Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragt haben.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das

36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Beim BF wurden neben Einschränkungen am Bewegungsapparat erhebliche Einschränkungen der psychischen Funktionen festgestellt. Aufgrund der beim BF vorliegenden Angststörung, die mit Panikzuständen einhergeht und mit dem Krankheitsbild der Klaustrophobie in Zusammenhang zu bringen ist, ist es dem BF nicht zumutbar, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen.

Da beim BF eine erhebliche Einschränkungen der psychischen Funktionen festgestellt wurde und der BF zudem Inhaber eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2173857.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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