Entscheidungsdatum
26.06.2018Norm
AlVG §49Spruch
L523 2197306-2/3Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. DANNINGER-SIMADER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im zweiten Spruchpunkt des Bescheides des Arbeitsmarktservice Ried/Innkreis vom 30.05.2018, GZ: XXXX, betreffend Verlust der Notstandshilfe vom 06.03.2018-14.03.2018 (erster Spruchpunkt) beschlossen:
A)
Der Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG stattgegeben und der zweite Spruchpunkt des bekämpften Bescheides ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Ried (folgend kurz: "AMS") vom 30.04.2018, VNR:
2353 241175, wurde gem. § 49 AlVG der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 06.03.2018-14.03.2018 keine Notstandshilfe gewährt. Zudem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin den vorgeschriebenen Kontrolltermin am 06.03.2018 nicht eingehalten habe und diese sich erst am 15.03.2018 wieder bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe. Daher sei ab dem Zeitraum des versäumten Kontrollmeldetermins bis zur Wiedermeldung dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich gewesen und würde aus generalpräventiver Sicht eine aufschiebende Wirkung dem Normzweck der gesetzlichen Regelung - Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren - entgegenstehen.
2. Die Beschwerdeführerin hat gegen den Bescheid Beschwerde eingebracht. Zusammengefasst brachte sie vor, dass sie noch nie einen Termin unentschuldigt verpasst habe und der gegenständliche Termin nur deshalb nicht wahrgenommen werden konnte, da ihr Auto nicht angesprungen sei und sie keinerlei Möglichkeit gehabt habe, rechtzeitig beim AMS zu erscheinen. Außerdem habe die Beschwerdeführerin noch am selben Tag via Mail um einen neuen Termin ersucht, welchen sie allerdings erst nach 2 Wochen bekommen habe. Zudem sei die Beschwerdeführerin jederzeit per Mail und Telefon erreichbar und sie würde stets ihre Bewerbungen schreiben und sei sogar im Krankenstand vorstellen gegangen. Nunmehr in ihrer Lage mit 6 minderjährigen Kindern, dem angeschlagenen Gesundheitszustand und Kreditverpflichtungen ihr das Geld zu streichen, sei existenzgefährdend für die gesamte Familie.
3. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 30.05.2018 wies das AMS im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm. § 56 AlVG neuerlich ab (erster Spruchpunkt).
In zweiten Spruchpunkt wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Dazu wurde begründend dargelegt, dass die Einhaltung von Kontrollmeldungen ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung sei und der raschen Integration in den Arbeitsmarkt diene und diese sich umso schwieriger gestalte, je länger der Arbeitslose der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibe, indem er vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen von triftigen Gründen nicht wahrnimmt. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich war, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zuzurechnende Ursache der unterbliebenen Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gelichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege in gegenständlicher Angelegenheit das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.
4. Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 04.06.2016 wurde fristgerecht ein Vorlageantrag gegen den gegenständlichen Bescheid eingebracht.
5. Am 12.06.2018 langte der Verwaltungsverfahrensakt beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde der zuständigen Gerichtsabteilung L523 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin hat den seitens des AMS vorgeschriebenen Kontrolltermin am 06.03.2018 um 13:30 Uhr nicht eingehalten. Als Grund hierfür gab sie ihr defektes Auto an. Noch am selben Tag übermittelte die Beschwerdeführerin um 14:17 Uhr folgende E-Mail an das AMS Ried: "Bitte um Terminverschiebung, hätte heute um 13:30 Uhr einen Termin gehabt, nun ist aber mein Auto kaputt, Nachbar könnte mich gegen 15 Uhr fahren oder sonst bitte neuen Termin, mfG XXXX."
Von 15.03.2018-30.03.2018 hat die Beschwerdeführerin Krankengeld bezogen.
Am 30.03.2018 fand der nächste Vorsprachetermin der Beschwerdeführerin beim AMS statt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes des AMS. Der maßgebliche Sachverhalt sowie der dargelegte Verfahrensgang ergeben sich daraus zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Eine solche Senatszuständigkeit sieht § 56 Abs. 2 AlVG für Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices grundsätzlich vor.
Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S. 4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unterliegt somit der Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.g.F.. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.
Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anbelangt, entsprechen diese großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Zl. 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit ohne weiteres auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.
Dementsprechend genügt es für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung nicht, dass ein Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles an der vorzeitigen Vollstreckung des Bescheides besteht, sondern es muss darüber hinaus noch die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31).
"Gefahr im Verzug" bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mH auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.05.2002, Zl. 2002/18/0001, und vom 22.03.1988, Zl. 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).
Schließlich hat auch der Verwaltungsgerichtshof bereits im oben zitierten Beschluss vom 01.09.2014, Zl. Ra 2014/03/0028, im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG klargestellt, dass die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist.
Das Arbeitsmarktservice begründete den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung insbesondere damit, dass die aufschiebende Wirkung den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen würde. Aus diesem Grund überwiege in gegenständlicher Angelegenheit das öffentliche Interesse am mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Nach Maßgabe des vorliegenden Sachverhaltes vermag das Bundesverwaltungsgericht jedoch im konkreten Fall nicht davon auszugehen, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, zumal sich hierfür aus den übermittelten Verwaltungsakten keine ausreichenden Anhaltspunkte ergeben. Eine dahingehend nachvollziehbare und schlüssige Begründung, inwieweit gegenständlich die vorzeitige Vollstreckung zur Abwendung eines gravierenden Nachteils jedenfalls notwendig ist, ist dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen.
Im gegenständlichen Kontext ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG - was die Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anbelangt - "ohne weiteres Verfahren" unverzüglich zu entscheiden hat (vgl. dazu Dünser, Beschwerde und Vorverfahren bei der Behörde, ZUV 2013, 12 ff.). Das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13 VwGVG). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13). Insofern verbietet sich im vorliegenden Fall auch die Durchführung ergänzender Ermittlungen, in wie weit im vorliegenden Fall tatsächlich eine konkrete Gefahr im Verzug zur Abwehr eines drohenden Nachteils besteht.
Der zweite Spruchpunkt des bekämpften Bescheides (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) ist daher ersatzlos aufzuheben.
Das Bundesverwaltungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass mit dem gegenständlichen Beschluss eine Senatsentscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen wird und die Entscheidung über den ersten Spruchpunkt des bekämpften Bescheides zu einem späteren Zeitpunkt gesondert erfolgt.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Zl. 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 64 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden, weshalb die gegenständliche Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch es an einer Rechtsprechung fehlt; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, InteressenabwägungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L523.2197306.2.00Zuletzt aktualisiert am
16.08.2018