TE Bvwg Beschluss 2018/7/5 W141 2194357-1

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Veröffentlicht am 05.07.2018
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Entscheidungsdatum

05.07.2018

Norm

AlVG §44
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W141 2194357-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter KommR Karl GAUSTER und

Josef Hermann als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX,

geb. XXXX, VN XXXX, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice (AMS) Wien Schloßhofer Straße in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2018, betreffend Zurückweisung der Beschwerde vom 29.12.2017, nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des AMS Wien Schloßhofer Straße (in der Folge belangte Behörde) vom 21.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 10.11.2017 mangels Zuständigkeit der belangten Behörde zurückgewiesen.

2. Gegen den Bescheid vom 21.11.2017 wurde vom Beschwerdeführer am 29.12.2017, eingelangt am 02.01.2018, Beschwerde erhoben.

3. Der Beschwerdeführer wurde am 01.02.2018 niederschriftlich einvernommen und gab auf Befragung an, er habe den Bescheid am 23.11.2017 oder am 27.11.2017 bei der Post abgeholt.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2018, wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

5. Mit Schreiben vom 15.03.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag und brachte vor, er habe den Bescheid am 04.12.2017 abgeholt. Er habe bei der niederschriftlichen Einvernahme aufgrund seiner mangelnden Sprachkenntnisse und ohne explizite Erinnerungen an den genauen Termin angegeben, er habe den Bescheid am 23.11.2017 bzw. 27.11.2017 erhalten. Er habe jedoch das Schreiben erst am 04.12.2017 abgeholt. Er sei zu dieser Zeit gerade im Umzug gewesen und habe daher den Briefkasten an der alten Adresse bis zum 04.12.2017 - dem Tag der Wohnungsübernahme - nicht mehr geleert. Er habe sich bei der niederschriftlichen Einvernahme nicht mehr genau erinnern können, es jedoch nunmehr rekonstruiert.

6. Am 04.05.2018 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem Bescheid der belangten Behörde in Form der Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2018 nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen (entscheidungswesentlicher Sachverhalt):

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 10.11.2017 mangels Zuständigkeit der belangten Behörde zurückgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 21.11.2017 wurde vom Beschwerdeführer am 29.12.2017, eingelangt am 02.01.2018, Beschwerde erhoben.

Der Beschwerdeführer wurde am 01.02.2018 niederschriftlich einvernommen und gab auf Befragung an, er habe den Bescheid am 23.11.2017 oder am 27.11.2017 bei der Post abgeholt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2018, wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 15.03.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag und brachte vor, er habe den Bescheid am 04.12.2017 abgeholt.

Am 04.05.2018 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen konnten unmittelbar auf Grund der Aktenlage getroffen werden.

Die belangte Behörde hat notwendige Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen. Die belangte Behörde hat am 05.03.2018 einen Bescheid in Fassung einer Beschwerdevorentscheidung erlassen. Richtigerweise hätte die belangte Behörde jedoch mittels Bescheid die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 29.12.2017, gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21.11.2017, betreffend Zurückweisung seines Antrages auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 10.11.2017, als verspätet zurückweisen müssen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.

In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich eine sinngemäße Anwendung aus § 31 Abs. 3 VwGVG.

Zu A): Zurückverweisung der Angelegenheit

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013),

§ 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine

kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die mit Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. I 51/2012 sowie des BVwGG geänderte neue Rechtslage übertragen ließe. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Funktion der mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 etablierten Verwaltungsgerichte erster Instanz, die nicht an die Stelle der Verwaltungsbehörde treten und deren Aufgaben übernehmen sollen, sondern die Kontrolle der Verwaltung, in Unterordnung unter dem Verwaltungsgerichtshof, sicherzustellen haben. Es liegt daher nicht im Sinne des Gesetzes, dass das Bundesverwaltungsgericht den entscheidungswesentlichen Sachverhalt erstmals ermitteln und beurteilen solle, wodurch es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen könnte. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und - bis auf die eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - zugleich enden.

Im Besondern wären statt mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2018, ein Bescheid über die verspätet eingebrachte Beschwerde vom 29.12.2017 zu erlassen gewesen. Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W141.2194357.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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