TE Bvwg Beschluss 2018/7/9 W129 2166997-1

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Veröffentlicht am 09.07.2018
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Entscheidungsdatum

09.07.2018

Norm

VfGG §88a Abs2 Z2
VwGG §25a Abs2 Z1
VwGG §30 Abs2
VwGG §30a Abs3

Spruch

W129 2166997-1/7E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über den Antrag des Vereins "Montessori-Initiative Wieden", der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.05.2018, W129 2166997-1/4E, erhobenen ordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der ordentlichen Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Mit Schriftsatz vom 29.06.2018 brachte der Verein "Montessori-Initiative Wieden" eine ordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.05.2018, GZ: W129 2166997-1/4E, ein. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte der Revisionswerber Insbesondere aus:

"Gemäß § 30 Abs 2 VwGG kann einer Revision aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, wenn dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Revisionswerberin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die angefochtene Entscheidung ist einem direkten Vollzug zugänglich, da der Revisionswerberin kein Öffentlichkeitsrecht erteilt wurde und in weiterer Folge ein Widerruf der Bewilligung bzw ein Erlöschen und Entzug des Rechtes zur Schulführung drohen kann. Bescheide oder Erkenntnisse, die Grundlage für nachfolgende, der Betroffenen zum Nachteil gereichende Verwaltungsakte sein können, sind einem Vollzug zugänglich. Demgemäß sind auch Bescheide/Erkenntnisse vollziehbar, denen letztlich ein vollstreckbarer verwaltungsbehördlicher Vollzugsakt nachfolgen kann, wenn zwischen dem angefochtenen Erkenntnis und dem nachfolgenden Akt ein derart enger Zusammenhang besteht, dass das angefochtene Erkenntnis die Grundlage für diesen Akt bildet, wie im gegenständlichen Fall. Bescheide/Erkenntnisse sind einer Vollziehung zugänglich, durch die ein verbindlicher Ausspruch hinsichtlich der getroffenen Feststellungen erfolgt und dadurch die Rechtsstellung des Bescheidadressaten verändert wird (vgl VfSIg 15.057/1997).

Da im gegenständlichen Fall mit einem Widerruf bzw Erlöschen und Entzug gerechnet werden muss, ist der Antrag auf aufschiebende Wirkung berechtigt, da ein etwaiger Widerruf bzw etwaiges Erlöschen und Entzug nicht nur einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen würde, sondern ein nicht wiedergutzumachender Nachteil für die Revisionswerberin droht. Überdies droht mit der Nichterteilung des Öffentlichkeitsrechts der Ausschluss aus wesentlichen, überlebenswichtigen Förderungen (vgl zB § 21 Abs 1 PrivSchG); ebenso steht die Förderung ganztägiger Schulformen und die Schulbuchaktion auf dem Spiel.

Weiter können ausländische Schüler, die ein Visum bzw einen Aufenthaltstitel nach dem NAG brauchen, die Schule nicht besuchen, wenn sie kein Öffentlichkeitsrecht hat. Konkret - wie auch aus der Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht hervorgeht - lagen für das Schuljahr 2017/18 zwei weitere Anmeldungen von Schülern mit kasachischer Staatsangehörigkeit vor. Diese Schüler konnten die gegenständliche Schule aber nicht besuchen, weil sie, um in Österreich ihr Schuljahr absolvieren zu können, über einen Aufenthaltstitel verfügen müssten. Dieser wird jedoch nur erteilt, wenn der

Antragsteller ordentlicher Schüler einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht ist (vgl § 63 Abs 1 NAG). Da der gegenständlichen Schule nach wie vor das Öffentlichkeitsrecht nicht verliehen wurde, wurden die Anträge auf Aufenthaltsbewilligung abgelehnt und konnten daher die beiden Kasachen die Schule nicht besuchen.

Zudem wird die Wettbewerbsfähigkeit der Schule wesentlich verringert, und zwar

a) weil viele Eltern bzw Erziehungsberechtigte ihr Kind nicht in eine Privatschule geben, die nach einem alternativen pädagogischen Konzept arbeitet und folglich zB keine Tests und keine Noten hat (wie die gegenständliche Schule), wenn am Ende des Schuljahres das Kind dann einer rigorosen Prüfung (Externistenprüfung) und dem damit verbundenen (im Vergleich zu den öffentlichen Schulen höheren weil geballten) Stress unterzogen wird (bzw werden muss); oft ist der Grund, warum Eltern ihr Kind nicht in eine traditionelle Schule geben, gerade dass es in einer Alternativschule keine Prüfungen (Ängste etc) gibt;

b) weil wegen der fehlenden Förderungen das Schulgeld höher berechnet werden muss, dh die Schule ist teurer als vergleichbare Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht.

1. KEINE ZWINGENDEN ÖFFENTLICHEN INTERESSEN: KEINE NACHTEILE DRITTER

PERSONEN:

Zwingende öffentliche Interessen, die einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses - mit dem der Revisionswerberin eine Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes nach dem Privatschulgesetz versagt wurde - erfordern würden, liegen nicht vor. Auch ist nicht ersichtlich, dass bzw inwiefern dritten Personen durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Nachteile erwachsen könnten.

Von zwingenden öffentlichen Interessen iSd § 30 Abs 2 VwGG kann nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenslage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses gebieten. Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer behördlichen Maßnahme bestehen, berechtigt selbst dennoch nicht ohne weiteres zur Annahme, dass eben diese Interessen zwingend auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen gebieten. Dem Aufschub entgegenstehende zwingende öffentliche Interessen wurden in der Rechtsprechung im Wesentlichen stets dann angenommen, wenn mit dem Aufschub eine Gefahr für Gesundheit, Leib und Leben von Menschen verbunden wäre. Daneben lassen sich als relevante Gesichtspunkte die Gefährdung der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches und des Abgabenanspruches als solchen sowie die Gefährdung der Versorgungslage breiterer Bevölkerungsanteile erkennen (vgl Holzinger/Hiesel, Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts4, Band I, § 85 VfGG E 39).

All dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde bloß die Wirkung des angefochtenen Erkenntnis aufgeschoben werden, nicht jedoch der Revisionswerberin das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt werden, sodass weder in die Rechte Dritter eingegriffen wird noch eine Gefahr von der Privatschule ausgeht. Es stehen auch keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen, da weder Gefahr für Leib und Leben besteht noch in die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingegriffen wird, weil es diese gegenständlich nicht einmal gibt. Zwingende öffentliche Interessen stehen einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung somit nicht entgegen.

2. UNVERHÄLTNISMÄßIGER NACHTEIL:

Der sofortige Vollzug des angefochtenen Erkenntnis könnte jedoch einen unverhältnismäßigen Nachteil für die Revisionswerberin bringen, da nicht nur in das Recht auf Bildung und der Gleichberechtigung der Revisionswerberin massiv eingegriffen wird, sondern durch einen Widerruf bzw ein Erlöschen und einen Entzug die gegenständliche Privatschule "am Ende des Tages" nicht mehr bestehen könnte (wegen den oben aufgezeigten Nachteilen wie Förderungsausschluss etc). Darüber hinaus wird erschwert, dass die Schule nach ihrem bewährten alternativen pädagogischen Konzept (vgl auch Statut und Lehrplan) arbeitet: Dh sie muss durch die Nichtverleihung des Öffentlichkeitsrechts gezwungenermaßen Kinder (auch) auf die jährliche Externistenprüfung vorbereiten. Dazu ist anzumerken, dass in der Praxis (dh contra lege) dies auch deshalb - nicht nur verfahrensgegenständlich - der Fall ist, um gerade das Öffentlichkeitsrecht irgendwann verliehen zu bekommen - also Privatschulen nicht nur nach dem alternativen pädagogischen Konzept, sondern nolens volens - doppelbelastend für Schüler - nach dem Statut und dem Lehrplan arbeiten, weil Letzteres (praktisch) als Voraussetzung für die Verleihung gehandhabt wird.

Die aufschiebende Wirkung soll vermeiden, dass aus einem behördlichen Fehlverhalten eine endgültige Belastung entsteht. Ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wäre daher die Effektivität des Rechtsschutzes beseitigt und die Rechtsschutzfunktion der ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof vereitelt.

Die Voraussetzungen für die Gewährung aufschiebender Wirkung liegen allesamt nach Abwägung aller berührten Interessen vor."

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."

Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Entscheidungen nach § 30a VwGG hat das Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter zu treffen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Praxiskommentar zum VwGVG, VwGG und VwGbk-ÜG,

2. Aufl. (2017), K 2. zu § 30a VwGG).

Die Bestimmung des § 30 Abs 2 VwGG verfolgt nicht den Zweck, die schon aus der gegebenen Sach- und Rechtslage entstehenden Folgen bis zur Entscheidung über die Beschwerde abzuwehren und dem Beschwerdeführer einen Vorteil einzuräumen. Sie soll ihn lediglich vor Nachteilen bewahren, die sich für ihn aus einer durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid eingetretenen Änderung des bestehenden Zustandes ergeben könnten. Ein Erkenntnis, welches keine Änderung des bestehenden Rechtszustandes bewirkt, lässt die Frage nach Rechtswirkungen, die hinausgeschoben werden könnten, nicht entstehen. Die aufschiebende Wirkung ist einer Beschwerde nicht zuzuerkennen, wenn die in dem darauf gerichteten Antrag angestrebte Rechtsstellung dem Beschwerdeführer selbst dann nicht zukäme, wenn die von ihm angefochtene Entscheidung aufgehoben werden würde (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Praxiskommentar zum VwGVG, VwGG und VwGbk-ÜG, 2. Aufl. (2017), E38 bzw. E 40 zu § 30 VwGG).

Dies lässt sich auch auf den gegenständlichen Fall übertragen:

Selbst eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof könnte die angestrebte Rechtsposition nicht herbeiführen.

Die Nicht-Zuerkennung des Öffentlichkeitsrechtes für die gegenständliche Privatschule ist einem Vollzug iSd § 30 Abs 2 VwGG nicht zugänglich und schließt somit bereits begrifflich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Öffentlichkeitsrecht, Privatschule

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W129.2166997.1.01

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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