Entscheidungsdatum
12.07.2018Norm
AsylG 2005 §9 Abs2Spruch
W170 2200671-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde des XXXX geb., StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkte V. und VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2018, Zl. 1043814209-161048656/BMI-BFA_SBG_AST_01, sowie hinsichtlich des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in teilweiser Erledigung der Beschwerde
I. zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird gemäß § 18 Abs. 2
BFA-VG stattgegeben und der Spruchpunkt VII. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
II. beschlossen:
A) 1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird gemäß § 9 Abs. 2
AsylG als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1. XXXX wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass diesem somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Gegen den Bescheid wurde kein Rechtmittel erhoben.
2. XXXX wurde vom Landesgericht Salzburg mit rechtskräftigen Urteil vom 08.03.2018, 30 HV 65/16h-164m (in Folge: Urteil), wegen des Verbrechens des Raubes, des Verbrechens der schweren Erpressung und des Verbrechens des Mordes rechtskräftig zu einer vom Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 24.01.2018, 9 BS 387/17a, auf vierzehn Jahre reduzierten Haftstrafe verurteilt, weil er am 09.07.2016 in Salzburg
* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer weiteren Person einen im Urteil näher bezeichneten männlichen Opfer mit Gewalt gegen diesen durch Packen im Halsbereich von hinten mit dem rechten Arm, durch das Versetzen mehrerer Faustschläge in dessen Bauchgegend und in dessen Gesicht, durch Fesseln der Hände und Füße mit einem schwarzen Klebeband, durch Knebeln mit einem Stoffstück sowie durch mehrminütiges Würgen unter Verwendung eines Unterarmwürgegriffs, im Urteil näher beschriebene Sachen aus dessen Wohnung mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung zu bereichern,
* dieses Opfer dadurch getötet hat, dass er ihn unter Verwendung eines Unterarmwürgegriffs solange würgte, bis es zu einer Kompression der Halsstruktur samt massiven Verletzungen im Bereich des Kehlkopfs kam, woran das Opfer schließlich verstarb und
* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer weiteren Person das Opfer durch das Versetzen mehrerer Faustschläge und durch Festhalten in einem Unterarmwürgegriff, während dieses an Händen und Füßen mit einem schwarzen Klebeband gefesselt sowie mit einem Stoffstück geknebelt war, zur Bekanntgabe des PIN-Codes der Bankomatkarte des Opfers und sohin zu einer Handlung genötigt, die dieses am Vermögen schädigen sollte, um sich oder einen Dritten durch dieses Verhalten unrechtmäßig zu bereichern, wobei es mangels Deckung des Kontos beim Versuch geblieben ist.
3. Mit Spruchpunkt V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2018, Zl. 1043814209-161048656/BMI-BFA_SBG_AST_01, wurde festgestellt, dass die Abschiebung von XXXX nach Syrien derzeit nicht zulässig ist.
Mit Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2018, Zl. 1043814209-161048656/BMI-BFA_SBG_AST_01, wurde gegen XXXX eine Rückkehrentscheidung verhängt.
Der Bescheid wurde XXXX am 12.04.2018 zugestellt.
Die Beschwerde wurde am 27.04.2018 zur Post gegeben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu I.A)
Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn (1.) die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, (2.) der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
(3.) Fluchtgefahr besteht.
Im Bescheid des Bundesamtes wurde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit begründet, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Dem tritt die Beschwerde - die falsch durchnummeriert ist, da nach der Seite 3 die Seite 5 kommt - nicht entgegen, da diese - von einer Überschrift abgesehen - keine Ausführungen zu Gemeingefährlichkeit enthält.
Dem Bundesamt kann mit seiner Einschätzung aber im Lichte der Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 08.03.2018, 30 HV 65/16h-164m, nicht entgegengetreten werden, da der Beschwerdeführer bei seinen Tathandlungen einerseits mit herausragender Brutalität vorgegangen ist und andererseits - selbst als das Opfer gefesselt war - keinerlei Anstalten unternommen hat, das Leben des Opfers zu schonen. Es wäre daher aus dem Blickwinkel des öffentlichen Interesses trotz der bisherigen Unbescholtenheit von der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der Sicherheit auszugehen.
Allerdings verpflichtet § 18 Abs. 5 BFA-VG das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
§ 18 Abs. 5 BFA-VG nimmt nur Bezug auf den Herkunftsstaat des Fremden, schon das Bundesamt hat im diesbezüglich rechtskräftigen Spruchpunkt V. des Bescheides (siehe unten) ausgesprochen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Syrien derzeit nicht zulässig ist; dies begründet das Bundesamt (richtigerweise) damit, dass derzeit für den Beschwerdeführer das Risiko einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention im Falle einer Abschiebung nach Syrien nicht im ausreichenden Maße ausgeschlossen werden kann.
Das Bundesverwaltungsgericht wäre daher jedenfalls und auch trotz der gegebenen Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers gezwungen, dessen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Würde man aber § 18 Abs. 2 BFA-VG unterstellen, dass das Bundesamt eben nicht zu prüfen hat, ob die Abschiebung in den Herkunftsstaat Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzen würde, würde dies bedeuten, dass einerseits das Bundesamt die unmittelbare Umsetzung einer Abschiebung ohne Prüfung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention anordnen könnte und andererseits das Bundesverwaltungsgericht in praktisch erstinstanzlicher Prüfung der Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG tätig wird, was verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft, da das Bundesverwaltungsgericht diesfalls auch ohne Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach dem Wortlaut des Gesetzes diese Prüfung zukommen würde.
So hat auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 13.12.2017, Ro 2017/19/0003) - wenn auch zur Rechtslage vor BGBl. I Nr. 32/2018 - ausgesprochen, dass die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist.
Daher darf das Bundesamt die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG nur aberkennen, wenn die Voraussetzungen für die Aberkennung gemäß der leg.cit gegeben sind und darüber hinaus nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung durch das Bundesverwaltungsgericht nach § 18 Abs. 5 BFA-VG vorliegen. Dass diese vorliegen, hat das Bundesamt erkannt, wie aus Spruchpunkt V. des gegenständlichen Bescheides hervorkommt.
Es ist daher der Beschwerde stattzugeben und Spruchpunkt VII. des gegenständlichen Bescheides ersatzlos zu beheben. Der Beschwerde kommt daher aufschiebende Wirkung zu.
Zu I.B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen Spruchteil I. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis von § 18 Abs. 2 zu Abs. 5 BFA-VG fehlt.
Zu I.A)
Zu 1.:
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des im Spruch bezeichneten Bescheides ist als unzulässig zurückzuweisen, da nicht zu erkennen ist, wie der Beschwerdeführer durch die Feststellung, dass seine Abschiebung nach Syrien derzeit nicht zulässig ist, auch nur denkmöglich in seinen Rechten verletzt werden soll; dies ist aber Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Parteibeschwerde.
Zu 2.:
Der Antrag über die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. hinaus, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - wenn auch zur Rechtslage vor BGBl. I Nr. 32/2018 - unzulässig (VwGH 27.6.2017, Fr 2017/18/0022; VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0284) und als solcher zurückzuweisen. Es ist nicht zu erkennen, dass sich die derzeitige Rechtslage diesbezüglich von der vor BGBl. I Nr. 32/2018 unterscheidet und spruchgemäß zu entscheiden.
Zu II.B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Hinsichtlich 1. liegt eine klare Rechtslage vor, hinsichtlich 2. einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; dass sich letztere auf die Rechtslage vor BGBl. I Nr. 32/2018 bezieht, ist mangels erkennbarer diesbezüglicher Änderungen nicht relevant.
Schlagworte
Asylgewährung, aufschiebende Wirkung, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2200671.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.08.2018