Entscheidungsdatum
07.08.2018Norm
ASVG §18aSpruch
W164 2112507-2/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, SVNR XXXX, STA Österreich, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 14.07.2015, Zl. HVBA-XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) teilweise Folge gegeben und es wird in Abänderung des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass XXXX von 1.4.2008 bis 31.7.2008 und von 1.12.2008 bis 31.01.2009 zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG berechtigt war.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit 16.10.2013 beantragte die Beschwerdeführerin (im Folgenden BF) die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG iVm § 669 ASVG für Zeiten der Pflege ihres von Zöliakie betroffenen Kindes XXXX, geborenXXXX1995.
Die Pensionsversicherungsanstalt wies diesen Antrag mit Bescheid AZ:
HVBA-XXXXvom 13.07.2015 (expediert am 24.7.2015) ab. Zur Begründung stützte sich die PVA auf das Ergebnis einer fachärztlichen Begutachtung durch Dr. Ali Navaifard, Facharzt für Innere Medizin, vom 3.6.2015. Danach sei die Tochter der BF von Glutenunverträglichkeit (Bestandteil vieler Getreidesorten) mit Auswirkungen auf den Dünndarm (Zöliakie), ICD-10: K90.9 betroffen. Zöliakie sei bei der Tochter der BF seit 03/1997 bekannt und unter Diäteinhaltung asymptomatisch. Arbeitsfähigkeit sei uneingeschränkt gegeben. Es sei behinderungsbedingt keine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege beim An- und Auskleiden, bei der Körperreinigung, beim Körperhaltungswechsel, beim Waschen der kleinen Wäsche, bei der Aufnahme von Mahlzeiten, bei der Zubereitung einer warmen Mahlzeit, bei der Verrichtung der Notdurft, bei der Beheizung des Wohnraumes, bei der Wohnungsreinigung, beim Herbeischaffen von Nahrungsmitteln und sonstigen Bedarfsgütern des täglichen Lebens erforderlich. Es seien behinderungsbedingt keine weiteren zeitaufwändigen Hilfeleistungen bzw. Betreuungs- und/oder Überwachungsmaßnahmen erforderlich. Es seien keine Lernhilfe, Schulwegbegleitung, Begleitung zu notwendigen Therapien, Hilfestellung bei regelmäßig erforderlicher Medikamenteneinnahme, Hilfestellung bei Krisenmanagement (zB Asthmaanfall), Überwachung notwendiger diätischer Einschränkungen und zweitaufwendige Manipulation im häuslichen Bereich erforderlich. Es seien keine häufigen ärztlichen Kontrollen erforderlich. Es sei behinderungsbedingt nicht mit gehäuften Erkrankungen des Kindes und dadurch bedingten Verhinderungen der Betreuungsperson zu rechnen. Es sei die Pflege auch bisher nicht derart zeitintensiv gewesen, dass Pflegegeld nötig gewesen wäre. Gemäß der Stellungnahme des chefärztlichen Bereiches vom 18.06.2015 sei auf Grund des festgestellten Leidenszustandes, eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt. Die Kriterien des § 18a ASVG seien nicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF Beschwerde, die sie beim Bundesverwaltungsgericht einbrachte und führte im Wesentlichen aus, dass zum Zeitpunkt der Diagnose im Jahr 1997 ihre Tochter eineinhalb Jahre alt gewesen sei und nicht nur ihrer gänzlichen Zuwendung, sondern aufgrund der Symptomatik ihrer ständigen Pflege bedurft habe (Waschen, Windeln wechseln, Essen kochen, Wäsche erledigen, Bauchmassagen, Trösten, Arztbesuche und vieles mehr) - dies nicht nur tagsüber, sondern sehr oft auch nachts. Es habe darüber hinaus in der Vergangenheit lange keine diätischen Lebensmittel (glutenfrei), gegeben und die BF habe für ihre Tochter alles sehr zeitaufwändig selbst zubereiten müssen. Die BF widersprach der Feststellung, dass Zöliakie unter Diäteinhaltung asymptomatisch sei:
Dies treffe sicher auf die heutige Zeit, aber nicht auf die damalige Zeit zu.
Zuständigkeitshalber wurde die Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht am 18.08.2015, innerhalb der Beschwerdefrist, an die PVA weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 11.09.2015 legte die PVA die als fristgerecht zu beurteilende Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt samt Stellungnahme dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In ihrer Stellungnahme verwies die PVA auf die vom chefärztlichen Dienst aufgrund des internistischen Sachverständigengutachtens von Dr. Ali Navaifard vom 03.06.2015 gemachten Feststellungen. Die Arbeitskraft der BF werde durch die Pflege ihres Kindes B. nicht gänzlich beansprucht.
Mit einer weiteren aufgetragenen Stellungnahme vom 10.11.2015 brachte die BF ergänzend vor, sie habe ab Jänner 1997 gewusst, dass ihre Tochter an Zöliakie leide. Das damals 18 Monate alte Kind habe Tag und Nacht ihre volle Zuwendung und Aufmerksamkeit bekommen. Das Kind habe unter Blähungen und Durchfall gelitten. Die BF habe ständig aufpassen müssen, dass das Kind nichts Glutenhaltiges isst. 2013 habe die Tochter maturiert. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die Tochter selbst versorgt. Die BF habe sie nur mehr unterstützt. Während der gesamten Schulzeit habe die BF den Pausenproviant entsprechend vorbereitet, der Tochter täglich glutenfreies Mittagessen zubereitet und in die Schule gebracht, sodass diese mit den anderen Kindern gleichzeitig (und die gleichen Speisen) essen konnte. Die BF ersuche um Anerkennung der Jahre 1997 bis 2013. Es sei schwierig gewesen, ein Kleinkind mit der Diagnose Zöliakie aufzuziehen und ihm die nötige Zuwendung zu Teil werden zu lassen, damit dieses für die Zukunft mit seiner Krankheit umzugehen lerne.
Mit Beschluss vom 28.7.2017 bestellte das Bundesverwaltungsgericht Herrn Primarius Prof. MR Dr. Dietmar Steinbrenner, gerichtlich beeideter Sachverständiger, gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG zum Sachverständigen aus dem Bereich Interne Medizin und ersuchte diesen bezogen auf den Zeitraum von 1.4.2008 bis 31.7.2008 und von 1.12.2008 bis 31.1.2009 um Beantwortung der folgenden Fragen:
1. War die Behandlung von Zöliakie im verfahrensrelevanten Zeitraum auf dem gleichen Stand wie heute? Welche medizinischen Maßnahmen waren im verfahrensrelevanten Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) für die bei der Beschwerdeführerin bestehende Behinderung bekannt?
2. Zu welchen Vorkehrungen für den Tagesablauf hat man aus ärztlicher Sicht Elternteilen von Zöliakie-kranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) geraten (etwa Besorgung der Lebensmittel, Zubereitung der Speisen, Hygienemaßnahmen, Ermöglichung eines kindgerechten Alltages)?
3. Zu welchen konkreten Diätmaßnahmen hat man aus ärztlicher Sicht Elternteilen von Zöliakie-kranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) geraten?
4. Musste bei der bei der Tochter der Beschwerdeführerin erforderlichen Diät auf die Verwendung von nicht mit belasteten Lebensmitteln in Berührung gekommenem Kochgeschirr und Besteck geachtet werden?
5. Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte die Einnahme einer Mahlzeit mit belasteten Lebensmitteln für ein 12 bzw. 13 jähriges Kind zur Folge?
6. Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte eine länger dauernde nicht konsequente Einhaltung der vorgeschriebenen Diät im Alter von 12 bzw. 13 Jahren zur Folge?
7. Konnte man Elternteile von Zöliakie-kranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) an vom Krankenversicherungsträger angebotene Diät-Beratungsstellen verweisen?
8. Wäre eine ganztägige Betreuung der damals 12 bis 13-jährigen XXXX, in einer außerhäuslichen Einrichtung im verfahrensrelevanten Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) möglich gewesen und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
9. Bedarf es bei Zöliakie-kranken Kindern regelmäßiger ärztlicher Kontrollen? Wenn ja, wie oft bzw. in welchen zeitlichen Abständen?
10. Welchen Stellenwert haben Erziehungs-, Motivations- und Kontrollmaßnahmen durch einen Elternteil, damit ein Kind im Alter von 12 bzw. 13 Jahren die Diät (zu Hause und in der Schule) im medizinisch erforderlichen Ausmaß einhalten bzw. eigenständig erlernen kann? Was hat man in diesem Zusammenhang aus fachärztlicher Sicht Eltern eines Zöliakie-kranken Kindes im Alter von 12 bzw. 13 Jahren im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) geraten?
11. Konnte man zöliakiebetroffene Kinder im verfahrensrelevanten Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) an vom Krankenversicherungsträger angebotene Diät-Beratungsstellen verweisen, und wenn ja, ab welchem Alter?
12. Kann aus medizinischer Sicht ein bestimmtes Alter genannt werden, ab dem ein Kind im Allgemeinen selbst in der Lage ist bei altersentsprechender Aufklärung seine Krankheit und die notwendige besondere Ernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag (Schule, Hort, Freizeitgestaltung mit Freunden) zu leben?
13. Ist diese Altersgrenze für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum (April 2008 bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009) höher anzusetzen als heute? War die Einhaltung der erforderlichen Diät im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unter denselben Bedingungen zu bewerkstelligen wie heute?
14. Kann aus heutiger Sicht ärztlicherseits mit einem geringen, mittleren oder hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden, ob Frau XXXX, im Alter von 12 bis 13 Jahren schon in der Lage gewesen sein wird, die notwendige besondere Ernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen ihrem Alter angemessenen Alltag (Schule, Hort, Freizeitgestaltung mit Freunden) zu leben?
15. Kann aus heutiger Sicht ärztlicherseits mit einem geringen, mittleren oder hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden, ob Frau XXXX, im Alter von 12 bis 13 Jahren aufgrund ihrer Zöliakiebetroffenheit noch auf eine starke psychische Unterstützung (Motivation) der Mutter angewiesen gewesen sein wird?
Mit fachärztlichem Gutachten vom 25.09.2017 führte Primarius Prof. MR Dr. Dietmar Steinbrenner folgendes aus:
In den ersten Lebensmonaten der Tochter der Beschwerdeführerin seien sichtliche Verdauungsstörungen aufgetreten (Bauchblähungen und Durchfälle). Deswegen habe man die Kinderabteilung am Wilhelminenspital aufgesucht, wo im Rahmen eines etwa 16-tägigen stationären Aufenthalts eine Untersuchung durchgeführt wurde, die schließlich zu einer Dünndarmbiopsie (20.1.1997) an der Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde im AKH Wien geführt habe. Unter dem Bild einer subtotalen Zottenatrophie der Duodenalschleimhaut und hochgradiger Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten (Typ 3C nach MARSCH) habe die Befundkonstellation dafür gesprochen, dass Zöliakie vorliege. In weiterer Folge sei man im Wilhelminenspital laufend in Betreuung gewesen und sei Mitglied der Zöliakie-Gemeinde geworden. Man habe für die Ernährung des Kindes beträchtliche Zeit aufwenden müssen, da das Essen in die Schule habe mitgegeben werden müssen. Zu diesem Zweck habe man jeweils mehrere Tage lang vorgekocht, die Mahlzeiten eingefroren und diese schließlich jeweils in die Schule mitgegeben. Besprechungen mit Lehrern und Kindergartenpädagogin hätten stattgefunden. Fallweise hätten Diätfehler in der Ambulanz des Wilhelminenspital zu weiteren Untersuchungen geführt. Die Tochter der Beschwerdeführerin sei mit zehn Jahren aus der Volksschule in das Gymnasium gewechselt, wo sie mit 18 Jahren maturiert habe. Nach der Matura habe sie eine Ausbildung zur Volksschullehrerin begonnen. Sie leide derzeit unter keinerlei körperlichen Einschränkungen, wiege etwa 68 Kilo bei einer Körpergröße von etwa 1,70 m, betreibe Kampfsport im Fitnesscenter, sei bei subjektivem und objektivem Wohlbefinden, benötige keinerlei ständige Behandlungen oder Medikation. Frau Dr. Christa Kuderna, derzeit Oberärztin in der Kinderabteilung im SMZ Ost, habe telefonisch bestätigt dass sie bis 2010 die Ambulanz für Gastroenterologie am Wilhelminenspital der Stadt Wien alleinig geleitet habe. Während die Diagnose Zöliakie früher ausschließlich durch Gewebsentnahme und histologische Untersuchung gestellt wurde, sei dies heute nicht mehr nötig, da man genügend nicht invasive Möglichkeiten (serologische Nachweise) besitze, um die Diagnose zu stellen. Bereits damals seien aber schon so genannte endomysiale Antikörper zur Verlaufsdiagnose bzw. Therapiekontrolle benützt worden, sicher jedoch bereits im Zeitraum April 2008 bis Jänner 2009. Die Kinder seien von Frau Dr Kuderna jeweils persönlich betreut worden, die Erwachsenen bzw. Eltern meist ausführlich von DiätologInnen informiert worden. Im Allgemeinen könne Frau Dr Kuderna sagen, dass die Kinder dabei wesentlich aufmerksamer und gelehriger gewesen seien, als die Erwachsenen. Die Kinder hätten sehr schnell begriffen, was sie nicht essen durften und welche Symptome auftreten würden, wenn sie etwas Falsches essen würden. Zur Kontrolle der Erkrankung habe Frau Dr Kuderna die Kinder anfänglich in vierteljährlichen Abständen, schließlich in halbjährlichen Abständen, schlussendlich nur noch einmal jährlich zur Kontrolle bestellt. Durch Kontrollen der serologischen Marker (endomysiale Antikörper) sei es schon damals möglich gewesen, den Verlauf der Erkrankung zu dokumentieren bzw. die nötigen Nachweise zu erhalten, dass die Erkrankung sich durch notwendige diätetische Maßnahmen bessere bzw. schließlich auch wiederum gänzlich rückgebildet habe. Die notwendigen Nahrungsmittel seien bereits im verfahrensrelevanten Zeitraum im ausreichenden Maß in den großen Handelsketten verfügbar gewesen bzw. gut gekennzeichnet angeboten worden (XXXX). Obwohl die Gluten-freien Lebensmittel etwas teurer gewesen seien, seien die finanziellen Lasten überschaubar gewesen, da die Kosten durch die auf Antrag auf das Doppelte erhöhte Kinderbeihilfe durchaus zu decken gewesen seien. Die Zubereitung der Speisen habe keinerlei wesentlich höheren Zeitaufwand verursacht, lediglich die getrennte Zubereitung von Gluten-haltigen Speisen habe einen leicht erhöhten Zeitaufwand bedeutet. Zöliakie sei eine angeborene Autoimmunerkrankung, die durch das Klebereiweiß Gluten, dass in Getreideprodukten enthalten sei, ausgelöst werde. Es komme dabei zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut, die deswegen in weiterer Folge Nahrungsprodukte ganz allgemein nicht mehr aufnehmen könne und zu Nährstoffmangel, Durchfall, Bauchblähungen und Bauchschmerzen führe. Beim Kleinkind zeige sich Zöliakie meist mit typischen Symptomen, wobei es im schlimmsten Fall zu Wachstums-und Gedeihstörungen komme. Bei längerer gluten-haltiger Ernährung komme es bei unerkannter Zöliakie zu Hauterscheinungen (Dermatitis herpetiformis Duhring) sowie in weiterer Folge zu einem Vitaminmangel, der zu Nachtblindheit, Nervosität oder Kopfschmerzen führe. Hauptsächlich seien jedoch die Beschwerden bei der Gluten-Unverträglichkeit auf den Magen-Darm-Trakt beschränkt.
Lebenslang vermieden werden müssten: Weizen, Roggen, Hafer und Gerste. Auch Dinkel, Grünkern, Ein-und Zwei Korn (Emmer), Urkorn, Bulgur, Couscous und Wildreis müssten bei Gluten-Unverträglichkeit strikt gemieden werden. Andere Getreidesorten (wie zB Mais, Naturreis, Hirse, Quinoa, Buchweizen und Amaranth) würden gut vertragen und könnten bei Gluten-Unverträglichkeit die Deckung des Kohlehydratebedarfes ermöglichen. Auch Soja, Nüsse und Samen würden als Hülsenfrüchte keine Probleme machen. Ausgewogene Ernährung sei auch bei absolutem Verzicht auf Gluten möglich, da viele Nahrungsmittel von Natur aus Gluten-frei seien. Austauschtabellen und Ersatzprodukte finde man in diversen Ratgebern und Ernährungsberatungsstellen. Gluten-freie Koch-und Backrezepte würden sich seit langem im Internet finden, würden aber auch bei Diätberatungsstellen abgefragt werden können. Durch Meiden von Gluten bessere sich der Zustand des Darmes wiederum, so dass sich bei strikter Vermeidung von Gluten bzw. striktem Vermeiden Gluten-haltiger Produkte die bereits erfolgten Darmzottenschädigungen vollständig zurückbilden und Folgeschäden vermieden werden würden. Betroffene müssten lebenslang auf Gluten-haltige Lebensmittel verzichten, wobei auch viele verfeinerte Nahrungsmittel, die ebenfalls Gluten-Beimengungen enthalten, zu vermeiden seien. Gefährlich sei es, die Zöliakie nicht zu behandeln, da sich unter anderem auch die Disposition für andere Autoimmunerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus I, Struma Hashimoto und dergleichen) erhöhe.
Gluten-freies Mehl werde im Handel angeboten, verhalte sich jedoch anders als Gluten- haltiges Mehl. Daher würden Mengenangaben für einzelne Zutaten von klassischen Rezeptangaben abweichen, auch würden Backwaren mit Gluten- freiem Mehl nicht so luftig und saftig. Abgesehen von fallweise getrenntem Kochen und Backen einer Gluten-freien Nahrung gegenüber dem von Gluten-haltigem Essen im Rahmen der Haushaltsführung bestehe jedoch für das Kochen selbst kein erhöhter Zeitaufwand. Auch die Verwendung von getrenntem Geschirr und Besteck sei nicht erforderlich, da Gluten beim Abwaschen (sowohl Manuel als auch maschinell) gänzlich entfernt bzw. abgespült werden könne.
Die Krankheit werde üblicherweise im frühen Kindesalter entdeckt, wenn erstmals Gluten- haltige Nahrungsmittel in die Ernährung eingeführt werden, da dann auch Blähungen und chronische Durchfälle, unter Umständen auch Erbrechen, schnell den Weg zum Kinderarzt weisen würden. Wenn die Diagnose nicht schnell gestellt werde, würden im Kindesalter später Schmelzdefekte an den Zähnen, Zungenbrennen und Gedeihstörungen auftreten. Die serologische Diagnostik (enddomysiale Antikörper und Gliadin-Antikörper) sei hochspezifisch und diene der Therapieüberwachung. Bei Einhaltung einer Gluten- freien Diät würden diese Antikörper wiederum zurückgehen bzw. sei ihr Fortbestehen Kennzeichen für das Fortbestehen der Erkrankung. Der Nachweis von so genannten Anti-Tissue-Transglutaminase-Antikörpern sei derzeit der Goldstandard der Zöliakie-Diagnostik.
Da man Gluten-freie Speziallebensmittel zunächst nur in Reformhäusern bekommen konnte, sei die Einhaltung einer Glutenfreien Diät in den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg schwierig gewesen. Inzwischen würden sich jedoch Gluten-freie Lebensmittel im allgemeinen Lebensmittelhandel finden, wobei alle Großen in Österreich verbreiteten Lebensmittelketten auch im verfahrensrelevanten Zeitraum bereits ausreichende Angebote an Gluten-freien und als solche gekennzeichneten Lebensmittel gehabt hätten.
Mit der Verordnung (EG Nr. 41/2009) sei die Zusammensetzung und Kennzeichnung von Lebensmitteln, die für Menschen mit einer Gluten-Unverträglichkeit geeignet seien, geregelt worden. Mögliche Deklarationsstufen würden dabei zwischen sehr geringem Gluten-Gehalt oder Gluten- Freiheit oder auch Lebensmittel mit Hafer, da dieser max. 20 mg. pro Kilogramm Gluten enthalte, unterscheiden. Diese Verordnung gelte seit 10.2.2009 und sei mit 01.01.2012 in Kraft getreten.
Seit 1950 sei das Weizengliadin als schädlicher Faktor für das Entstehen von Zöliakie bekannt. 1957 sei die Atrophie der Dünndarmzotten erstmals beschrieben worden, kurz darauf die Gliadin-Antikörper. Die Europäische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie habe bereits 1969 erstmals diagnostische Kriterien für die Zöliakie verabschiedet, die in der revidierten Fassung noch heute gelten würden. Endomysiale Antikörper habe man erstmals 1980 gefunden. 1997 sei die Gewebstransglutaminase als entscheidendes Antigen für diese Antiköper bekannt geworden. In Wien sei die Arbeitsgemeinschaft für Zöliakie- Betroffene in Österreich seit 1991 als Selbsthilfegruppe und Interessenvertretung tätig, die für Mitglieder ausreichendes Informationsmaterial produziere (Handbuch, Folder, Kinderbuch, Zöliakie-Pass und Zeitung). Information gebe es hier auch über häufig gestellte Fragen, psychologische Aspekte, Gluten-freie Lebensmittel, Urlaub und Gastronomie. In jährlichen Kongressen, im Rahmen einer viermal jährlich erscheinenden Mitgliederzeitung ("Zöliakie-aktuell") würden alle wichtigen Informationen über Zöliakie und Gluten- freie Ernährung publiziert. Sowohl in persönlichen Gesprächen als auch in Telefon-und E-Mail-Kontakten seien im verfahrensrelevanten Zeitraum Informationen angeboten worden. Die Wiener Gebietskrankenkasse biete in allen ihren Gesundheits-Zentren kostenlose Ernährungsberatung an. Erforderlich sei lediglich eine ärztliche Überweisung und die Mitnahme der e-Card sowie eines Lichtbildausweises. Das Allgemeine Krankenhaus führe seit 1990 eine Spezialambulanz für Zöliakie, wobei dies auch im verfahrensrelevanten Zeitraum der Fall gewesen sei (Klinik für innere Medizin III, klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Spezialambulanz für Zöliakie). Zöliakie sei ein ständig wiederkehrendes Thema von Publikationen der trivialen Gesundheitsliteratur, die in jeder Buchhandlung zu kaufen sei. Die Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung erfolge im Lichte des obenstehenden:
1. Die Behandlung von Zöliakie sei im verfahrensrelevanten Zeitraum auf dem gleichen Stand gewesen wie heute. Damals wie heute habe die Behandlung in lebenslanger Gluten- freier Diät gestanden. Diese Maßnahmen seien auch im verfahrensrelevanten Zeitraum für die bei der Tochter der Beschwerdeführerin bestehende Behinderung erforderlich gewesen.
2. die Besorgung der Lebensmittel habe damals wie heute sowohl im Diätfachhandel (zB Reformhäuser) aber auch in den meisten großen in Österreich angesiedelten Lebensmittelketten (XXXX) erfolgen können. Darüber hinaus bestehe die Diät bei Zöliakie nicht ausschließlich aus Gluten-freien Ersatzmitteln. Zur Deckung des Kohlenhydratebedarfs würden ausreichend pflanzliche Kohlenhydrate, die kein Gluten enthalten würden, zur Verfügung stehen. Die Besorgung, Zubereitung der Speisen, Hygienemaßnahmen und Ermöglichung eines kindgerechten Alltages sei somit weniger auf mühevollen Einkauf und Haushaltsführung angewiesen gewesen sondern nur auf Kenntnis bzw. Vermeidung Gluten-haltiger Speisen.
3. Konkret sei im verfahrensrelevanten Zeitraum aus ärztlicher Sicht den Elternteilen von Zöliakie betroffenen Kindern nach gründlicher Aufklärung durch Diätassistentinnen bzw. zur Vermeidung aller Produkte geraten worden, die Gluten-haltige Getreidearten enthalten. Durch Information sei zu Gluten-freien Getreidearten (Mais, Reis, Hirse, Buchweizen, Quinoa, Amaranth) geraten worden.
4. Bei der Tochter der Beschwerdeführerin habe aufgrund der erforderlichen Diät nicht auf die Verwendung von mit belasteten Lebensmitteln in Berührung gekommenem Kochgeschirr und Besteck geachtet werden müssen, da Besteck und Geschirr üblicherweise vor Verwendung gründlich gespült und gereinigt würde. Somit könnten keine relevanten Mengen von Gluten unabsichtlich zum Verzehr gelangen.
5. Wenn ein 12-bzw. 13-jähriges Kind, das an Gluten-Unverträglichkeit leidet, eine Mahlzeit mit belasteten Lebensmittel eingenommen hätte, wären je nach Menge des verzehrten Gluten sofort mehr oder minder schwere gastrointestinale Beschwerden aufgetreten (Bauchblähungen, Bauchschmerzen, Durchfälle).
6. Eine längerdauernde, nicht konsequente Einhaltung der vorgeschriebenen Diät hätte im Alter von 12-13 Jahren nicht nur zunehmend gastroenterologische Beschwerden zur Folge gehabt, sondern hätte zu einer schweren Gedeihstörung geführt. Die geschädigte Dünndarmschleimhaut wäre nicht mehr in der Lage gewesen, zugeführte Nahrung in ausreichendem Umfang in die Blutbahn eintreten zu lassen. Dadurch wären Wachstumsstörungen, bei weiblichem Geschlecht unter Umständen auch Verzögerung oder Ausbleiben der Geschlechtsreife, Entzündungen der Mundschleimhaut und der Zunge, Müdigkeit, allgemeines Krankheitsgefühl, Knochenschmerzen, Blutarmut, Hauttrockenheit oder Zahnschmelzdefekte eingetreten.
7. Elternteile von Zöliakie-kranken Kindern seien ihm verfahrensrelevanten Zeitraum an allen Kinderabteilungen der Spitäler des Krankenanstaltenverbundes der Stadt Wien, an allen Gesundheitszentren der Wiener Gebietskrankenkasse sowie an der Spezialambulanz für Zöliakie im AKH zur Diätberatung verwiesen worden.
8. Unter der Bedingung, dass die damals 12 bis 13-jähriger Tochter der BF keine Gluten- belasteten Lebensmittel essen durfte, wäre ihre ganztägige außerhäusliche Betreuung im verfahrensrelevanten Zeitraum durchaus möglich gewesen. Dies hätte einerseits bedeutet, dass man ihr von zu Hause Gluten-freie Nahrungsmittel in ausreichender Menge hätte mitgeben können, andererseits dass man den in den Einrichtungen Verantwortlichen die entsprechende Information über die Notwendigkeit Gluten-freier Ernährung hätte geben müssen.
9. Bei Zöliakie- kranken Kindern würden anfangs in dreimonatigen, schließlich in halbjährlichen und zuletzt nur in noch jährlichen Kontrollabständen die Konzentration endomysialer Antikörper bestimmt, die im Falle strikter Gluten-freier Ernährung normale Werte anzeigen würden.
10. Natürlich sei die Kontrolle der Motivation durch Erziehung der Eltern von hohem Stellenwert, ein Kind im Alter von 12-13 Jahren sei aber in der Regel meist besser geschult als die Eltern selbst und achte äußerst genau darauf, keinen Diätfehler zu machen, da es ja selbst am besten wisse, welche Folgen dies haben könnte. Wie auch bei anderen Stoffwechselerkrankungen (Typ 1 Diabetes) seien betroffene Kinder und Jugendliche extrem motiviert und gut geschult, weil sie ja seit frühester Jugend selbst mit der Erkrankung und ihren Umständen vertraut seien und dies sozusagen die erste intellektuelle Herausforderung sei. Meist noch vor dem Volkschulalter seien Kinder, die an Zöliakie erkrankt sind, äußerst bedachtsam im Umgang mit Nahrungsmitteln, spätestens aber im Schulalter seien Sie sozusagen wahre Zöliakie-Experten und würden meist für sich selbst in Sachen der Einhaltung einer notwendigen Gluten-freien Diät sorgen. Den Eltern eines Zöliakie-kranken Kindes im Alter von 12-13 Jahren habe man in diesem Zusammenhang schon längst Diätologische Ratschläge erteilen lassen, darüber hinaus seien im gegenständlichen Fall die Eltern des Zöliakie-kranken Mädchens seit der Diagnose der Erkrankung im Kleinkindalter Mitglieder der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Zöliakie, Landesgruppe Wien, wo ein ständiges update und mediales Beratungsforum eingerichtet sei.
11. Zöliakie-betroffene Kinder habe man im verfahrensrelevanten Zeitraum an die vom Krankenversicherungsträger angebotenen Diätberatungsstellen verweisen können. Im gegenständlichen Fall sei dies nachweislich an der Zöliakie- Ambulanz der Kinderabteilung im Wilhelminenspital geschehen.
12. spätestens mit Beendigung der Volkschule, also ab etwa dem zehnten Lebensjahr sei ein Kind im allgemeinen selbst in der Lage, bei altersgemäßer Aufklärung seine Krankheit die notwendige besondere Ernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag zu leben.
13. Diese Altersgrenze sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht höher anzusetzen als heute. Die Einhaltung der erforderlichen Diät sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unter den selben Bedingungen zu bewerkstelligen gewesen wie heute.
14. Die Tochter der Beschwerdeführerin weise heute keinerlei Spätfolgen einer Gluten- indizierten Erkrankung auf, noch habe sie dem gefertigten Gutachter von solchen Erkrankungen im Alter von 12-13 Jahren berichtet. Sollte sie fallweise unabsichtlich Nahrung zu sich genommen haben, in der Gluten in einem schädigenden Ausmaß versteckt vorhanden gewesen sein sollte, wäre dies sofort aufgrund von gastrointestinalen Beschwerden aufgefallen und nicht unbemerkt geblieben. Die Tochter der Beschwerdeführerin hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit danach eine solche Ernährung gemieden bzw. hätte etwas was ihr Bauchkrämpfe, Blähungen oder Durchfall verursacht hätte, nicht noch einmal gegessen. Gleichzeitig hätte sie durchaus einen ihrem Alter angemessenen Alltag leben können, da sie weder ihrer Umgebung gegenüber ihre Diätnotwendigkeiten verschwiegen hätte noch im eigenen Interesse zur Vermeidung von Beschwerden selbst nicht beachtet hätte.
15. Mit hoher Wahrscheinlichkeit könne aufgrund der obenstehenden Antworten geschlossen werden, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im Alter von 12-13 Jahren aufgrund ihrer Zöliakie- Betroffenheit kaum auf eine starke psychische Unterstützung der Mutter angewiesen gewesen sein, sondern aufgrund der lebenslangen Konfrontation und dem Umgang mit der Zöliakie in diesem Alter bereits selbst am besten wusste, was Zöliakie bedeute und dass bei Gluten- freier Diät keine körperlichen Einschränkungen oder gesundheitliche Schäden zu erwarten sind.
Da die Tochter der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum 12 bis 13 Jahre alt, also ein in der Pubertät befindliches Kind war, waren zusätzlich zum hier eingeholten Gutachten die allgemeinen (nicht speziell auf den dort untersuchten von Zöliakie betroffenen Jugendlichen bezogenen) Aussagen eines im Verfahren W164 2103063 eingeholten pädiatrisch fachärztlichem Sachverständigengutachtens vom 22.10.2017, Dr. Andreas Entenmann, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Oberarzt für pädiatrische Gastroenterologie der Landesklinik Innsbruck, ergänzend heranzuziehen. Daraus ergibt sich zusammengefasst Folgendes:
Für einen intelligenten und differenzierten erwachsenen Menschen sei die spezielle Diätführung kein unüberwindbares Problem, da genug glutenfreie Nahrungsmittel zur Verfügung stehen würden (Reis, Kartoffel, Gemüse, Fleisch, Fisch). Eine schmackhafte ausgewogene und gesunde Ernährung sei mit erhöhtem, jedoch vertretbaren Aufwand möglich. Die Kosten für die glutenfreie Ernährung seien (aufgrund der Verwendung von speziellen Produkten) dabei höher als bei einer glutenhaltigen Ernährung anzunehmen. Die glutenfreie Ernährung von Kindern stelle dagegen ein bedeutendes Problem dar: Durch die vielen Nahrungsmittelverbote seien Kinder leicht stigmatisierbar und würden häufig in eine Außenseiterposition geraten. Die Krankheitseinsicht und die Notwendigkeit zur Diätführung sei im Kleinkindalter schwer zu vermitteln. Im jugendlichen Alter komme es im Rahmen des Ablöseprozesses vom Elternhaus häufig zu einer Verweigerung, die Krankheit und ihre Behandlung zu akzeptieren. Mehrere Faktoren seien notwendig damit eine restriktive Diät im Kindesalter durchgeführt werden könne: Die Einsicht, krank zu sein, die Akzeptanz der Krankheit, die Bereitschaft, die Krankheit zu behandeln und das spezielle Wissen zur Diätführung zusammen mit den Fertigkeiten die Nahrung entsprechend zu zubereiten. Krankheitseinsicht und Krankheitsakzeptanz seien dann am einfachsten zu vermitteln, wenn das Kind bei Gluten-Kontakt mit körperlichen Symptomen reagiere und wenn die Behandlung bereits im Kleinkindesalter begonnen werde. Wenn das Kind die Auswirkungen des Genusses glutenhaltiger Nahrung nicht (negativ) wahrnehme, sei es umso schwerer, die Notwendigkeit einer glutenfreien Ernährung zu vermitteln. Mit guter elterlicher Führung und professioneller Unterstützung durch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kindergarten und Schule gelinge dies im Kleinkindesalter und Schulkindesalter erfahrungsgemäß bei 70 bis 80 % der betroffenen Familien. Im Pubertätsalter komme es häufig zu schweren Diätverstößen, die eine geduldige Intervention und Überzeugungsarbeit von Eltern und ärztlichen Betreuerteam erfordern würden.
Die Nennung eines bestimmten Alters, ab dem ein Kind im Allgemeinen selbst in der Lage sei, bei altersentsprechender Aufklärung seine Krankheit und die notwendige besondere Ernährungsplan zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag zu leben, sei medizinisch nicht einfach und eindeutig möglich: Hier bestehe die Abhängigkeit von vielen individuellen Faktoren (Krankheitseinsicht, Krankheitsakzeptanz, Pubertätsverlauf). Die Komplexität einer glutenfreien Ernährung dürfe dabei nicht unterschätzt werden. Wenn unter einer so restriktiven Ernährung das Essen schmackhaft, gesund und ausgewogen sein soll, so sei viel Wissen und Können im Hinblick auf die Nahrungszubereitung erforderlich. In der Regel seien Kleinkinder und Schulkinder nicht in der Lage, eine angemessene Auswahl an komplexen Gerichten zu zubereiten. Berücksichtigen müsse man auch, dass neben der reinen Vermittlung von Wissen und Können auch die kontinuierliche Motivierung des Kindes durch die Eltern zum Durchführen und Durchhalten der Diät erforderlich sei. Erst im jugendlichen Alter bestehe erfahrungsgemäß die Reife, das Wissen und das Können, eine Gluten-freie Ernährung konsequent selbstständig zuzubereiten. Beim männlichen Patienten sei dieses Alter frühestens mit 15 Jahren, eher mit 16 oder 17 Jahren anzunehmen. In diesem Alter komme es jedoch häufig (aufgrund von Ablösungsprozessen im Rahmen der Pubertät) zu Diätverstößen. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche, streng glutenfreie Ernährung in der Schule sei nur dann möglich, wenn die Schulkantine glutenfreie Mahlzeiten anbiete und fachgerecht zubereiten könne. Ähnliches gelte für Freizeitaktivitäten, Schulausflüge und Skikurse.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF wohnte mit ihrer Tochter, XXXX, geb. XXXX1995, ab Geburt bis 16.05.2013 im gemeinsamen Haushalt im Inland. Im Jahr 1997 wurde bei der Tochter der BF Zöliakie diagnostiziert. Für die Tochter der BF wurde von 06/1995 bis 06/2013 erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Aufgrund ihres Leidens muss die Tochter der BF strenge glutenfreie Diät halten. Es sind alle glutenhaltigen Nahrungsmittel (insbesondere Roggen, Weizen, Gerste und Dinkel) zu vermeiden. Die Nichteinhaltung der Diät, (d.h. auch einzelne Diätfehler) kann zu Durchfällen, einer Gewichtsabnahme, einer Gedeihstörung, einem erhöhten Risiko für Lymphome des Dünndarms sowie bei schweren Verlaufformen zu ernsthaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Die BF hat diese Diät durch tägliches Vorbereiten aller Mahlzeiten ihrer Tochter ermöglicht. Die Tochter der BF ist bedingt durch die konsequente Einhaltung einer komplett Gluten-freien Diät gesund und normal entwickelt.
Die BF erwarb von 03.06.1995 bis 30.06.2003 Ersatzzeiten ("Kindererziehungszeiten"), bezog anschließend bis 14.3.2004 Notstandshilfe. Am 15.3.2004 wurde keine Pensionsversicherungszeit erworben. Von 16.3.2004 bis 31.07.2004 bezog die BF Notstandshilfe. Von 01.08.bis 08.08.2004 war die BF geringfügig als Angestellte beschäftigt (nicht pensionsversichert). Von 09.08. bis 15.10.2004 war die BF vollversichert als Angestellte beschäftigt. Von 16.10.2004 bis 12.11.2004 erwarb die BF keine Pensionsversicherungszeiten. Von 13.11.2004 bis 24.4.2005 bezog die BF Notstandshilfe. Von 25.04.2005 bis 31.01.2006 war die BF als Angestellte vollversichert beschäftigt. Von 01.02.2006 bis 20.06.2006 bezog die BF Arbeitslosengeld. Von 21.06.2006 bis 21.01.2007 bezog die BF Überbrückungshilfe; von 22.1.2007 bis 07.02.2007 bezog sie Arbeitslosengeld, von 08.02. bis 09.02.2007 Krankengeld und von 10.02. bis 23.02.2007 Arbeitslosengeld. Von 24.02.2007 bis 01.05.2007 hatte die BF wegen Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe. Sie erwarb in dieser Zeit Pensionsversicherungszeiten nach Maßgabe des § 34 AlVG. Von 02.05.2007 bis 31.05.2007 bezog die BF Arbeitslosenversicherungsgeld. Von 01.06.2007 bis 31.01.2008 hatte die BF wegen Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe. Sie erwarb in dieser Zeit Pensionsversicherungszeiten nach Maßgabe des § 34 AlVG. Von 01.02.2008 bis 17.02.2008 erwarb die BF keine Pensionsversicherungszeiten. Von 18.02. bis 28.03.2008 bezog die BF Arbeitslosengeld. Von 29.3.2008 bis 24.08.2008 erwarb die BF keine Pensionsversicherungszeiten. Von 25.08. bis 22.09.2008 bezog die BF Arbeitslosengeld. Von 23.09. bis 30.11.2008 war die BF als Arbeiterin vollversicherungspflichtig beschäftigt. Von 1.12.2008 bis 09.02.2009 erwarb die BF keine Pensionsversicherungszeiten. Von 10.02. bis 31.08.2009 war die BF als Angestellte vollversicherungspflichtig beschäftigt. Die daraus resultierende Vollversicherungspflicht verlängerte sich infolge einer Urlaubsabfindung bis 02.09.2008. Von 03.09.2008 bis 31.1.2010 bezog die BF Arbeitslosengeld, von 01.02. bis 12.02.2010 Krankengeld und von 13.02. bis 06.06.2010 Arbeitslosengeld. Von 07.06. bis 30.06.2010 hatte die BF wegen Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe. Sie erwarb in dieser Zeit Pensionsversicherungszeiten nach Maßgabe des § 34 AlVG. Ab 01.07.2010 bis zum Ende des beantragten Zeitraumes war die BF als Angestellte vollversicherungspflichtig beschäftigt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister Nr. XXXX und XXXX, durch Einholung eines beim Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger gespeicherten Versicherungsdatenauszuges betreffend die BF, weiters durch Einholung eines schriftlichen internistisch fachärztlichen Sachverständigengutachtens von Med.Rat Dr. Dietmar Steinbrenner vom 25.09.2017. Berücksichtigt wurde ferner der allgemeine Teil eines pädiatrisch fachärztlichem Sachverständigengutachtens vom 22.10.2017 von Dr. Andreas Entenmann zum Fall eines zwischen 12 und 15 Jahre alten von Zöliakie betroffenen männlichen Jugendlichen. Die für die Beurteilung wesentlichen Beweismittel sind allen Verfahrensparteien bekannt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. In Ermangelung einer Antragstellung gemäß § 414 Abs. 2 ASVG liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Zeitraumbezogene Anwendung des § 18a ASVG:
Die Berechtigung zur Selbstversicherung nach § 18a ASVG ist zeitraumbezogen zu beurteilen. § 18a ASVG ist auf vergangene Zeiträume in seiner jeweils geltenden Fassung anzuwenden. (vgl. VwGH 2002/08/0234 vom 22.12.2004 zu einem insoweit gleichgelagerten Fall der Selbstversicherung nach § 19a ASVG).
Die besondere Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18 a ASVG wurde durch die 44. ASVG-Nov (BGBl 1987/609), in Kraft ab 1.1.1988, geschaffen. Sie sollte nur Elternteilen zugutekommen, die sich ausschließlich und allein der Pflege ihres behinderten Kindes widmeten und daher nicht in der Lage waren, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen:
Zufolge § 18a Abs 1 ASVG in den hier anzuwendenden Fassungen BGBl Nr. 20/1994, BGBl Nr. 1/2002, BGBl. I Nr. 142/2004 und BGBl. I Nr. 132/2005, können sich Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes widmeten, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. (seit BGBl. I Nr. 142/2004 40.) Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes jeweils nur für eine Person bestehen (Abe 1).
§ 18a Abs 2 ASVG sah im zu prüfenden Zeitraum folgende für die BF relevante Ausschlussgründe vor:
Zufolge § 18a Abs 2 Z 1 ASVG war die Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten ausgeschlossen, für die eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung bestand.
Zufolge § 18a Abs 2 Z 3 ASVG war die Selbstversicherung für eine Zeit ausgeschlossen, während der eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a ASVG vorlag.
Gemäß § 227 Abs 1 Z 3 ASVG in den anzuwendenden Fassungen gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 und vor dem 1. Jänner 2005 (...) die Zeiten, während deren eine Versicherte Wochengeld bezog oder während derer dieser Anspruch ruhte.
Gemäß § 227 Abs 1 Z 5 ASVG in den anzuwendenden Fassungen gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 und vor dem 1. Jänner 2005 (...) die Zeiten, während deren die versicherte Person nach dem 31. Dezember 1970 wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958, BGBl. Nr. 199, oder nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, oder Überbrückungshilfe oder erweiterte Überbrückungshilfe nach dem Überbrückungshilfengesetz, BGBl. Nr. 174/1963, oder Sonderunterstützung nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, rechtmäßig bezog bzw. die Zeiten, während deren der Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschließlich nach § 16 Abs. 1 lit. l AlVG geruht hat; ferner die Zeiten, während deren der/die Versicherte nach Vollendung des 45. Lebensjahres Weiterbildungsgeld nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 rechtmäßig bezog; ferner Zeiten des Ausschlusses vom Bezug der Notstandshilfe nach § 34 AlVG und nach dem 31. Dezember 2003 liegende Zeiten des Bezuges einer Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes nach § 35 AMSG.
Gemäß § 227 Abs 1 Z 6 ASVG in den anzuwendenden Fassungen gelten als Ersatzzeiten (...) die Zeiten, während deren der/die Versicherte nach dem 31. Dezember 1970 Krankengeld bezog.
Gemäß § 227a Abs 1 ASVG in den anzuwendenden Fassungen gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 und vor dem 1. Jänner 2005 (...) bei einer (einem) Versicherten, die (der) ihr (sein) Kind (Abs. 2) tatsächlich und überwiegend erzogen hat, die Zeit dieser Erziehung im Inland im Ausmaß von höchstens 48 Kalendermonaten, gezählt ab der Geburt des Kindes (...).
Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG , der mit BGBl. I Nr. 142/2004, in Kraft seit 1.1.2005, geschaffen wurde, sind Personen, die eine Geldleistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, nach dem Sonderunterstützungsgesetz (SUG), BGBl. Nr. 642/1973, oder nach dem Überbrückungshilfengesetz (ÜHG), BGBl. Nr. 174/1963, oder eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes nach dem Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG), BGBl. Nr. 313/1994, rechtmäßig beziehen, wenn sie nicht nach § 4 Abs. 1 Z 8 pflichtversichert sind, oder Notstandshilfe oder erweiterte Überbrückungshilfe ausschließlich wegen Anrechnung des Einkommens des Partners oder der Partnerin nicht beziehen oder deren Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschließlich nach § 16 Abs. 1 lit. l AlVG ruht, in der Pensionsversicherung nach ASVG pflichtversichert (teilversichert).
Zeiten der unselbständigen Erwerbstätigkeit bewirken (soweit die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG überschritten wird) die Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Ans 1 Z 1 oder Abs 4 ASVG, also die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- Unfall- und Pensionsversicherung. Der Bezug von Urlaubsentschädigung/Urlaubsabfindung nach dem Ende einer Beschäftigung verlängert die Versicherungspflicht gemäß § 11 Abs 1
ASVG.
Rückwirkende Antragstellung auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG:
Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis 2015/08/0022 vom 4.11.2015 ausgeführt hat, kann für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG unter Berücksichtigung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG grundsätzlich als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden.
Eine besondere Rückwirkung ergibt sich aus der Übergangsvorschrift des § 669 Abs 3 ASVG. Diese Bestimmung ermöglicht eine Antragstellung auch für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 (Anm: mit diesem Datum wurde die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG erstmals vom Gesetzgeber geschaffen) die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.
Die BF beansprucht eine Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für die Zeiträume von Jänner 1997 bis Juni 2013.
Wie sich aus den Feststellungen ergibt, erwarb die BF wie oben dargelegt Zeiten einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung (durch ihre vollversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit, durch den anschließenden Bezug von Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung oder durch den Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bzw. Überbrückungsgeld, weiters Wochengeld und Krankengeld ab dem 1.1.2005) oder Ersatzzeiten (durch den Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bzw. Überbrückungsgeld, weiters Wochengeld und Krankengeld vor dem 1.1.2005, dies zum Teil überlagert durch Zeiten der Kindererziehung).
Soweit sich aus den obigen Feststellungen Beitrags- bzw. Ersatzzeiten ergeben, standen der Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG die Ausschließungsgründe gemäß § 18a Abs. 2 Z 1 und Z 3 ASVG entgegen. Die Prüfung weiterer Anspruchsvoraussetzungen erübrigt sich für diese Zeiträume.
Kein Ausschlussgrund war für folgende Zeiträume gegeben:
Am 15.03.2004, von 01.08.2004 bis 08.08.2004, von 16.10.2004 bis 12.11.2004, von 01.02.2008 bis 17.02.2008, von 29.03.2008 bis 24.08.2008 und von 01.12.2008 bis 09.02.2009.
Da gemäß § 669 Abs 3 ASVG nur ganze Monate erworben werden können, waren für die hier gegenständliche Beurteilung nur die Zeiträume April bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009 aufzugreifen.
Berechtigung zur Selbstversicherung von April bis Juli 2008 und Dezember 2008 bis Jänner 2009:
§ 18a Abs 1 in der hier anzuwendenden Fassung lautete wie folgt:
Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
Die BF wohnte mit ihrer Tochter, in der verfahrensgegenständlichen Zeit im gemeinsamen Haushalt im Inland. Sie bezog für ihre Tochter erhöhte Familienbeihilfe. Zu prüfen bleibt, das Element der für den verfahrensrelevanten Zeitraum gesetzlich geforderten gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft der BF.
Gemäß § 18a Abs. 3 ASVG in der für diesen Zeitraum maßgeblichen Fassung liegt eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 vor, solange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 30. Lebensjahres (seit BGBl. I Nr. 142/2004 40. Lebensjahres) dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
§ 18a Abs. 3 Z 2 ASVG ist so auszulegen, dass eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft iSd Abs. 1 legcit auch dann vorliegt, wenn ein schulpflichtiges behindertes Kind zwar die Schule besucht (also nicht wegen seiner Behinderung von der Schulpflicht befreit ist), aber dennoch ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf. Es ist im Wege entsprechender Sachverständigengutachten zu klären, ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich ist und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet ist. (VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261).
Die Tochter der BF war nicht von der Schulpflicht befreit. Sie besuchte in der hier zu beurteilenden Zeit das Gymnasium.
Aus dem Umstand, dass die Tochter der BF aktuell an keinen Spätfolgen ihrer Zöliakiebetroffenheit leidet, ist für den vorliegenden Fall lediglich zu schließen, dass die Tochter während ihrer gesamten Kindheit optimal medizinisch versorgt und von ihren Eltern optimal betreut wurde. Über den Aufwand, der dies ermöglicht hat, ist damit noch nichts gesagt.
Das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Gutachten Dr. Ali Navaifard, war für die hier vorzunehmenden Beurteilung nicht heranzuziehen, da es ausschließlich zu den hier nicht relevanten Kriterien des Pflegeaufwandes nach dem Bundespflegegeldgesetz Auskunft gibt: Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2014/08/0084 vom 19.1.2017 zu einem Fall betreffend § 18b ASVG klargestellt hat, stellt die in § 18a ASVG durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz - SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, normierte Legaldefinition "überwiegende" (zuvor - Anm: dies gilt für den hier zu betrachtenden Zeitraum- "gänzliche") Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege eines behinderten Kindes - im Gegensatz zu § 18b ASVG - nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (hier: Anzahl der Pflegestunden), sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien ab.
Wie sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten internistischen Sachverständigengutachten ergibt, konnte Zöliakie im hier relevanten Zeitraum gut diagnostiziert und medizinisch behandelt werden. Von Zöliakie betroffene Kinder und ihre Eltern erhielten in der Großstadt Wien darüber hinaus ein umfassendes Informationsangebot. Es ist daher davon auszugehen, dass sowohl die BF als auch ihre 12 bis 13 jährige Tochter im verfahrensgegenständlichen Zeitraum exakt wussten, welche Lebensmittel gegessen werden durften und welche nicht. Glutenfreie Lebensmittel waren in der verfahrensgegenständlichen Zeit in allen Lebensmittelketten erhältlich. Da die BF mit ihrer Tochter in einer Großstadt lebte, hatte sie als Mutter eines zöliakiebetroffenen Kindes, was den Einkauf von Lebensmitteln betrifft, keinen erheblichen Mehraufwand gegenüber Eltern gesunder Kinder.
Der von der BF behauptete besondere Mehraufwand im Alltag bestand also im Wesentlichen darin, für die von Zöliakie betroffene Tochter täglich gesondert Mahlzeiten streng diätisch zuzubereiten und dabei besondere Hygienmaßnahmen zu beachten. Besonderer Organisationsaufwand ergab sich in diesem Zusammenhang daraus, dass die BF für ihre Tochter, die in der Schulkantine keine glutenfreie Kost erhalten konnte, die dort jeweils angebotenen Speisen glutenfrei nachkochte und ihrer Tochter in die Schule brachte, damit diese gemeinsam mit ihren SchulkollegInnen essen konnte. Auch ist im vorliegenden Gesamtzusammenhang davon auszugehen, dass Schulausflüge und Sportwochen für die BF einen zusätzlich erhöhten Organisationsaufwand mit sich brachten.
Da die Tochter der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum 12 bis 13 Jahre alt, also ein in der Lebensphase der Pubertät befindliches Kind war, war für die Beurteilung der Frage, ob dieser eben dargelegte - durch die Behinderung der Tocher der BF bedingte - besondere Organisationsaufwand im Sinne einer möglichst ungestörten altersgemäßen Entwicklung des Kindes als notwendig zu beurteilen war, im besonderen auf das obige pädiatrisch fachärztliche Sachverständigen