TE OGH 2018/7/25 15Os62/18h

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Veröffentlicht am 25.07.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juli 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Chukwudike U***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Jänner 2018, GZ 130 Hv 40/17v-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der zum Schuldspruch I.2. angenommenen Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Verfallserkenntnis aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Chukwudike U***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (I.1.) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I.2.) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

I. in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

1. eingeführt, indem er im Zeitraum von 14. August bis 24. September 2017 „insgesamt 17.289,9 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 12,7 % (2.199,63 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz)“ anlässlich von sechs Beschaffungsfahrten mit dem Bus von Italien nach Österreich brachte bzw Ekedi C***** und Ehiuken E***** dazu bestimmte, das Cannabiskraut von Italien nach Österreich zu verbringen;

2. anderen überlassen, indem er im Zeitraum von 14. August bis 24. September 2017 „6.000 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 12,7 % (762 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz)“ gewinnbringend an Chukwudi O***** weiterveräußerte;

II. in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 24. September 2017 „2.490,6 Gramm Cannabiskraut (263,9 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz)“, das für die gewinnbringende Weitergabe an Chukwudi O***** vorgesehen war, bis zur Sicherstellung durch die Polizei inne hatte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) blieben die Ausführungen des Sachverständigen für pharmazeutische Chemie „zur Publikation und Berechnungsschlüssel des De Backer“ (ON 81 S 5) bei Feststellung des Reinheitsgehalts des Suchtgifts nicht unberücksichtigt (US 5 f).

Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite leiteten die Tatrichter aus „den geschilderten äußeren Handlungsabläufen“ im Zusammenhalt mit der Verantwortung des Angeklagten und der „von ihm geschilderten tristen finanziellen Situation“ ab, was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (vgl RIS-Justiz RS0098671).

Im Ergebnis zutreffend zeigt die Mängelrüge aber auf, dass die Konstatierungen zum Reinheitsgehalt der eingeführten, überlassenen und besessenen Suchtgiftmengen in objektiver Hinsicht widersprüchlich geblieben sind (Z 5 dritter Fall).

Zu I.1. wird einerseits festgestellt, es habe sich um „17.289,9 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 12,7 % (2.199,63 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz)“ gehandelt (US 5 erster Absatz), andererseits finden sich Konstatierungen zu einer Menge von 1.831 Gramm THC (entspricht 10,59 % Reinheitsgehalt), die auf 1.920,3 Gramm THCA und 146,5 Gramm THC „umgerechnet werden“ „kann“ (US 6).

Zu I.2. gehen einerseits Spruch und Feststellungen von 6.000 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 12,7 % (762 Gramm Delta-9-THC in Reinsubstanz) aus (US 2, 4), es finden sich aber andererseits auch Feststellungen, die von einem Reinheitsgehalt von 10,59 % ausgehen und einen THCA-Wert von 666,4 Gramm und einen THC-Wert von 50,8 Gramm anführen (US 5 letzter Absatz, 6 erster Absatz).

Auch zur Menge des zu II./ besessenen Suchtgifts, nämlich 2.490,6 Gramm Cannabiskraut, wird zwar eine Reinsubstanz von 263,9 Gramm Delta-9-THC konstatiert (US 2, 5 dritter Absatz), diese wird aber auch in 21,1 Gramm THC und 276,8 Gramm THCA aufgegliedert (US 5 vorletzter Absatz).

Zu I.1. und II. betrifft diese widersprüchliche Darstellungsweise allerdings keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache (vgl dazu RIS-Justiz RS0117264, RS0117499), weil sowohl die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG (I.1.) als auch das Übersteigen der Grenzmenge im Sinn des § 28 Abs 1 SMG (II.) nach beiden „Berechnungsmethoden“ jedenfalls gegeben ist.

Zu I.2. hingegen wäre zwar bei 762 Gramm Delta-9-THC, nicht aber bei 666,4 Gramm THCA und 50,8 Gramm THC (US 5 f) die 25-fache Grenzmenge überschritten, was die Aufhebung des Urteils in der zum Schuldspruch I.2. angenommenen Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG schon bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) erforderlich machte.

In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Bleibt für den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass sich die in § 28a Abs 1 SMG angeführten Tathandlungen auf in der Suchtgiftverordnung (SGV) erfasste, die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende und im Tatzeitpunkt tatsächlich vorhandene Wirkstoffe beziehen, weshalb Feststellungen zur Beschaffenheit tatverfangener Substanzen im Zeitpunkt der Tatbegehung und zu einem darauf bezogenen Vorsatz erforderlich sind.

Zur Stellungnahme der Generalprokuratur ist
– unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 StPO – auszuführen, dass aus Sicht des Obersten Gerichtshofs eine – auch den Spruch des Urteils in den Blick nehmende (vgl US 1 f) – Analyse des Urteils die Beurteilung ergibt, dass die Tatrichter auch einen auf die Reinsubstanz des Wirkstoffs des Suchtgifts (§ 28b erster Satz SMG) gerichteten Vorsatz feststellen wollten (vgl unter anderem US 7, wonach der Vorsatz des Angeklagten auf solches Suchtgift gerichtet war, das Delta-9-THC als wirksam werdenden Wirkstoff enthält).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E122395

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00062.18H.0725.000

Im RIS seit

16.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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