Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des am 16. Oktober 1974 geborenen A in Wien, vertreten durch Dr. Michael Kreuz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Herrengasse 8/3, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. Juli 1999, Zl. IV-912.858/FrB/99, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. Juli 1999 gerichtet, mit dem der am 19. Jänner 1999 bei der Bundespolizeidirektion Salzburg eingelangte Antrag des Beschwerdeführers, seinen Ausführungen nach eines Staatsbürgers von Sierra Leone, auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen wurde.
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer den genannten Antrag damit begründet habe, dass in der Hauptstadt Freetown erneut heftige Kämpfe ausgebrochen wären und es aufgrund des herrschenden Bürgerkrieges keine Flugverbindung nach Sierra Leone gäbe. Dazu werde festgestellt, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. März 1999 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit Schriftsatz vom 22. April 1999 habe das Generalkonsulat der Republik Sierra Leone mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer kein Staatsangehöriger von Sierra Leone sei. Die Feststellung des Generalkonsulates sei aufgrund eines telefonischen Interviews erfolgt, aus dem sich ergeben habe, dass der Beschwerdeführer offensichtlich nicht aus Sierra Leone stamme. Es bestehe kein Grund, an den Angaben des Generalkonsulates von Sierra Leone zu zweifeln. Aus diesem Grund erübrige sich eine Auseinandersetzung mit der Frage einer Verfolgung im Sinn des § 57 FrG, zumal der Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass er kein Bürger von Sierra Leone sei, ohnedies nicht in diesen Staat abgeschoben werden könne. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung sei festzustellen, dass sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst nicht willens sei, an der Feststellung seiner Identität und tatsächlichen Staatsangehörigkeit mitzuwirken, keine faktische Unmöglichkeit der Abschiebung ergebe.
Als Beschwerdegründe werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 56 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Im Verfahren über einen Antrag auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes kann vom Antragsteller zwar nicht verlangt werden, gegen ihn gerichtete Misshandlungen oder Verfolgungen "nachzuweisen"; es trifft ihn aber die Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes durch Erstattung eines mit Beweisanboten untermauerten konkreten Vorbringens zumindest bezüglich jener Umstände beizutragen, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Der zur Entscheidung über einen Abschiebungsaufschub zuständigen Behörde ist es aufgrund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel auch nicht verwehrt, die Ergebnisse eines denselben Fremden betreffenden Asylverfahrens zu berücksichtigen; davon unberührt bleibt freilich ihre Verpflichtung, im Fall der Abweisung eines solchen Antrages gemäß § 56 Abs. 2 FrG auch zu begründen, aus welchen Erwägungen in Bezug auf den Antragsteller die in § 57 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gefahren nicht vorliegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1999, Zl. 98/21/0491).
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er zum Schreiben des Generalkonsulates der Republik Sierra Leone vom 22. April 1999, mit welchem dieses mitgeteilt habe, dass er kein Staatsangehöriger dieses Staates wäre, nicht angehört worden sei; ihm sei das rechtliche Gehör und die Möglichkeit zur Stellungnahme entzogen worden. Wäre er mit diesem Schriftsatz konfrontiert worden, so hätte er die Irrtümer des Generalkonsulates aufklären können und vorgebracht, dass er in einem abgelegenen Stadtteil von Freetown in die Schule gegangen sei und deshalb keine Kenntnis von der Situierung des Hauptbusbahnhofes, des Hauptpostamtes und der Heiligen Geist Kirche habe. Überhaupt könne von einem Schulkind eine genaue geographische Kenntnis von Freetown nicht verlangt werden. Der Beschwerdeführer habe später in einem Ort, der etwa 30 km von Freetown entfernt sei, gewohnt, weshalb er von diesen Einrichtungen auch später keine Kenntnis hätte haben müssen. Dass der Beschwerdeführer Staatswappen, Volksstämme und in Sierra Leone gesprochene Sprachen nicht kenne, sei auf seinen geringen Bildungsgrad zurückzuführen. Die belangte Behörde habe auch seine Ausführungen, wonach Flugverbindungen nach Sierra Leone nicht bestünden, unbestritten gelassen.
Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Einer in den Akten des Verwaltungsverfahrens befindlichen Niederschrift der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. April 1999 zufolge wurde der Beschwerdeführer nämlich an diesem Tage mit der Beurteilung des Generalkonsulats der Republik Sierra Leone vom 22. April 1999 betreffend seine Staatszugehörigkeit konfrontiert. Hiebei gab er bloß an, sich die Feststellung der Vertretungsbehörde, dass er nicht aus Sierra Leone komme, nicht erklären zu können; er bleibe bei den bisher gemachten Angaben und habe nichts weiter hinzuzufügen. Nach der Aktenlage wurden dem Beschwerdeführer im Übrigen durch das Bundesasylamt am 24. Februar 1999 allgemeine geographische Fragen betreffend Freetown und Sierra Leone gestellt, die er nicht beantworten konnte. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zur Einschätzung gelangte, dass der Beschwerdeführer nicht aus Sierra Leone stamme und offensichtlich nicht willens sei, seine tatsächliche Staatsangehörigkeit offen zu legen.
Es ist Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine tatsächliche Unmöglichkeit im Sinn des § 56 Abs. 2 FrG nur dann gegeben ist, wenn die einer Abschiebung entgegenstehenden Gründe auf zumutbare Weise vom Fremden selbst nicht beseitigt werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/21/0491). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, inwiefern es dem Beschwerdeführer unmöglich oder unzumutbar wäre, nähere Angaben über seine Herkunft zu machen. Der vom Beschwerdeführer - der im Antrag bloß ganz allgemeine Hinweise auf heftige Kämpfe im Bürgerkrieg in Sierra Leone, wohin es auch keine Flugverbindungen gebe, gemacht hat - begehrte Abschiebungsaufschub ist ihm mit dem angefochtenen Bescheid daher zu Recht versagt worden.
Die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Jänner 2000
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Grundsatz der UnbeschränktheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999210261.X00Im RIS seit
30.05.2001