Entscheidungsdatum
27.06.2018Norm
KanalG NÖ 1977 §9Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von A, vertreten durch RA B, ***, ***, vom 16. Februar 2018 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 12. Jänner 2018, Zl. ***, mit welchem der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. März 2017 betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe nicht stattgegeben worden war, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** dahingehend abgeändert, dass in Stattgebung der gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** erhobenen Berufung dieser ersatzlos behoben wird.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Grundsätzliche Feststellungen:
Frau A (in der Folge: Beschwerdeführerin) ist grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft mit der topographischen Anschrift ***, *** (Grundstück Nr. ***, EZ *** KG ***), auf der ein Gebäude errichtet ist.
1.2. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Schreiben vom 1. September 2010 beantragte die Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung für diverse Änderungen der Frühstückspension am Standort ***, *** (Grundstück Nr. ***, EZ *** KG ***).
1.2.2.
Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von *** vom 17. September 2010 wurde der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt II. die baubehördliche Bewilligung für diverse Änderungen der Frühstückspension am Standort ***, *** (Grundstück Nr. ***, EZ *** KG ***) erteilt. Eine Bescheidausfertigung wurde auch der Stadtgemeinde *** übermittelt.
1.2.3.
Mit Schreiben vom 19. April 2011 wurde von der Beschwerdeführerin eine Fertigstellungsanzeige nach der NÖ Bauordnung bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln eingebracht. Mit Schreiben vom Jänner 2017 wurde die belangte Behörde darüber informiert, dass die Beschwerdeführerin ihr Bauvorhaben am 19. April 2011 fertiggestellt habe.
1.3. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.3.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom
10. März 2017, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführerin gemäß
§§ 2 und 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 und der geltenden Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde *** aus Anlass der durchgeführten Veränderung auf der in ihrem Eigentum befindlichen Liegenschaft mit der Anschrift ***, *** (Grundstück Nr. ***, KG ***), eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe im Betrag von € 7.344,19 (inklusive Umsatzsteuer) vorgeschrieben:
I. Bestand nach der Änderung
Gebäude Bebaute Fläche Flächenhälfte angeschl. Geschoße Fläche
Wohnhaus 197,10 98,55 1 + 1 197,10 Wohnhaus 170,32 85,16 3 + 1 340,64
Anteil der bebauten Fläche: 537,74
Anteil der unbebauten Fläche: 15 % von 500,00 m² 75,00
(maximal von 500 m² = 75 m²)
Berechnungsfläche nach der Änderung 612,74
II. Bestand vor der Änderung
Gebäude Bebaute Fläche Flächenhälfte angeschl. Geschoße Fläche
Wohnhaus 197,10 98,55 1 + 1 197,10
Wohnhaus 0,00 0,00 0 + 1 0,00
Anteil der bebauten Fläche: 197,10
Anteil der unbebauten Fläche: 15 % von 500,00 m² 75,00
(maximal von 500 m² = 75 m²)
Berechnungsfläche vor der Änderung 272,10
Unter Heranziehung des geltenden Einheitssatzes von € 19,60 wurde sohin ein Gesamtbetrag von € 7.344,19 errechnet.
1.3.2.
Gegen diesen Abgabenbescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 2. Mai 2017 fristgerecht das ordentliche Rechtsmittel der Berufung und begründete diese damit, dass sie die BH Tulln von der Fertigstellungsmeldung der Bauführung im Februar 2011 in Kenntnis gesetzt habe. Diese Baufertigstellungsanzeige sei seitens der BH Tulln auch an die Gemeinde Tulln weitergeleitet worden. Unabhängig von der Tatsache, dass mit Einlangen der Fertigstellungsanzeige bei der BH Tulln, welche in diesem Zusammenhang als Gewerbebehörde die Kompetenz auch als Baubehörde an sich gezogen habe, fristenauslösend wirke, sei auch seitens der BH Tulln jeweils eine Verständigung an die Stadtgemeinde *** erfolgt. Sofern die mit diesem Bescheid fällig gestellten Beträge nicht innerhalb einer Frist von 5 Jahren ab Fertigstellung des Objektes bzw. einlangender Fertigstellungsanzeige geltend gemacht würden, seien diese als verfristet anzusehen. Außerdem wurde vorgebracht, dass die Berechnung der gegenständlichen Kanalergänzungsabgabe unrichtig erfolgt sei, da diese jedenfalls auf den Zeitpunkt der Fertigstellung rückbezogen berechnet hätte werden müssen und daher die Gesetzeslage 2011 der Berechnung zugrunde zu legen gewesen wäre. Somit sei auch die Höhe der ermittelten Abgabe unrichtig ermittelt und entspräche auch nicht dem tatsächlichen der Berechnung zugrundeliegenden Grundmaß.
1.3.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 12. Jänner 2018, Zl. ***, wurde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und Zitierung der als maßgeblich erachteten Gesetzesbestimmungen dargelegt, dass der Einheitssatz von € 19,60 exkl. USt. seit 1. Jänner 2011 gelte. Anlässlich des Parteiengehörs am 22. Mai 2017 seien der Beschwerdeführerin die maßgeblichen Gründe für den Abgabenergänzungsbescheid genauestens erläutert worden. Mit Schreiben vom 27. September 2011 sei von der BH Tulln eine gewerbebehördliche Überprüfung der Betriebsanlage (Frühstückspension) anberaumt worden. Mit Verhandlungsschrift vom 20. Oktober 2011 seien die Auflagenpunkte der Bescheide vom 12. April 2011 und vom 17. September 2010 überprüft und daraufhin mitgeteilt worden, dass die Auflagepunkte des Bauverfahrens erfüllt worden sind. Am 16. Februar 2012 sei an die Beschwerdeführerin ein Schreiben über den Erhalt des Lageplanes und einer Kopie der Bauführerbescheinigung der Frühstückspension gesendet worden. Weiters sei diese dabei ausdrücklich über das Fehlen einer Veränderungsanzeige gemäß § 13 NÖ Kanalgesetz informiert worden. Die Fertigstellungsmeldung könne aber eine Veränderungsanzeige gemäß § 13 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz nicht ersetzen. Da somit eine Veränderungsanzeige weder bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln noch bei der Stadtgemeinde *** eingelangt ist, habe eine allfällige Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen. Daher sei die Kanalergänzungsabgabe bescheidmäßig festgesetzt und vorgeschrieben worden.
1.4. Beschwerdeverfahren:
Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 brachte der Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die Bezirkshauptmannschaft Tulln im Rahmen eines behördlichen Anlagengenehmigungsverfahrens - um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden - ex lege die Kompetenz der Baubehörde an sich ziehe und daher als Baubehörde tätig werde. Daher erfolge lediglich eine Verständigung der Stadtgemeinde *** über die ordnungsgemäße Beendigung des Bauverfahrens durch eine Fertigstellungsanzeige. Die diesbezüglichen Verständigungen seien unzweifelhaft der Stadtgemeinde *** zugekommen. Aufgrund welcher Kompetenz die Stadtgemeinde *** und vor allem von wem sie eine Veränderungsanzeige einholen will, bleibe unverständlich, da zu diesem Zeitpunkt die Stadtgemeinde *** nicht Baubehörde gewesen sei.
1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 28. Februar 2018 und vom 13. März 2018 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadtgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.
1.6. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung BAO:
§ 1. ( 1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 207. (1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe. …
§ 208. (1) Die Verjährung beginnt
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird; …
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
2.2. NÖ Kanalgesetz 1977 idF LGBl. 8230-8:
§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
1. bebaute Fläche: Die bebaute Fläche ist diejenige Grundrissfläche, die von der lot-rechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. Unberücksichtigt bleiben: bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen, nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge, untergeordnete Bauteile. ...
6. Geschossfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses ergebende Fläche;
§ 2. (1) Für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten. …
(4) Bei einer späteren Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen (§ 3 Abs. 2) ist eine Ergänzungsabgabe zu der bereits entrichteten Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten, wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 6, eine höhere Abgabe ergibt.
§ 3. (1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).
(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.
(3) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre. ….
(6) Die Ergänzungsabgabe ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Abgaben nach dem bei Entstehung der Abgabenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen sind. Die Berechnungsfläche ist für den Bestand vor der Änderung und für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 zu ermitteln.
§ 12. Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe (Sonderabgabe, Ergänzungsabgabe) entsteht
a) im Falle der Neuerrichtung eines Kanals in dem Zeitpunkt, in dem der Anschluß der anschlußpflichtigen Liegenschaft an den Kanal möglich ist;
b) im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde bzw.
c) wenn eine solche nicht erforderlich ist, mit der Fertigstellung des Vorhabens oder mit dem Eintritt der Änderung.
Abgabenbescheid
§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:
a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);
b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);
c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit.b festgesetzten Gebühren;
…
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;
b) den Grund der Ausstellung;
c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;
d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;
e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;
f) die Rechtsmittelbelehrung und
g) den Tag der Ausfertigung.
(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.
(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.
2.3. NÖ Bauordnung 1996:
Fertigstellung
§ 30. (1) Ist ein bewilligtes Bauvorhaben (§ 23) fertiggestellt, hat der Bauherr dies der Baubehörde anzuzeigen. Anzeigepflichtige Abweichungen (§ 15) sind in dieser Anzeige darzustellen. Die Fertigstellung eines Teiles eines bewilligten Bauvorhabens darf dann angezeigt werden, wenn dieser Teil für sich allein dem bewilligten Verwendungszweck, den Vorschriften dieses Gesetzes und der NÖ Bautechnikverordnung 1997, LGBl. 8200/7, und dem Bebauungsplan entspricht.
(2) Der Anzeige nach Abs. 1 sind anzuschließen:
1. bei einem Neu- oder Zubau eines Gebäudes (ausgenommen Aufstockung und Dachausbau) ein Lageplan mit der Bescheinigung des Bauführers oder der Eintragung der Vermessungsergebnisse über die lagerichtige Ausführung des Bauvorhabens,
2. bei anzeigepflichtigen Abweichungen (§ 15) ein Bestandsplan (zweifach),
3. eine Bescheinigung des Bauführers (§ 25 Abs. 2) oder im Falle der unterlassenen Bekanntgabe des Bauführers eine Bescheinigung eines zur Überwachung befugten Fachmannes, der die Ausführung des Bauwerks überwacht hat, über die bewilligungsgemäße Ausführung (auch Eigenleistung) des Bauwerks,
4. die in der Baubewilligung vorgeschriebenen Befunde und Bescheinigungen.
(3) Wird keine Bescheinigung nach Abs. 2 Z. 3 vorgelegt, hat die Baubehörde eine Überprüfung des Bauwerks auf seine bewilligungsgemäße Ausführung durchzuführen. § 33 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.
(4) Wird ein anzeigepflichtiges Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Z. 3 (Wärmeerzeuger) und 12 (Senk- und Sammelgruben) fertiggestellt, sind der Baubehörde vorzulegen:
* bei einer Anlage nach § 15 Abs. 1 Z. 3 eine Bescheinigung des Heizungsinstallateurs über die vorschriftsmäßige Aufstellung des Wärmeerzeugers und ein Befund eines Rauchfangkehrers über den vorschriftsmäßigen Anschluß dieser Anlage an den Schornstein
* bei einer Anlage nach § 15 Abs. 1 Z. 12 ein Dichtheitsbefund eines befugten Fachmannes.
(5) Einen Lageplan nach Abs. 2 Z. 1 hat die Baubehörde dem zuständigen Vermessungsamt zu übermitteln.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist begründet.
3.1.1.
In der Sache ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen dem Grunde nach außer Streit stehen.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe dem Grunde nach zu Recht erfolgt ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass seitens der Beschwerdeführerin Verjährung eingewendet worden ist.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.3.
Hinsichtlich der Kanaleinmündungsabgabe bzw. der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld aus § 12 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 als lex spezialis zu § 4 Abs. 1 BAO. Die Abgabenschuld ist dabei nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. VwGH vom 23. Mai 1990, Zl. 90/17/0126, und vom 26. April 1996, Zl. 95/17/0452).
Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 idF LGBl. 8230-8 sieht für das Entstehen der Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe drei potentielle Zeitpunkte vor (vgl. VwGH vom 12. Oktober 1984, Zl. 82/17/0085). Im Falle einer Bauführung - und wenn ein Kanal bereits hergestellt ist - entsteht die Abgabenschuld gemäß § 12 Abs. 1 lit. b NÖ Kanalgesetz 1977 mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Fertigstellungsanzeige gemäß § 30 NÖ Bauordnung 1996 bei der Behörde.
3.1.4.
Bei der Fertigstellungsanzeige nach § 30 NÖ Bauordnung 1996 handelt es sich um eine Parteienerklärung, der eine Bescheinigung des Bauführers über die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauvorhabens sowie andere Unterlagen (Befunde, Bescheinigungen) angeschlossen sein müssen. Nur eine entsprechende Fertigstellungsanzeige begründet erst das Recht zur Benützung des fertig gestellten Bauvorhabens. Ist der Kanal also bereits hergestellt und wird - wie im vorliegenden Fall - ein Gebäude umgebaut, so entsteht der Anspruch auf die Ergänzungsabgabe mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Baubehörde (§ 30 der NÖ Bauordnung). Nachdem die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erstattung der Fertigstellungsanzeige iSd NÖ Bauordnung 1996 Eigentümerin der in Rede stehenden Liegenschaft war, ist davon auszugehen, dass gegenüber ihr auch der Abgabenanspruch iSd § 12 Abs. 1 lit. b) iVm § 9 NÖ Kanalgesetz 1977 mit Einlangen dieser Fertigstellungsanzeige bei der Behörde rechtswirksam entstanden ist (vgl. etwa VwGH vom 14. Dezember 1984, Zl.84/17/0019).
Die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde haben somit dem Grunde nach zu Recht die Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe der Beschwerdeführerin - als Eigentümerin zum Zeitpunkt der Legung der Fertigstellungsanzeige - vorgeschrieben.
3.1.5.
Die Erstattung der Fertigstellungsanzeige iSd NÖ Bauordnung 1996 erfolgte – insoweit unbestritten – am 19. April 2011 bei der zuständigen Baubehörde in Gestalt der Bezirkshauptmannschaft Tulln.
Gemäß § 208 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes und das Bestehen einer Abgabenschuld voraus. Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vor-schreibung einer Abgabe (vgl. VwGH vom 12. Oktober 1984, Zl. 82/17/0085).
Mit der Fertigstellungsmeldung vom 19. April 2011 ist gemäß § 12 Abs. 1 lit. b NÖ Kanalgesetz 1977 die Abgabenschuld entstanden. Die Festsetzungsverjährung von 5 Jahren (§ 207 Abs. 2 BAO), beginnend mit Ablauf des Jahres der Entstehung des Anspruches (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO) wäre demnach mit Jahresende 2016 abgelaufen.
Der Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. März 2017, Zl. ***, stand daher der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.1.6.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt. Auch ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.
Schlagworte
Finanzrecht; Kanaleinmündungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Baurecht; Baubewilligung; Fertigstellungsanzeige;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.272.001.2018Zuletzt aktualisiert am
14.08.2018