Entscheidungsdatum
27.06.2018Norm
BAO §4 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, vertreten durch RA B, ***, ***, vom 16. Februar 2018 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 12. Jänner 2018, Zl. ***, mit welchem der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 10. März 2017 betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe nicht stattgegeben worden war, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** dahingehend abgeändert, dass in Stattgebung der gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** erhobenen Berufung dieser ersatzlos behoben wird.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Grundsätzliche Feststellungen:
Frau A (in der Folge: Beschwerdeführerin) ist grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft mit der topographischen Anschrift ***, *** (Grundstück Nr. ***, EZ *** KG ***), auf der ein Gebäude errichtet ist.
1.2. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Schreiben vom 1. September 2010 beantragte die Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung für diverse Änderungen der Frühstückspension am Standort ***, *** (Grundstück Nr. ***, EZ *** KG ***).
1.2.2.
Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Tulln vom 17. September 2010 wurde der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt II. die baubehördliche Bewilligung für diverse Änderungen der Frühstückspension am Standort ***, *** (Grundstück Nr. ***, EZ *** KG ***) erteilt. Eine Bescheidausfertigung wurde auch der Stadtgemeinde *** übermittelt.
1.2.3.
Mit Schreiben vom 19. April 2011 wurde von der Beschwerdeführerin eine Fertigstellungsanzeige nach der NÖ Bauordnung bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln eingebracht. Mit Schreiben vom Jänner 2017 wurde die belangte Behörde darüber informiert, dass die Beschwerdeführerin ihr Bauvorhaben am 19. April 2011 fertiggestellt habe.
1.3. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.3.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom
10. März 2017, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführerin gemäß
§ 7 des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 und der geltenden Wasserabgabenordnung der Stadtgemeinde *** aus Anlass der durchgeführten Veränderung auf der in ihrem Eigentum befindlichen Liegenschaft mit der Anschrift ***, *** (Grundstück Nr. ***, KG ***), eine Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe im Betrag von € 5.223,56 (inklusive Umsatzsteuer) vorgeschrieben. Dabei wurde als Berechnungsfläche vor der Änderung eine Fläche von 272,10 m² ermittelt, während als Berechnungsfläche nach der Änderung eine Fläche von 681,47 m² herangezogen wurde:
I. Bestand nach der Änderung
Gebäude Bebaute Fläche Flächenhälfte angeschl. Geschoße Fläche
Wohnhaus 197,10 98,55 1 + 1 197,10
Wohnhaus 170,32 85,16 3 + 1 340,64
Garage 68,73 34,37 1 + 1 68,73
Anteil der bebauten Fläche: 606,47
Anteil der unbebauten Fläche: 15 % von 500,00 m² 75,00
(maximal von 500 m² = 75 m²)
Berechnungsfläche nach der Änderung 681,47
II. Bestand vor der Änderung
Gebäude Bebaute Fläche Flächenhälfte angeschl. Geschoße Fläche
Wohnhaus 197,10 98,55 1 + 1 197,10
Wohnhaus 0,00 0,00 0 + 1 0,00
Garage 0,00 0,00 0 + 1 0,00
Anteil der bebauten Fläche: 197,10
Anteil der unbebauten Fläche: 15 % von 500,00 m² 75,00
(maximal von 500 m² = 75 m²)
Berechnungsfläche vor der Änderung 272,10
Unter Heranziehung des geltenden Einheitssatzes von € 11,60 sei sohin ein Gesamtbetrag von € 5.223,56 errechnet worden.
1.3.2.
Gegen diesen Abgabenbescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 2. Mai 2017 fristgerecht das ordentliche Rechtsmittel der Berufung und begründete diese damit, dass sie die BH Tulln von der Fertigstellungsmeldung der Bauführung im Februar 2011 in Kenntnis gesetzt habe. Diese Baufertigstellungsanzeige sei seitens der BH Tulln auch an die Gemeinde *** weitergeleitet worden. Unabhängig von der Tatsache, dass mit Einlangen der Fertigstellungsanzeige bei der BH Tulln, welche in diesem Zusammenhang als Gewerbebehörde die Kompetenz auch als Baubehörde an sich gezogen habe, fristenauslösend wirke, sei auch seitens der BH Tulln jeweils eine Verständigung an die Stadtgemeinde *** erfolgt. Sofern die mit diesem Bescheid fällig gestellten Beträge nicht innerhalb einer Frist von 5 Jahren ab Fertigstellung des Objektes bzw. einlangender Fertigstellungsanzeige geltend gemacht würden, seien diese als verfristet anzusehen. Außerdem wurde vorgebracht, dass die Berechnung der gegenständlichen Wasserergänzungsabgabe unrichtig erfolgt sei, da diese jedenfalls auf den Zeitpunkt der Fertigstellung rückbezogen berechnet hätte werden müssen und daher die Gesetzeslage 2011 der Berechnung zugrunde zu legen gewesen wäre. Somit sei auch die Höhe der ermittelten Abgabe unrichtig ermittelt und entspräche auch nicht dem tatsächlichen der Berechnung zugrundeliegenden Grundmaß.
1.3.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 12. Jänner 2018, Zl. ***, wurde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und Zitierung der als maßgeblich erachteten Gesetzesbestimmungen dargelegt, dass der Einheitssatz von € 11,60 exkl. USt. seit 1. Jänner 2011 gelte. Anlässlich des Parteiengehörs am 22. Mai 2017 seien der Beschwerdeführerin die maßgeblichen Gründe für den Abgabenergänzungsbescheid genauestens erläutert worden. Mit Schreiben vom 27. September 2011 sei von der BH Tulln eine gewerbebehördliche Überprüfung der Betriebsanlage (Frühstückspension) anberaumt worden. Mit Verhandlungsschrift vom 20. Oktober 2011 seien die Auflagenpunkte der Bescheide vom 12. April 2011 und vom 17. September 2010 überprüft und daraufhin mitgeteilt worden, dass die Auflagepunkte des Bauverfahrens erfüllt worden sind. Am 16. Februar 2012 sei an die Beschwerdeführerin ein Schreiben über den Erhalt des Lageplanes und einer Kopie der Bauführerbescheinigung der Frühstückspension gesendet worden. Weiters sei diese dabei ausdrücklich über das Fehlen einer Veränderungsanzeige gemäß § 13 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz informiert worden. Die Fertigstellungsmeldung könne aber eine Veränderungsanzeige gemäß § 13 Abs. 1 NÖ Wasserleitungsgesetz nicht ersetzen. Da somit eine Veränderungsanzeige weder bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln noch bei der Stadtgemeinde *** eingelangt ist, habe eine allfällige Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen. Daher sei die Wasserergänzungsabgabe bescheidmäßig festgesetzt und vorgeschrieben worden.
1.4. Beschwerdeverfahren:
Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 brachte der Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die Bezirkshauptmannschaft Tulln im Rahmen eines behördlichen Anlagengenehmigungsverfahrens - um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden - ex lege die Kompetenz der Baubehörde an sich ziehe und daher als Baubehörde tätig werde. Daher erfolge lediglich eine Verständigung der Stadtgemeinde *** über die ordnungsgemäße Beendigung des Bauverfahrens durch eine Fertigstellungsanzeige. Die diesbezüglichen Verständigungen seien unzweifelhaft der Stadtgemeinde *** zugekommen. Aufgrund welcher Kompetenz die Stadtgemeinde *** und vor allem von wem sie eine Veränderungsanzeige einholen will, bleibe unverständlich, da zu diesem Zeitpunkt die Stadtgemeinde *** nicht Baubehörde gewesen sei.
1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 28. Februar 2018 und vom 13. März 2018 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadtgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.
1.6. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:
§ 1. ( 1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
2.2. NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 idF LGBl. 6930-7:
Wasseranschlußabgabe
§ 6 (1) Die Wasseranschlußabgabe ist für den Anschluß an die Gemeindewasserleitung zu entrichten.
(2) Die Höhe der Wasseranschlußabgabe ist derart zu berechnen, daß die Berechnungsfläche (Abs. 3 und 4) für das angeschlossene Grundstück mit dem Einheitssatz (Abs. 5) vervielfacht wird.
(3) Die Berechnungsfläche jeder angeschlossenen Liegenschaft ist so zu ermitteln, daß die Hälfte der bebauten Fläche
a) bei Wohngebäuden mit der um eins erhöhten Anzahl der mit Wasser zu versorgenden Geschosse vervielfacht,
b) in allen anderen Fällen verdoppelt
und das Produkt um 15 % der unbebauten Fläche vermehrt wird.
(4) Bei Ermittlung der Berechnungsfläche gelten folgende Grundsätze:
1. Bebaute Fläche ist jeder Teil einer Liegenschaft, der von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses einer über das Gelände hinausragenden Baulichkeit verdeckt wird;
2. als Anzahl der mit Wasser zu versorgenden Geschosse gilt die jeweils höchste Anzahl von Geschossen auch dann, wenn die angeschlossene Liegenschaft nicht zur Gänze gleich hoch verbaut ist;
3. die unbebaute Fläche ist nur bis zu einem Ausmaß von höchstens 500 m² zu berücksichtigen;
4. zur bebauten Fläche gehören nicht land- und forstwirtschaftliche Nebengebäude oder Teile von Gebäuden, die land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, es sei denn, daß sie an die Gemeindewasserleitung angeschlossen sind.
Ergänzungsabgabe
§ 7. Ändert sich die der Berechnung der Wasseranschlußabgabe zugrunde gelegte Berechnungsfläche für die angeschlossene Liegenschaft, so ist die Wasseranschlußabgabe neu zu berechnen. Ist die neue Wasseranschlußabgabe um mindestens 10 %, mindestens jedoch um € 8,– höher als die bereits entrichtete, so ist vom Grundstückseigentümer eine Ergänzungsabgabe in der Höhe des Differenzbetrages zu entrichten.
Veränderungsanzeige
§ 13. (1) Veränderungen, die an oder auf angeschlossenen Liegenschaften vorgenommen werden und eine Änderung der Berechnungsgrundlagen für die ausgeschriebenen Wasserversorgungsabgaben oder Wassergebühren nach sich ziehen, sind binnen zwei Wochen nach ihrer Vollendung vom Abgabenschuldner der Abgabenbehörde schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).
Entstehung des Abgabenanspruches; Abgabenschuldner
§ 15. (2) Der Anspruch auf die Ergänzungsabgabe entsteht mit dem Einlangen der Veränderungsanzeige. …
(6) Abgabenschuldner ist der Eigentümer der angeschlossenen Liegenschaft, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nicht anderes ergibt.
2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist begründet.
3.1.1.
In der Sache ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen dem Grunde nach außer Streit stehen.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe dem Grunde nach zu Recht erfolgt ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass seitens der Beschwerdeführerin Verjährung eingewendet worden ist.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.3.
Hinsichtlich der Wasseranschlussabgabe bzw. der Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe ergibt sich der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld aus § 15 Abs. 2 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 als lex spezialis zu § 4 Abs. 1 BAO. Die Abgabenschuld ist dabei nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. VwGH vom 23. Mai 1990, Zl. 90/17/0126, und vom 26. April 1996, Zl. 95/17/0452).
Die Bestimmung des § 15 Abs. 2 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 idF LGBl. 6930-7 stellt für das Entstehen der Abgabenschuld für die Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe auf das Einlangen einer Veränderungsanzeige im Sinne des § 13 Abs.1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 bei der Abgabenbehörde ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 15. Mai 2000, Zl. 95/17/0104, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 13. Dezember 1985, Zl. 84/17/0197, mit der hier maßgeblichen Rechtsfrage auseinander gesetzt. Er hat hierin ausgesprochen, dass der Ergänzungsabgabentatbestand nach § 15 Abs. 2 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 dann verwirklicht wird, wenn eine Veränderungsanzeige, also eine die Berechnungsgrundlagen für die Ergänzungsabgabe enthaltende Parteienerklärung abgegeben wird. Da vom Gesetz eine Veränderungsanzeige, also eine Parteienerklärung gefordert werde, sei es auch bedeutungslos, dass die Abgabenbehörden allenfalls in der Lage wären, sich Kenntnis der abgabenrechtlichen Umstände durch Einsichtnahme in die Bauakten – soweit sie daraus überhaupt ersichtlich sind – zu verschaffen (vgl. auch VwGH vom 16. Mai 2011, Zl. 2010/17/0112). Gleiches gilt für eine von den Abgabenbehörden veranlasste Überprüfung vor Ort.
3.1.4.
Der Ergänzungsabgabentatbestand nach § 15 Abs.2 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 wird demnach lediglich durch eine förmliche, die Berechnungsgrundlagen für die Ergänzungsabgabe enthaltende schriftliche Parteienerklärung erfüllt, aus welcher neben den tatsächlich ausgeführten Anschlüssen in den Geschossen auch das tatsächliche Ausmaß der Berechnungsflächen ersichtlich ist (vgl. VwGH vom 13. Dezember 1985, Zl. 84/17/0197). Als Veränderungsanzeige gilt grundsätzlich nur eine die Berechnungsgrundlagen für die Ergänzungsabgabe enthaltende Parteienerklärung (vgl. VwGH vom 19. Mai 2011, Zl. 2010/17/0112).
Da für die Berechnung der Wasseranschlussabgabe gemäß § 6 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 die bebauten Flächen der vorhandenen Gebäude, die Nutzung der nicht angeschlossenen Gebäude, die Zahl der mit Wasser zu versorgenden Geschoße bei Wohngebäuden sowie das Ausmaß der unbebauten Flächen Berechnungsgrundlagen sind, hat eine Veränderungsanzeige im Sinn des § 13 Abs.1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 eben diese Angaben der Berechnungsflächen zu beinhalten.
Da den Gemeindebehörden nun - unbestritten - keine als Veränderungsanzeige qualifizierbare Parteienerklärung vorlag, erweist sich die bescheidmäßige Festsetzung der Ergänzungsabgabe nach § 7 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 mangels Bestehen eines Abgabenanspruches der Gemeinde schon dem Grunde nach als rechtswidrig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.1.5.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.1.6. Ergänzendes:
In der Folge wird der Beschwerdeführerin – gegebenenfalls unter Hinweis auf die Bestimmung des § 17 Abs. 1 lit. c NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 – von der Abgabenbehörde I. Instanz aufzufordern sein, eine Veränderungsanzeige gemäß § 13 Abs. 2 leg.cit. zu legen.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.
Schlagworte
Finanzrecht; Abgabenschuld; Abgabenbescheid; Ergänzungsabgabe; Wasseranschlussabgabe; Veränderungsanzeige; Verjährungsfrist;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.237.001.2018Zuletzt aktualisiert am
13.08.2018