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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S R in Neumarkt, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2018, Zl. W270 2158996- 1/17E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 26. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte es - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und stamme aus der Provinz Maidan Wardak. Sein Vater und seine Geschwister, mit denen der Revisionswerber telefonisch in Kontakt stehe, würden im Iran bei entfernten Verwandten leben. Der Revisionswerber habe neun Jahre die Schule besucht und Arbeitserfahrung als Metzgergehilfe gesammelt. Der Revisionswerber habe seine Flucht damit begründet, sich dem Wunsch der Taliban widersetzt zu haben, unter Ausnützung seiner Tätigkeit in der Küche einer Kaserne dort aufhältige Polizisten bzw. Soldaten zu vergiften. Sein diesbezügliches Vorbringen sei jedoch - wie das BVwG in einer ausführlichen Beweiswürdigung nach Durchführung einer Verhandlung darlegte - nicht glaubhaft. Aus diesem Grund habe der Revisionswerber auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung durch die Taliban drohen würde. Subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber nicht zu gewähren, weil ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung stehe. Er sei ein arbeitsfähiger, junger Mann mit neunjähriger Schulbildung, der auch bereits Berufserfahrungen als Fleischhauer habe sammeln können. Er spreche Landessprachen und habe zudem die meiste Zeit seines Lebens in Afghanistan gelebt, weshalb er mit den dortigen kulturellen Gegebenheiten gut vertraut sei. Die Hepatitis B-Erkrankung des Revisionswerbers indiziere keine antivirale Therapie und eine Fibrose oder Leberzirrhose könne aktuell ausgeschlossen werden. Von einer lebensbedrohlichen Erkrankung sei somit jedenfalls nicht auszugehen. Darüber hinaus stehe in Kabul der Zugang zur notwendigen Behandlung für eine Hepatitis B-Erkrankung zur Verfügung und würden die erforderlichen Kosten für allenfalls notwendige Kontrolltermine vertretbar erscheinen. Eine ernste, rasche und unwiederbringliche Verschlechterung des Gesundheitszustands, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt, sei daher bei Rückkehr nicht zu erwarten.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, dem BVwG seien grobe Mängel bei der Ermittlung des relevanten Sachverhalts anzulasten. Es habe den Angaben des Revisionswerbers bei der Ersteinvernahme, die nicht zur Klärung der näheren Fluchtgründe diene, zu viel Gewicht beigemessen. Jedenfalls habe der Revisionswerber schon bei dieser Einvernahme Probleme mit den Taliban als fluchtauslösend geschildert. Im Übrigen liege auch kein Widerspruch in den Aussagen des Revisionswerbers zu einer näher umschriebenen Verletzung seines Vaters vor. Darüber hinaus weiche das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ausgehe, obwohl der Revisionswerber über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge und an Hepatitis B leide. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Im gegenständlichen Fall wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG, vermag aber nicht aufzuzeigen, dass diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab etwa VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0307, mwN). Insbesondere hat das BVwG die Beweisergebnisse der Erstbefragung nicht unreflektiert übernommen, sondern sorgsam abgeklärt und offengelegt, warum es die dort getätigten Angaben in seiner Beweiswürdigung auch berücksichtigt (vgl. zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens etwa VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0090, 2.1.2017, Ra 2016/18/0323, u.a.).
8 Auch die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul vermag die Revision auf der Grundlage der fallbezogen getroffenen Feststellungen - auch unter Bedachtnahme auf die Erkrankung des Revisionswerbers, die derzeit aber keine Behandlung erfordert - nicht in Zweifel zu ziehen.
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z 1 VwGG) - zurückzuweisen.
Wien, am 20. Juli 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180385.L00Im RIS seit
14.08.2018Zuletzt aktualisiert am
07.09.2018