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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Mag. Nedwed und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der G S in Salzburg, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Jänner 2018, Zl. W169 2180585- 1/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine indische Staatsangehörige, die am 22. Februar 2017 mit einem Visum in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am 27. Februar 2017 um internationalen Schutz ansuchte. Zur Begründung führte sie - zusammengefasst - aus, sie fürchte bei Rückkehr nach Indien von ihrem Ehemann wegen einer Affäre mit einem anderen Mann umgebracht zu werden.
2 Mit Bescheid vom 22. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Indien zulässig sei. Außerdem wurde über die Revisionswerberin ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren verhängt, es wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und es wurde festgestellt, dass keine Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
4 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die im Wesentlichen geltend macht, das BVwG habe die mündliche Verhandlung zu Unrecht unterlassen, es habe außer Acht gelassen, dass (auch) das Zusammenleben der Revisionswerberin mit einem anderen Mann in Österreich im Fall einer Rückkehr die gleichen Konsequenzen wie die - nicht geglaubte - Affäre in Indien haben könnte, das Gericht habe die Schutzfähigkeit der indischen Behörden aktenwidrig bzw. unschlüssig angenommen und es habe die Beweiswürdigung auch in anderen Punkten unschlüssig vorgenommen. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
7 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Im vorliegenden Fall hat das BVwG den Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz mit mehreren alternativen Begründungen abgewiesen. Neben dem Umstand, dass es dem Fluchtvorbringen der Revisionswerberin keinen Glauben schenkte, stützte sich das BVwG tragend auch auf die Schutzfähigkeit der indischen Sicherheitsbehörden gegen allfällige gewaltsame Übergriffe durch ihren Ehemann. Es führte aus, die indische Polizei agiere prinzipiell auf der Grundlage der Gesetze und verfolge angezeigte Straftaten. Die indischen Sicherheitsbehörden verfügten über die Kontrolle über das indische Staatsgebiet und der Bundesstaat, in dem die Revisionswerberin geboren worden sei und bis zu ihrer Ausreise gelebt habe, zähle nicht zu den Unruhegebieten. Auch wenn in Einzelfällen Korruption und Bestechung nicht auszuschließen seien, ergäben sich aus den vorliegenden Länderberichten keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Indien generell unmöglich wäre, entsprechenden behördlichen Schutz vor kriminellen Handlungen (hier: des Ehemannes) in Anspruch zu nehmen.
9 Gegen die Schutzfähigkeit der indischen Sicherheitsbehörden wendet die Revision im Wesentlichen ein, dass nach den Länderfeststellungen des BVwG die Korruption in Indien weit verbreitet sei und zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere bei Verbrechen gegen Frauen, beitrage. Das Gerichtswesen sei überlastet und auch dort bestehe Korruption. Die Annahme des BVwG, die Schutzfähigkeit der indischen Behörden sei vorhanden, finde deshalb in den länderkundlichen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses keine Deckung und stehe zu diesen sogar im Widerspruch.
10 Dem ist Folgendes zu erwidern: Zur Frage der Schutzfähigkeit der indischen Sicherheitsbehörden vor gewaltsamen Übergriffen durch den Ehemann stützen sich sowohl die Revisionswerberin als auch das BVwG auf die im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Länderfeststellungen, aus denen sie jedoch unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. Diese Feststellungen stimmen - soweit sie hier von Relevanz sind - mit jenen überein, die bereits im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffen worden waren. Auf dieser Grundlage ist nicht zu erkennen, dass die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung - in Bezug auf die Frage der Schutzfähigkeit der indischen Behörden - stattfinden hätte müssen. Insoweit konnte das BVwG vielmehr von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen, der eine Verhandlung nicht erforderlich machte.
11 Soweit die Revision vermeint, die Annahme der Schutzfähigkeit der indischen Behörden finde in den getroffenen Länderfeststellungen keine Deckung bzw. stehe zu diesen im Widerspruch (die Revision bezeichnet dies sogar als "Aktenwidrigkeit"), erweist sich ihr Vorbringen als unberechtigt. Aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses lassen sich zwar ernste Probleme erkennen, die Indien bei der praktischen Umsetzung des Schutzes von Frauen gegen häusliche Gewalt hat. Es ergibt sich daraus aber nicht, dass der Schutz von Frauen durch staatliche Behörden in Indien nicht vorhanden bzw. generell ungenügend wäre. Auch die Hinweise der Revision auf vorhandene Korruption innerhalb der indischen Sicherheitsbehörden und Gerichtsbarkeit lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass allein deshalb die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden insgesamt und generell nicht mehr gegeben wäre. Dass die Prüfung des vorliegenden Einzelfalles zu dem Ergebnis hätte führen müssen, die Revisionswerberin wäre unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände (etwa wegen des besonderen Einflusses ihres Ehemannes oder dergleichen) nicht in der Lage, am staatlichen Sicherheitssystem in Indien wirksam teilzuhaben, legt die Revision nicht dar (vgl. zu den maßgeblichen rechtlichen Grundsätzen bei Prüfung der Schutzfähigkeit insbesondere VwGH vom 18.1.2016, Ra 2015/18/0284, mwN).
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme und von denen die Lösung des Revisionsfalles abhinge. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Juli 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180113.L00Im RIS seit
14.08.2018Zuletzt aktualisiert am
07.09.2018