TE Vwgh Erkenntnis 2018/7/26 Ra 2017/17/0029

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Veröffentlicht am 26.07.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §64 Abs1;
VStG §64 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Masic-Redinger, LL.M., über die Revision 1. der Dr. E F C D und 2. der S T GmbH, beide in Linz, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. Juli 2016, LVwG-2015/46/2099-4, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Vorschreibung der Kosten des behördlichen Verfahrens in Spruchpunkt 3. des angefochtenen Erkenntnisses wird gemäß § 42 Abs. 4 VwGG insofern abgeändert, als der dort enthaltene Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG in Höhe von "Euro 120,-- " durch "Euro 100,--" ersetzt wird.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 23. Juli 2015 wurde die Erstrevisionswerberin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der zweitrevisionswerbenden Partei der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) mit einem Glücksspielgerät für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Weiters wurde die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei ausgesprochen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde der Erstrevisionswerberin insofern Folge, als es die von der Behörde verhängte Geldstrafe auf EUR 1.000,-- herabsetzte (Spruchpunkt 1.) und die Kosten des behördlichen Verfahrens mit EUR 120,-- neu bestimmte (Spruchpunkt 3.). Weiters wies das LVwG die Beschwerde der zweitrevisionswerbenden Partei ab (Spruchpunkt 2.). Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 4.).

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Mit den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sowie vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes vor. Von dieser ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen.

8 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, C-347/09, Dickinger und Ömer, Rn. 83 f, 30.4.2014, C-390/12, Pfleger, Rn. 47 ff, 30.6.2016, C-464/15, Admiral Casinos & Entertainment AG, Rn. 31, 35 ff, sowie 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen vom 16. März 2016 und vom 11. Juli 2018 durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen.

9 Zum Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2017, E 3282/2016, zu verweisen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Soweit Art. 47 GRC als anzuwendende Norm in Betracht kommen könnte, vermögen die Revisionsausführungen auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, C-685/15, Online Games Handels GmbH ua, stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.

10 Auch im Zusammenhang mit der Einstufung des Geräts "afric2go" werden keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die Revision behauptet zwar in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Verschuldensfrage das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung in Fällen, in denen "die zu beurteilende Rechtsauffassung vom obersten zuständigen Vollzugsorgan vertreten" werde, unterlässt aber jegliche Ausführungen darüber, um welche Rechtsauffassung es sich im Revisionsfall gehandelt habe und wem diese zuzurechnen gewesen sei. Sie behauptet auch nicht, dass sich die Erstrevisionswerberin tatsächlich auf diese Rechtsauskunft gestützt habe.

11 Soweit sich die Revision gegen die Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, war sie daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

12 Hinsichtlich der in Spruchpunkt 3. der angefochtenen Entscheidung vorgeschriebenen Kosten für das behördliche Verfahren erweist sich die Revision jedoch als zulässig und berechtigt, weil das LVwG in diesem Punkt - wie die revisionswerbenden Parteien im Zulässigkeitsvorbringen aufzeigen - von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe durch die Rechtsmittelinstanz erfordert nämlich gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG die neue Bemessung des Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz (VwGH 23.10.2017, Ro 2017/17/0015). Dieser Beitrag für das Verfahren erster Instanz ist gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit 10 % der verhängten Strafe zu bemessen. Die Bemessung durch das LVwG im Ausmaß von 12 % erweist sich somit als rechtswidrig.

13 Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

14 Das angefochtene Erkenntnis war sohin in seinem Spruchpunkt 3. gemäß § 42 Abs. 4 VwGG spruchgemäß abzuändern.

15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Juli 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170029.L00

Im RIS seit

14.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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