TE Vwgh Beschluss 2018/7/26 Ra 2017/11/0294

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Veröffentlicht am 26.07.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §8 Abs4 litb;
BEinstG §8 Abs4;
BEinstG §8;
B-VG Art130 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der M GmbH in W, vertreten durch Kerle-Aigner-Pichler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 57, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2017, Zl. W132 2143604- 1/14E, betreffend Zustimmung zur Kündigung nach dem BEinstG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Landesstelle Steiermark; mitbeteiligte Partei: M J), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 2016 wurde dem Antrag der Revisionswerberin vom 8. April 2016, die Zustimmung zur künftig auszusprechenden Kündigung der von der Revisionswerberin als Dienstnehmerin beschäftigten Mitbeteiligten zu erteilen, gemäß § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) nicht stattgegeben.

2 In der Begründung wurde - nach durchgeführter Verhandlung - festgestellt, Unternehmensgegenstand der Revisionswerberin sei die Zulieferung von Werbematerial an die Österreichische Post AG. Die Revisionswerberin beschäftige am Standort Graz etwa 70 Personen, darunter seit dem Jahr 2012 die Mitbeteiligte, die keine qualifizierte Berufsausbildung habe. Die Mitbeteiligte befinde sich seit dem 8. September 2015 durchgehend im Krankenstand und gehöre aufgrund des Bescheides der belangten Behörde vom 18. März 2016 (mit Wirkung vom 10. März 2016) dem Kreis der begünstigten Behinderten an.

3 Der Antrag der Mitbeteiligten auf Gewährung einer Invaliditätspension habe zum (aktenkundigen) Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 24. Juni 2016 geführt, mit dem (nach Abweisung des letztgenannten Antrages, "weil Invalidität nicht dauerhaft vorliegt", und der Feststellung der "vorübergehenden Invalidität" der Mitbeteiligten beginnend mit 1. Juni 2016) auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens gemäß u. a. §§ 143a und 367 ASVG ausgesprochen worden sei, dass der Mitbeteiligten ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld (beginnend mit 1. Juni 2016 für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität) zustehe.

4 In der rechtlichen Beurteilung nahm die belangte Behörde nach Wiedergabe der Bezug habenden Rechtsvorschriften, insbesondere des § 8 Abs. 2 und 4 BEinstG, sowie dazu ergangener hg. Rechtsprechung eine Abwägung vor, ob der Revisionswerberin als Dienstgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder der Mitbeteiligten als Dienstnehmerin der Verlust des Arbeitsplatzes eher zugemutet werden könne.

5 Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Invalidität bzw. Arbeitsunfähigkeit der Mitbeteiligten unzweifelhaft vorübergehender Natur sei, sodass ihr keine unbefristete Invaliditätspension, sondern vielmehr bloß Rehabilitationsgeld zuerkannt worden sei. Durch dieses mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 geschaffene Entgelt, das dem Grundsatz "Rehabilitation vor Pension" entspreche, solle der Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht und unterstützt werden.

6 Zwar bestehe seitens der Revisionswerberin das grundsätzlich berechtigte Interesse eines Dienstgebers, das Dienstverhältnis eines Dienstnehmers bei dessen Arbeitsunfähigkeit zu beenden. Gegenständlich sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich (bloß) um eine vorübergehende Invalidität der Mitbeteiligten handle und dass aufgrund der bescheidmäßigen Zuerkennung von Rehabilitationsgeld eine "ex-lege-Karenzierung" der Mitbeteiligten gemäß § 15b AVRAG erfolgt sei, sodass der Revisionswerberin gegenüber der Mitbeteiligten keinerlei (Lohn-) Kosten erwüchsen. Deshalb und weil eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit der Mitbeteiligten zu erwarten sei, sei der Revisionswerberin die Aufrechterhaltung des gegenständlichen Dienstverhältnisses zumutbar.

7 Im Übrigen wäre der genannte Zweck des durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 3/2013, geschaffenen Rehabilitationsgeldes ("Rehabilitation vor Pension") konterkariert, wenn gerade besonders bestandgeschützte Dienstverhältnisse während der Phase der Karenzierung durch Kündigung beendet würden.

8 Dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung sei daher nicht stattzugeben gewesen.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

10 Den Entscheidungsgründen des (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen) angefochtenen Erkenntnisses liegt der bereits von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt zugrunde.

11 Rechtlich verwies das Verwaltungsgericht auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zu einer künftigen Kündigung einer dem Kreis der begünstigten Behinderten nach § 2 BEinstG angehörenden Person oder die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung erteilt werden soll, im freien Ermessen der Behörde liege. Bei dieser Ermessensentscheidung sei es Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Dabei sei unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden könne. In diesem Zusammenhang sei § 8 Abs. 4 BEinstG zu beachten, der demonstrativ jene Gründe aufzähle, welche die Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung in der Regel rechtfertigten. Wirtschaftliche Gründe, die hinreichten, die Kündigung zu rechtfertigen, lägen jedenfalls dann vor, wenn das Unternehmen anders Gefahr liefe, einen schweren wirtschaftlichen Nachteil zu erleiden, der geeignet sei, es in seiner Existenz zu bedrohen.

12 Ein solcher Nachteil sei gegenständlich nicht anzunehmen, weil die Mitbeteiligte seit 1. Juni 2016 für die Dauer der vorübergehenden Invalidität Rehabilitationsgeld beziehe und als Folge dessen das Dienstverhältnis zur Revisionswerberin karenziert sei und die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag und die Verpflichtung der Revisionswerberin zur Fortzahlung des Entgeltes gemäß § 15b AVRAG ruhten.

13 Der Revisionswerberin erwachse bei Weiterbeschäftigung der Mitbeteiligten lediglich insofern ein allfälliger Schaden, als bei Wiederantritt ihres Dienstes entsprechende Kosten für die Beendigung einer eventuell zwischenzeitig eingestellten Ersatzarbeitskraft anfallen könnten. Dabei handle es sich um keinen erheblichen Schaden, sodass die Weiterbeschäftigung der Mitbeteiligten nicht zu einer unzumutbaren Belastung für die Revisionswerberin führe.

14 Die besondere soziale Schutzbedürftigkeit der Mitbeteiligten, die wegen ihres Alters und ihrer fehlenden Berufsausbildung mit Wahrscheinlichkeit einen neuen Arbeitsplatz innerhalb angemessener Zeit nicht finden werde, wiege daher insgesamt schwerer als das Interesse der Revisionswerberin an der Beendigung des Dienstverhältnisses.

15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001 und 18.2.2015, Ra 2015/08/0008).

19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

20 Zunächst ist, was die erforderliche Präzisierung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung durch die Revision betrifft, festzuhalten, dass die Revision zwar gesonderte Ausführungen unter der Überschrift "Zulässigkeit der Revision" enthält, in denen jedoch über weite Strecken eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht präzisiert wird (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, wonach für den Fall der behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls die diesbezügliche Entscheidung durch Anführung der Geschäftszahl zu präzisieren und darzustellen ist, inwieweit bzw. in welchen Punkten das Verwaltungsgericht von dieser Entscheidung abgewichen ist, und für den Fall des behaupteten Fehlens von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die noch nicht entschiedene Rechtsfrage zu präzisieren ist). Vielmehr stellen die diesbezüglichen Revisionsausführungen der Sache nach weitgehend Revisionsgründe dar, was nicht zuletzt der Umstand bestätigt, dass unter der Überschrift "Revisionsbegründung" (abgesehen von einem "ergänzenden" Argument) ausschließlich auf die Ausführungen zur Zulässigkeit verwiesen wird.

21 Mit der Behauptung, dass es "zahlreiche gleich oder ähnlich gelagerte Fälle gebe bzw. geben könnte" wird jedenfalls eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht dargelegt (vgl. etwa VwGH 26.3.2014, Ro 2014/03/0024).

22 Soweit zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht wird, der Verwaltungsgerichtshof habe "bis dato zum Verhältnis des § 8 Abs. 4 BEinstG zu § 143a ASVG und § 15b AVRAG noch nicht Stellung bezogen" (eine konkrete Rechtsfrage wird auch damit nicht vorgetragen), ist die Revisionswerberin darauf hinzuweisen, dass das Schicksal der Revision (und damit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses) davon nicht abhängt iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG und dass das angefochtene Erkenntnis von den nachstehenden, durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgegebenen Richtlinien betreffend die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten auch nicht abweicht.

23 § 8 BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2017, lautet in seinem hier maßgebenden Teil wie folgt:

"§ 8 ...

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. ...

(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

...

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im

Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

..."

24 § 15b AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in der Fassung BGBl. I. Nr. 152/2015, lautet in seinem hier maßgebenden Abs. 1:

"§ 15b. (1) Bei einer vom Versicherungsträger gemäß § 367 Abs. 4 ASVG festgestellten Invalidität eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin ruhen für die Dauer des Bezuges von Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG oder Umschulungsgeld nach § 39b AlVG die wechselseitigen sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin und des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin sowie die Verpflichtung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin zur Fortzahlung des Entgelts, es sei denn, der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin wird im Sinne des § 4 Abs. 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, für arbeitsfähig erklärt."

25 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Entscheidung des Behindertenausschusses des Bundessozialamtes (jetzt: Sozialministeriumservice) gemäß § 8 BEinstG um eine Ermessensentscheidung. Die Behörde hat bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen, muss das aber nicht tun, wenn im Sinne des Gesetzes gelegene Gründe gegen die Zustimmung zur Kündigung sprechen. Der hinter § 8 BEinstG gelegene Sinn des Gesetzes liegt darin, dass der Behörde die Möglichkeit verschafft wird, abzuwägen, ob eher dem Arbeitnehmer eine Kündigung oder dem Dienstgeber eine Fortsetzung des Dientsverhältnisses zugemutet werden kann. Enthält das Vorbringen des Dienstgebers Gründe, die für eine Zustimmung zur Kündigung sprechen, weil der Dienstnehmer einen Tatbestand des § 8 Abs. 4 BEinstG verwirklicht hat, wird es - falls diese tatsächlich vorliegen - regelmäßig im Sinne des Gesetzes liegen, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0106, mwN).

26 Vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG ist es (wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls im zitierten Erkenntnis Ra 2015/11/0106 sowie im Beschluss VwGH 16.8.2017, Ra 2017/11/0212, ausgeführt hat) Aufgabe des Verwaltungsgerichtes zu überprüfen, ob sich die Zustimmung zur Kündigung durch die belangte Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erwies, und zwar vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage. Bejahendenfalls ist die Beschwerde - ohne dass das Verwaltungsgericht befugt wäre, in eine eigene Ermessenentscheidung einzutreten - abzuweisen. Erst wenn sich die behördliche Ermessensübung im Ergebnis als nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt erweist - was insbesondere auch der Fall wäre, wenn die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände nicht frei von Verfahrensmängeln oder unvollständig festgestellt wurden -

ist das Verwaltungsgericht befugt, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Abs. 2 VwGVG), gegebenenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eigenes Ermessen zu üben (nur bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst wäre nach § 28 Abs. 4 VwGVG vorzugehen).

27 Die Interessenabwägung der belangten Behörde im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 8 BEinstG hängt, wie sich aus der zitierten Judikatur ergibt, von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, mit der diese Ermessensentscheidung bestätigt wird, im Regelfall (so die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände vollständig und frei von Verfahrensmängeln berücksichtigt wurden) nicht revisibel ist.

28 Gegenständlich gingen sowohl die belangte Behörde als auch das Verwaltungsgericht in den jeweiligen Sachverhaltsannahmen von dem entscheidungswesentlichen Umstand aus, die Mitbeteiligte beziehe (im Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen Entscheidung) wegen der bescheidmäßig festgestellten vorübergehenden Invalidität Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG, sodass die Verpflichtung der Revisionswerberin zur Fortzahlung des Entgelts gemäß § 15b Abs. 1 AVRAG ruhe. Dies wird auch in der Revision nicht bestritten. Die Revisionswerberin bestätigt das Ruhen ihrer Verpflichtung zur Entgeltzahlung vielmehr auch dadurch, dass sie betont, eine Erklärung über die Arbeitsfähigkeit der Mitbeteiligten iSd § 15b Abs. 1 letzter Halbsatz AVRAG liege nicht vor.

29 Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, dass der belangten Behörde keine fehlerhafte Ermessensübung vorzuwerfen ist, von der dargestellten hg. Judikatur abgewichen wäre. Eine weitere Klärung des Verhältnisses des § 8 Abs. 4 BEinstG zu § 143a ASVG und § 15b AVRAG, wie die Revision in der Zulässigkeitsbegründung ausführt, ist jedenfalls in dieser Konstellation (unstrittiges Vorliegen der Voraussetzungen des § 15b Abs. 1 AVRAG für das Ruhen der Verpflichtung der Revisionswerberin zur Entgeltzahlung) nicht entscheidungsrelevant.

30 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG, bei deren Vorliegen die Fortsetzung des Dienstverhältnisses dem Dienstgeber in der Regel (vgl. Pkt. 3.3.1 des zitierten Erkenntnisses Ra 2015/11/0106) nicht zumutbar ist, nur dann erfüllt sind, wenn in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Dienstnehmers nicht zu erwarten ist. Dies trifft somit bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nicht zu, wenn nicht weit überdurchschnittliche Krankenstände durch einen langen Zeitraum nahezu regelmäßig auftreten (vgl. VwGH 19.12.2011, 2011/11/0144).

31 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juli 2018

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110294.L00

Im RIS seit

14.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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