TE Vwgh Beschluss 2018/7/12 Ra 2018/18/0376

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Veröffentlicht am 12.07.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des N A S in Wolfsberg, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2018, Zl. W257 2146465- 1/12Z, ausgefertigt am 11. Mai 2018, Zl. W257 2146465-1/15E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 1. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, aufgrund einer außerehelichen Beziehung mit seiner Cousine von deren Familie bedroht worden zu sein.

2 Mit Bescheid vom 11. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und stamme aus der Stadt Kabul, wo er im Verband seiner Familie aufgewachsen sei. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht, maturiert und an der Universität in Kabul "Engineering" bzw. Architektur studiert sowie in einem Krankenhaus als Verwaltungsleiter gearbeitet. Seine Eltern und Geschwister lebten weiterhin in Kabul. Zwar werde es als glaubhaft beurteilt, dass der Revisionswerber mit seiner Cousine eine außereheliche sexuelle Beziehung geführt habe, jedoch könne nicht festgestellt werden, dass er in Afghanistan im Falle seiner Rückkehr einer aktuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Dazu hob das Bundesverwaltungsgericht vor allem hervor, dass der Revisionswerber sechs bis sieben Monate unbehelligt von den Familienangehörigen seiner Cousine im Herkunftsstaat gelebt habe. Unter anderem deshalb habe er nicht glaubhaft darlegen können, bei Rückkehr wegen der seinerzeitigen Beziehung zur Cousine verfolgt zu werden. Betreffend die vom Revisionswerber angeführten, von Privatpersonen ausgehenden Verfolgungshandlungen sei zudem von der Schutzfähigkeit und -willigkeit des afghanischen Staats auszugehen. Darüber hinaus stehe dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in den afghanischen Städten Herat und Mazar-e Sharif offen.

5 Auch subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber schon aufgrund der Möglichkeit, allenfalls (bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens) die besagten innerstaatlichen Fluchtalternativen in Anspruch zu nehmen, nicht zu gewähren. Er sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann ohne soziale Verpflichtungen, der in Afghanistan aufgewachsen sei. Er habe eine langjährige Schulbildung genossen und es sei daher nicht zu befürchten, dass er in eine aussichtslose oder existenzbedrohende Situation geraten werde. Diese Einschätzung gelte auch für die Herkunftsregion des Revisionswerbers (Kabul).

6 Zur Rückkehrentscheidung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Revisionswerber halte sich erst seit etwa zwei Jahren und neun Monaten im Bundesgebiet auf und verfüge in Österreich über kein Familienleben. Er habe mehrere Sprachkurse absolviert, verfüge über wenige soziale Bindungen und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Bei einer Gesamtbetrachtung falle die Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK zu Ungunsten des Revisionswerbers aus.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit - aus dem Blickwinkel eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe das individuelle Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht ganzheitlich gewürdigt und sich nicht mit konkreten, aktuellen Länderberichten auseinandergesetzt. Auch betreffend die Entscheidung über die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz beruhe die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Einschätzung der Lage in Afghanistan auf veralteten Länderberichten. Weiters habe das Gericht keine konkreten Ermittlungen zur Sicherheitslage und zur humanitären Situation in Afghanistan im Hinblick auf das tatsächliche Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative durchgeführt. Diesbezüglich fehlten ebenfalls ausreichend aktuelle Berichte. Schließlich wendet sich die Revision gegen die vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK, bei welcher nach Ansicht des Revisionswerbers wesentliche Aspekte seiner in Österreich bestehenden Integration außer Acht gelassen worden seien.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9 Soweit der Revisionswerber im Hinblick auf die im angefochtenen Erkenntnis erfolgte Verneinung einer aktuellen Verfolgungsgefahr einen Verstoß gegen die Begründungspflicht ins Treffen führt, vermag die Revision nicht aufzuzeigen, welche Aspekte des Fluchtvorbringens das Bundesverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt habe.

10 Im Übrigen legte das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen in nicht unvertretbarer Weise dar, wie es zu der Einschätzung, dass dem Revisionswerber keine aktuelle asylrelevante Verfolgung drohe, gelangte. Den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Revision nicht in geeigneter Weise entgegenzutreten, weshalb ein relevanter Begründungsmangel nicht ersichtlich ist.

11 Wenn die Revision der Nichtgewährung von subsidiärem Schutz sowie der - als Alternativbegründung angeführten - Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege in den afghanischen Städten Mazar-e Sharif oder Herat eine zumutbare innerstaatlichen Fluchtalternative für den Revisionswerber vor, mit dem Vorwurf entgegentritt, das angefochtene Erkenntnis beruhe auf unzureichenden Ermittlungen sowie zum Teil veralteten Länderberichten und sei nicht ordnungsgemäß begründet worden, rügt sie wiederum (vermeintliche) Verfahrensmängel, ohne jedoch hinreichend aufzuzeigen, aus welchen Gründen das verwaltungsgerichtliche Verfahren mangelhaft geblieben sei bzw. inwiefern sich im Hinblick auf die Sicherheitslage die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts maßgebliche Situation in Afghanistan im Vergleich zu der den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden Berichtslage konkret verschlechtert habe.

12 Im Übrigen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2018/18/0037, mwN).

13 Die vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als unvertretbar zu beurteilen. Auf die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände hat das Verwaltungsgericht ausreichend Bedacht genommen und es wurden die für die Interessenabwägung maßgeblichen Gesichtspunkte in vertretbarer Weise gewichtet. Dass sich die diesbezügliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreie Grundlage gründen würde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Juli 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180376.L00

Im RIS seit

13.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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