TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/18 98/18/0218

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Veröffentlicht am 18.01.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des D S, (geboren am 7.7.1968), in Wörgl, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Juni 1998, Zl. III 82-2/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 2. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, (nach Ausweis der Akten) einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 2 sowie den §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von vier Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein mit in Rechtskraft erwachsenem Straferkenntnis vom 23. September 1996 wegen Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 1 lit. a leg. cit. mit einer Geldstrafe von S 9.000,-- belegt worden, weil er am 25. August 1996 um

15.35 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten PKW an einem näher genannten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Weiters sei der Beschwerdeführer von derselben Bezirkshauptmannschaft mit in Rechtskraft erwachsenem Straferkenntnis vom 26. November 1997 (wiederum) wegen Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 1 lit. a leg. cit. mit einer Geldstrafe von S 12.000,-- belegt worden, weil er am 11. Oktober 1997 um 04.12 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten PKW an einem näher genannten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Dieses Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers zeige eindrucksvoll seine negative Einstellung gegenüber Rechtsvorschriften, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG), und weshalb vom Ermessen des § 36 Abs. 1 FrG zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werde. Die rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers durch die besagte Bezirkshauptmannschaft aus den Jahren 1996 und 1997 erfüllten den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 erster Fall FrG.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG aber nicht unzulässig. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung seiner Person, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Aufenthaltsverbot zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte anderer (Leben, Gesundheit, Vermögen) im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer Berufskraftfahrer sei und ihn dennoch nicht einmal eine Bestrafung wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 habe davon abhalten können, neuerlich straffällig zu werden. Die Nichtteilnahme alkoholisierter Kraftfahrzeuglenker am öffentlichen Straßenverkehr habe einen großen öffentlichen Stellenwert, großes öffentliches Gewicht. Zu bedenken sei, dass durch die "- potentiellen - schweren Straftaten" des Beschwerdeführers im öffentlichen Straßenverkehr völlig unbeteiligte, mit dem Beschwerdeführer nichts zu tun habende Dritte im Recht auf Leben, Gesundheit und Vermögen gefährdet seien.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Er halte sich seit 1988 erlaubt in Österreich auf, arbeite hier erlaubterweise (zuletzt als Berufskraftfahrer) und weise eine dementsprechende gute Integration und intensive private Bindung zu Österreich auf, der eine Desintegration in Jugoslawien korrespondiere. Der Beschwerdeführer habe eine intensive familiäre Bindung zu seiner Ehegattin, die er im Juni 1997 geheiratet habe, die im Bundesgebiet gut integriert sei und mit der er in Wörgl in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Die Eltern des Beschwerdeführers lebten bereits seit 1971 erlaubt in Österreich und seien dementsprechend gut integriert. Im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu schweren "(Verwaltungs)Straftaten" und seine daraus hervorleuchtende Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit (für die Rechte anderer) wögen die besagten privaten und familiären Interessen aber höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots, weshalb die Erlassung dieses Aufenthaltsverbots auch im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG, den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen und jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger dauerhafter positiver Gesinnungswandel des Beschwerdeführers erwartet werden könne. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von vier Jahren von Nöten sei.

Der Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund des § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG, den der Beschwerdeführer in seiner Berufung durch den Hinweis auf § 35 Abs. 2 FrG anspreche, der das Rechtsinstitut der Ausweisung betreffe und der durch die Zitierung des § 34 Abs. 1 (Z. 1 und Z. 2) FrG in § 38 Abs. 1 Z. 2 in den Bereich des Rechtsinstitutes des Aufenthaltsverbotes einfließe, komme dem Beschwerdeführer nicht zu Gute, weil er vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts - maßgeblicher Sachverhalt für die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbots sei des Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers nach § 5 Abs. 1 StVO 1960, beginnend mit seiner ersten diesbezüglichen Straftat im Jahr 1996 - nicht bereits acht Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei. Nach den unbestrittenen Ausführungen im Erstbescheid sei der Beschwerdeführer seit September 1988 in Österreich niedergelassen, die erste österreichische Aufenthaltsbewilligung in Form eines Sichtvermerkes habe dem Beschwerdeführer die besagte Bezirkshauptmannschaft nach dem Verwaltungsakt am 10. Oktober 1988 (gültig bis 30. April 1989) erteilt, seine erste Straftat nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 habe der Beschwerdeführer am 25. August 1996 gesetzt. Somit sei der Beschwerdeführer gerechnet von der Zeit unmittelbar davor nicht volle acht Jahre ununterbrochen rechtmäßig auf Dauer in Österreich niedergelassen gewesen. Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 FrG komme im Beschwerdefall daher nicht zum Tragen.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen werde auf die "Ausführungen des Berufungsbescheides" (richtig wohl: Erstbescheides) verwiesen. Allfällige erstinstanzliche Verfahrensmängel seien durch die Berufungsmöglichkeit, von der der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht habe, und den Berufungsbescheid saniert. Davon, dass das Aufenthaltsverbot mit einem schweren Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei, gehe die belangte Behörde ohnehin aus. Dass der Beschwerdeführer seine Beschäftigung als Berufskraftfahrer bei einem näher genannten Unternehmen wieder aufnehmen könne, sobald er seinen Führerschein wieder erlangt habe, ändere nichts an der aus seinem Verhalten in der Vergangenheit hervorleuchtenden Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass Fremde angesichts konkreter drohender fremdenpolizeilicher Maßnahme der Fremdenpolizeibehörde gegenüber kundtäten - so wie der Beschwerdeführer persönlich am 20. November 1997 gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Kufstein -, dass "solche Vorfälle nicht mehr vorkommen werden". Die seit der letzten schweren (Verwaltungs-)Straftat des Beschwerdeführers nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 verstrichene Zeit sei jedoch zu kurz, um dem Beschwerdeführer jetzt schon eine dauerhafte Änderung seiner Einstellung hin zu einem rechtstreuen Menschen attestieren zu können, und das Risiko seiner "Dabelassung" im Bundesgebiet auf Kosten der Rechte anderer sei zu groß.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe im Hinblick auf die unter I.1. genannten rechtskräftigen Bestrafungen durch die Bezirkshauptmannschaft Kufstein in den Jahren 1996 und 1997 den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 erster Fall FrG erfüllt, und es sei vorliegend angesichts des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung hegt der Gerichtshof gegen diese Beurteilung keine Bedenken, zumal es sich bei den dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 im Hinblick auf die von alkoholisierten KFZ-Lenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit um Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von großem Gewicht handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 98/18/0374).

2.1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid vor allem ein, dass dem Aufenthaltsverbot § 35 Abs. 2 iVm § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG entgegenstehe. Nach diesen Regelungen reichten bloße Verwaltungsstrafen nach einem achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt nicht mehr zur Begründung eines Aufenthaltsverbotes aus. Der Beschwerdeführer sei im Sommer 1988 endgültig nach Österreich übersiedelt und habe am 10. Oktober 1988 erstmals eine Aufenthaltsberechtigung erhalten. Selbst wenn man von der Erteilung seiner ersten Aufenthaltsberechtigung ausgehe (10. Oktober 1988), habe der Beschwerdeführer am 10. Oktober 1996 die Achtjahresgrenze erreicht. In diesem Zeitraum sei er nur einmal in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht insofern auffällig geworden, als er am 23. September 1996 (mittlerweile rechtskräftig) bestraft worden sei, weil er am 25. August 1996 ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Diese einzige und einmalige Bestrafung habe niemals ausgereicht, um ein Aufenthaltsverbot zu begründen. Sowohl § 18 Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, also auch § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG forderten zumindest zwei rechtskräftige Verwaltungsübertretungen. Der Beschwerdeführer sei am 26. November 1997 ein zweites Mal wegen § 5 Abs. 1 StVO bestraft worden, weil er am 11. Oktober 1997 ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Daraus lasse sich ableiten, dass der maßgebliche Sachverhalt - nämlich das zweimalige Fahren im alkoholisierten Zustand - erst im Jahr 1997 verwirklicht worden sei, also zu einem Zeitpunkt, in der er bereits mehr als acht Jahre ununterbrochen rechtmäßig in Österreich niedergelassen gewesen sei. Der maßgebliche Sachverhalt, auf den die belangte Behörde sich vorliegend stütze, sei ein Gesamtfehlverhalten, das durch die zweimalige Übertretung des § 5 StVO 1960 zum Ausdruck komme, dieses Gesamtfehlverhalten sei aber erst im Jahr 1997 - durch die zweite rechtskräftige Bestrafung - verwirklicht worden. Von daher sei die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbots absolut unzulässig.

2.2.1. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. Eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG ist (u.a.) in den Fällen des § 35 FrG unzulässig. Dessen Abs. 2 hat folgenden Wortlaut:

"Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde."

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Fremden, der bereits ununterbrochen mindestens acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist, ist daher an die beiden Voraussetzungen geknüpft, dass der Fremde gerichtlich verurteilt worden ist und sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Aus der engen Verknüpfung dieser beiden Voraussetzungen ergibt sich, dass unter der in § 35 Abs. 2 FrG genannten Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nur jene zu verstehen ist, die von den gerichtlich strafbaren Handlungen des Fremden ausgeht. Um die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Fremden, der die in § 35 Abs. 2 FrG genannte achtjährige Frist erfüllt, zu rechtfertigen, ist somit erforderlich, dass die vom gerichtlich strafbaren Verhalten des Fremden ausgehende Gefährdung allein geeignet ist, ein Aufenthaltsverbot zu tragen. Für die Frage der Dauer dieser Maßnahme kann jedoch auch in solchen Fällen die vom gesamten Fehlverhalten des Fremden ausgehende Rechtsgutbeeinträchtigung herangezogen werden. (Vgl. hiezu das schon zitierte Erkenntnis vom 21. Dezember 1998). Nach der hg. Rechtsprechung ist unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts" - entgegen der Beschwerde - der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen, wobei es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes nicht um die Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern um das zu Grunde liegende Fehlverhalten handelt, weil nur dieses die im § 36 Abs. 1 Z. 1 oder 2 umschriebene, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendige Annahme rechtfertigen kann. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 35 Abs. 2 FrG ist demnach zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war. (Vgl. hiezu die hg. Entscheidungen vom 17. September 1998, Zl. 95/18/1168 und Zl. 98/18/0170). Vor diesem Hintergrund ist somit bezüglich der Berechnung des Zeitraums von acht Jahren "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" entgegen der Beschwerde auf das seiner ersten rechtskräftigen Bestrafung im Jahr 1996 zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers abzustellen, das unbestrittenermaßen am 25. August 1996 gesetzt wurde.

2.2.2. Ungeachtet dessen ist der Beschwerde Erfolg beschieden:

Zur Auslegung der Wortgruppe "Fremde, die ... bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren" in § 35 Abs. 2 FrG ist § 7 Abs. 3 iVm § 1 Abs. 10 leg.cit. einschlägig; danach gelten als auf Dauer niedergelassene Fremde jene, die 1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben, oder 2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem Wohnsitz niedergelassen sind. Die belangte Behörde hat den Beginn des besagten achtjährigen Zeitraumes mit der Erteilung des - unbestritten - ersten Sichtvermerkes für die Dauer von etwas weniger als sechs Monaten an den Beschwerdeführer am 10. Oktober 1988 angenommen. Die belangte Behörde hat aber außer Acht gelassen, dass sich der Beschwerdeführer nach Ausweis des Verwaltungsaktes bereits am 17. August 1988 in Wörgl angemeldet und daher an der aus dem (dem Akt einliegenden) Meldezettel ersichtlichen Wohnadresse für länger als drei Tage Unterkunft genommen hat (vgl. § 2 Abs. 1 Z. 1 und 2 des Meldegesetzes 1972), und sich daher schon vor dem ihm am 10. Oktober erteilten ersten Sichtvermerk in Österreich aufgehalten hat. Dass dieser Aufenthalt zwischen dem 17. August 1988 und dem 10. Oktober 1988 unrechtmäßig gewesen wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof (auf dem Boden der vorgelegten Verwaltungsakten) nicht erkennen: Nach dem zu dieser Zeit einschlägigen österreichisch-jugoslawischen Sichtvermerksabkommen, BGBl Nr 365/1965, idF des Notenwechsels vom 21. Dezember 1982 und vom 4. Jänner 1983, BGBl. Nr. 117/1983, durften sich jugoslawische Staatsangehörige für drei Monate ohne Sichtvermerk in Österreich aufhalten. Dieser vergleichsweise kurze auf das genannte Sichtvermerksabkommen gestützte Aufenthalt (in der Dauer von etwa zwei Monaten), der nach den beschriebenen Umständen die erste Phase der Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Beschwerdeführers in Österreich darstellte, kann von seinem daran unmittelbar anschließenden Aufenthalt (in der Dauer von mehr als sieben Jahren und zehn Monaten) nicht losgelöst gesehen werden, weshalb der erstgenannte Aufenthalt bei der Berechnung des in Rede stehenden Zeitraums von acht Jahren berücksichtigt werden muss.

Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie bei der Berechnung des besagten Zeitraums auf den dem Beschwerdeführer erstmals erteilten Sichtvermerk abgestellt und damit ausgeschlossen hat, dass der Beschwerdeführer schon vorher - im Sinn des § 7 Abs. 3 Z. 1 FrG - seinen Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt haben konnte. Infolge des Verkennens der Rechtslage hat die belangte Behörde diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen.

3. Auf dem Boden des Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis kann die Frage der Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde im Grunde des § 37 FrG vorgenommenen Abwägung dahinstehen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Jänner 2000

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Normen und Materien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998180218.X00

Im RIS seit

11.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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