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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der B U in Hall in Tirol, geboren am 5. Jänner 1976, vertreten durch Dr. Steidl & Dr. Burmann, Rechtsanwälte OEG in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 12. Februar 1999, Zl. III 28-1 /99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 12. Februar 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von vier Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei vom Landesgericht Innsbruck mit Urteil vom 16. Oktober 1995 wegen des Vergehens des Diebstahles zu einer bedingt nachgesehen Geldstrafe von 50 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer Mittäterin am 7. März 1995 Verfügungsberechtigten eines Damenbekleidungsgeschäftes eine Strickjacke und einen Pullover im Wert von insgesamt S 3.680,-- mit Bereicherungsvorsatz weggenommen habe. Am 5. August 1996 sei sie wegen des Vergehens des Diebstahles zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil sie am 10. April 1996 Verantwortlichen eines Lebensmittelgeschäftes Lebensmittel im Wert von S 565,-- mit Bereicherungsvorsatz weggenommen habe. Am 9. März 1998 sei sie wegen Diebstahles zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil sie am 3. Jänner 1998 Verfügungsberechtigten eines Kaufhauses Lebensmittel im Wert von S 614,20 mit Bereicherungsvorsatz weggenommen habe. Schließlich sei sie am 8. Juni 1998 wegen des Verbrechens des versuchen räuberischen Diebstahles zu einer Zusatz-Geldstrafe von 240 Tagessätzen und einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil sie im Sommer 1997 vier Packungen Wettex, Polsterüberzüge und Socken im Gesamtwert von etwa S 300,-- Verfügungsberechtigten einer namentlich genannten Firma mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen versucht habe, wobei sie, auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen Personen angewendet habe, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten. Sie habe sich von den sie festhaltenden Personen loszureißen versucht und dabei um sich geschlagen sowie diese Personen gekratzt.
Dieses Gesamtfehlverhalten zeige deutlich die negative Einstellung der Beschwerdeführerin gegenüber der österreichischen Rechtsordnung. Es entstehe der Eindruck, dass sie nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und ihr Verhalten den Gesetzen anzupassen. Daraus sei zu folgern, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden rechtskräftigen Verurteilungen erfüllten den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG. Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin liege vor. Die sich im Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der (Vermögens-)Rechte anderer dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer (erlaubter Aufenthalt seit 1992 und dem entsprechend gute Integration und intensive private Bindungen; die Beschwerdeführerin sei Hausfrau und Mutter; eine intensive familiäre Bindung habe sie zu ihrem im Bundesgebiet gut integrierten türkischen Ehemann und zu dem gemeinsamen, 1993 geborenen Kind, mit welchen Personen sie im gemeinsamen Haushalt lebe; verringert werde das Gewicht der persönlichen Interessen durch die Beeinträchtigung der sozialen Komponente der Integration durch die Vermögensdelikte). Diese persönlichen Interessen wögen jedoch im Hinblick auf die Neigung der Beschwerdeführerin zu Vermögensdelikten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Diese Maßnahme sei daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.
Vom Ermessen des § 36 Abs. 1 FrG werde im Hinblick auf den Umstand, dass der Beschwerdeführerin am 5. November 1996 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vergeblich angedroht worden sei, zum Nachteil der Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht. Dass sich die Beschwerdeführerin nicht einmal durch die Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von weiteren einschlägigen Straftaten habe abhalten lassen, zeige im Übrigen auch eindrucksvoll das Dringend-geboten-sein dieser Maßnahme. Im Hinblick auf die Wiederholung von einschlägigen Straftaten und die Qualifizierung einer dieser Taten als Verbrechen des versuchten räuberischen Diebstahles handle es sich keineswegs um Bagatelldelikte.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 8. Juni 1999, B 496/99, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Vom Verwaltungsgerichtshof begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen der Beschwerdeführerin bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2. Aufgrund des Umstandes, dass sich die Beschwerdeführerin auch durch mehrfache Verurteilungen nicht davon hat abhalten lassen, weitere Diebstähle zu begehen, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, besteht doch ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität.
Soweit die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, aus der bedingten Nachsicht der zuletzt über sie verhängten Freiheitsstrafe sei ersichtlich, dass von ihr keine weitere Gefährdung öffentlicher Interessen ausgehe, ist ihr zu entgegnen, dass sich schon aus § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG ergibt, dass auch eine bedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann, und die belangte Behörde nach ständiger hg. Judikatur das Gerechtfertigtsein eines Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die bedingte Strafnachsicht begründenden Erwägungen des Gerichtes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033 mwN).
3. Auch dem Beschwerdevorbringen, dass die belangte Behörde die Interessenabwägung im Grund des § 37 FrG unrichtig getroffen habe, kann nicht gefolgt werden.
3.1. Die belangte Behörde hat den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit 1992, eine entsprechend gute Integration, der Aufenthaltsdauer entsprechende intensive private Bindungen im Inland sowie die familiäre Beziehung zu ihrem in Haushaltsgemeinschaft lebenden Gatten und dem 1993 geborenen gemeinsamen Sohn berücksichtigt und daher - zutreffend - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen schwer wiegenden Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Das in der Beschwerde vorgebrachte "harmonische Ehe- und Familienleben" bewirkt keine weitere Verstärkung der familiären Interessen der Beschwerdeführerin.
Dem steht gegenüber, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum von 1995 bis 1998 vier Diebstähle begangen hat, wobei sie in einem Fall sogar nach Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen Personen anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, sohin in einer Weise vorging, die diese Tat als Verbrechen des "räuberischen Diebstahles" qualifiziert. Auch wenn der Wert des jeweils erbeuteten Diebesgutes nur zwischen S 300,-- und S 3.680,-- liegt, zeigt sich an der Vielzahl der Angriffe innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes die von der Beschwerdeführerin ausgehende große Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK). In diesem Zusammenhang ist von nicht geringer Bedeutung, dass der Beschwerdeführerin nach den ersten beiden Verurteilungen wegen Diebstahles für den Fall neuerlichen Strafälligwerdens die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angedroht wurde und sie danach ihr strafbares Verhalten insoweit sogar noch steigerte, als einer der beiden in der Folge begangenen Diebstähle in der beschriebenen Weise als "räuberischer Diebstahl" qualifiziert ist. (Vgl. dazu das zu § 20 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 96/18/0105.) Die Beschwerdeführerin hat damit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie sich durch bloße Ermahnungen nicht von weiteren Rechtsbrüchen abhalten lässt. Da dies auch für die Zukunft zu erwarten ist, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der vorgenannten im Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, keinen Bedenken.
3.2. Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Beurteilung als unbedenklich. Wenngleich die für einen Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich sprechenden Interessen schwer wiegen, kommt ihnen doch - auch wenn man davon ausgeht, dass sich die Beschwerdeführerin, wie sie in der Beschwerde vorbringt, bereits seit Dezember 1991 und nicht erst seit 1992 im Bundesgebiet aufhält - kein größeres Gewicht zu als dem durch das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse.
Das Vorbringen, die Beschwerdeführerin "beabsichtige" eine Therapie wegen ihrer "kleptomanen Verhaltensweise" ist nicht geeignet, das Ausmaß der von ihr ausgehenden Gefahr zu verringern, hat sie doch nach Ausweis der Akten bereits vor den beiden zuletzt begangenen Diebstählen ihre Bereitschaft, eine derartige Therapie durchzuführen, angekündigt.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, durch das Aufenthaltsverbot werde ihre Familie auseinander gerissen, die Frage der Unterkunft und des Unterhaltes für sie und das Kind sei in der Türkei "kaum lösbar", ist ihr zunächst zu entgegnen, dass die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Situation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden muss. Weiters ist auszuführen, dass ihr Mann - sollte er nicht ohnehin mit der Beschwerdeführerin und dem Kind ausreisen - seine Unterhaltszahlungen auch von Österreich aus erbringen kann, und darauf hinzuweisen, dass durch § 37 FrG nicht die Führung eines Privat- und Familienlebens des Fremden in seinem Heimatland gewährleistet wird.
4. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte.
5. Aus der in der Beschwerde ins Treffen geführten Bestimmung des (§ 38 Abs. 1 Z. 2 iVm) § 35 Abs. 2 FrG lässt sich für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewinnen, weil sie sich zum Einen noch nicht acht Jahre im Bundesgebiet befindet und zum Anderen aufgrund strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist und ihr weiterer Aufenthalt - wie dargestellt - deswegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
6.1. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe ihr kein Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens eingeräumt, ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde kein eigenes Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern das Aufenthaltsverbot auf den bereits von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt gestützt hat und die Beschwerdeführerin jedenfalls in der Berufung Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen.
6.2. Aus dem angefochtenen Bescheid ist deutlich ersichtlich, dass die belangte Behörde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend ihre persönlichen Verhältnisse Glauben geschenkt hat. Ebenso deutlich kommt zum Ausdruck, auf welche Umstände sie ihre negative Prognose gestützt hat. Die insoweit von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Begründungsmängel liegen daher nicht vor.
6.3. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die belangte Behörde habe keine ausreichenden Ermittlungen zur Intensität der familiären Beziehungen und zu "allfälligen medizinischen, gesundheitlichen oder sonstigen Erfordernissen einer fortdauernden Betreuung und Obsorge durch Mutter und Vater des Kleinkindes der Beschwerdeführerin" durchgeführt, tut sie die Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar, behauptet sie doch weder weitere - nicht schon berücksichtigte - familiäre Bindungen noch Gründe, aus denen ihr Kind - mehr als andere Kinder - in besonderer Weise auf die Betreuung durch beide Elternteile angewiesen sei.
7. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999180253.X00Im RIS seit
20.11.2000