Entscheidungsdatum
29.06.2018Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch die Richterin Mag. Manuela Flir über die Beschwerde des AB AA, geb XY, vertreten durch RA Dr. AH AG, LL, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Salzburg vom 19.4.2018, Zahl QQQ/2017, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO),
zu Recht:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.
II. Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG wird das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG hinsichtlich
? Spruchpunkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
? In Bezug auf Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses ist eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof ex lege nicht zulässig. Für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die Landespolizeidirektion Salzburg (belangte Behörde) dem Beschwerdeführer folgende Verwaltungsübertretungen angelastet:
1. Sie sind am 02.11.2017 um 18:05 Uhr in 5020 Salzburg, Saint-Julien-Straße, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen ZZ mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.
2. Sie sind am 02.11.2017 um 18:05 Uhr in 5020 Salzburg, Saint-Julien-Straße, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen ZZ mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.
Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 4 Abs. 1 lit. a StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von € 250,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tage(n) 0 Stunde(n) 0 Minute(n) gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO.
Geldstrafe von € 300,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tage(n) 16 Stunde(n) 0 Minute(n) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Begründend legt der Beschwerdeführer dar, dass er zwar das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am angelasteten Tattag am angelasteten Tatort abgestellt habe, es beim Ausparken jedoch zu keiner Kollision gekommen sei. Insoweit Beschädigungen am Fahrzeug des Beschwerdeführers festgestellt worden seien, würden diese von einem von der Ehegattin des Beschwerdeführers am 27.8.2017 verursachten und von der Versicherung dokumentierten Unfall herrühren. Es würden sohin keine korrespondierenden Beschädigungen an den beteiligten Fahrzeugen vorliegen. Selbst wenn es zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen wäre, sei dies jedenfalls derart minimal gewesen, dass der Beschwerdeführer nichts davon bemerkt habe.
Von der belangten Behörde wurde die Beschwerde zusammen mit dem Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Salzburg zur Entscheidung vorgelegt.
Am 28.6.2018 wurde vor dem Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters gehört und befragt wurde sowie der Privatanzeiger und die Gattin des Zulassungsbesitzers des beteiligten Fahrzeuges zeugenschaftlich einvernommen wurden.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Der Beschwerdeführer hat am 2.11.2017 das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ZZ, einen Opel, in Salzburg auf dem Parkplatz des ehemaligen Kinos, Saint-Julien-Straße, abgestellt. Um 18:05 Uhr hat der Beschwerdeführer ausgeparkt, jedoch konnte nicht festgestellt werden, dass es zu einem Zusammenstoß und zu einem daraus resultierenden Schaden an dem ebenfalls dort geparkten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen RR, einem schwarzen Audi, gekommen ist.
Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen beruhen im Wesentlichen auf dem Inhalt der dem Verfahren zugrundeliegenden Anzeige. Zum entscheidungswesentlichen Ergebnis, wonach weder eine Kollision noch ein daraus resultierender Schaden festgestellt werden konnte, ist das erkennende Gericht auf Grundlage des zeugenschaftlich einvernommenen Privatanzeigers sowie der Gattin des Zulassungsbesitzers des angeblich geschädigten Fahrzeuges gelangt. So hat der Privatanzeiger allein aus dem Umstand, dass er aus einer Entfernung von etwa 50 m einen "Bumserer" gehört hat und im Anschluss daran ein Fahrzeug vom Parkplatz wegfahren gesehen hat, den Schluss gezogen, dass es zu einer Kollision gekommen ist. Einen Zusammenstoß gesehen hat der Privatanzeiger aber nicht. Ob das den Vorfall laut Privatanzeiger ebenfalls beobachtende Paar einen Zusammenstoß gesehen hat, konnte mangels Kenntnis der Personalien nicht festgestellt werden. Befragt dazu, ob er am angeblich beschädigten Fahrzeug einen Schaden festgestellt habe, gab der Privatanzeiger an, dass er einen ca zwei Zentimeter langen Marker an der Stoßstange festgestellt habe.
Die ebenfalls zeugenschaftlich einvernommene Gattin des Zulassungsbesitzers des vermeintlich geschädigten Fahrzeuges, die das Fahrzeug am angelasteten Tatort zur angelasteten Tatzeit abgestellt gehabt hat, gab an, dass sie nachdem sie den Verständigungszettel von der Polizei am darauffolgenden Tag bemerkt habe, zur Firma Porsche gefahren sei, um abklären zu lassen, ob ein Schaden vorliege, da sie selbst nur kleine Kratzer an der Stoßstange festgestellt habe. Der schließlich von der Werkstatt festgestellte Schaden sei jedenfalls über die Versicherung des Beschwerdeführers beglichen worden. Über explizite Nachfrage konnte die Zeugin nicht ausschließen, dass der von der Werkstatt reparierte Schaden nicht bereits vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall vorhanden gewesen ist.
Auf Grundlage dieser Beweisergebnisse konnte nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es zu einem Zusammenstoß gekommen ist, der zu einem Sachschaden geführt hat.
Rechtliche Grundlagen:
§ 4 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) - Verkehrsunfälle
(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben
a)
wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,
b)
wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,
c)
an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
(..)
(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Erwägungen und Ergebnis:
Aus § 4 Abs 1 und Abs 5 StVO ergeben sich bei einem Verkehrsunfall für alle jene Personen, die mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen Anhalte- und Meldepflichten. Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 15.11.2000, 2000/03/0264). Objektives Tatbestandsmerkmal der im § 4 Abs 1 und Abs 5 StVO normierten Anhalte- und Meldepflichten ist der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 10.1.2017, Ra 2016/02/0182). Für einen Schuldspruch genügt die bloße Möglichkeit einer Verursachung eines Schadens an dem beteiligten Fahrzeug nicht, vielmehr muss der Beweis für einen derartigen Sachschaden geliefert werden (VwGH 25.2.1983, 82/02/0236).
Objektives Tatbestandsmerkmal der beiden verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretungen ist demnach der Eintritt eines Sachschadens. Im konkreten Fall hat das durchgeführte Beweisverfahren aber weder mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit gezeigt, dass es im Zuge des Ausparkmanövers des Beschwerdeführers zu einer Kollision zwischen den beiden verfahrensgegenständlichen Fahrzeugen gekommen ist, noch konnte festgestellt werden, ob die zu einer Reparatur führenden Beschädigungen am mitbeteiligten Fahrzeug durch das Ausparkmanöver des Beschwerdeführers verursacht worden sind. Es war daher spruchgemäß das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Auf Grund dieses Verfahrensergebnisses waren dem Beschwerdeführer gemäß § 52
Abs 8 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Im Hinblick auf die im Straferkenntnis unter Spruchpunkt 1 angelastete Verwaltungsübertretung ist die ordentliche Revision nicht zulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der beispielhaft angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen oder ist diese als uneinheitlich zu beurteilen.
Gemäß § 25a VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten gemäß Art 133 Abs 4 und 6 Z 1 B-VG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Höchststrafe von bis zu € 750 vorgesehen ist, keine Freiheitsstrafe verhängt werden darf und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400 verhängt wurde. Da diese Voraussetzungen hinsichtlich der im Straferkenntnis unter Spruchpunkt 2 angelasteten Verwaltungsübertretung vorliegen, ist für den Beschwerdeführer eine Revision ex lege ausgeschlossen. Für die belangte Behörde bzw Formalpartei ist zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG aus den oben angeführten Gründen nicht zulässig.
Schlagworte
Verkehrsrecht, StVO, keine Kollision, kein SchadenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2018:405.4.2029.1.4.2018Zuletzt aktualisiert am
07.08.2018