TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/22 LVwG-AV-270/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2018
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Entscheidungsdatum

22.05.2018

Norm

BAO §96
BAO §279
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art30
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art35

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Dr. Grassinger über die Beschwerde von Herrn A, ***, ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 31.01.2018, Zl. ***, mit welchem der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 23.02.2017, Zl. *** (amtssigniert mit 31.10.2017) betreffend die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe gemäß § 7 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 für die Liegenschaft in ***, ***, Grundstück Nr. ***, KG ***, EZ ***, Grundbuch ***, keine Folge gegeben wurde, wie folgt:

1.   Aus Anlass der gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 31.01.2018, Zl. ***, erhobenen Beschwerde wird diese Berufungsentscheidung dahingehend abgeändert, dass anstelle des Ausspruches „Der Berufung wird keine Folge gegeben.“ zu stehen hat „Die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde

*** vom 23.02.2017, ***, wird als unzulässig zurückgewiesen.“

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28 Abs. 2 Z. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) iVm

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Entscheidungsgründe:

Mit als „Abgabenbescheid“ (gleichzeitig Rechnung iSd § 111 UStG 1994) bezeichneter Erledigung des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 23.02.2017, Zl. ***, ausschließlich mit elektronischer Signatur unterfertigt am 31.10.2017, (im in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindesvorstandes unrichtigerweise bezeichnet mit „amtssigniert mit 13. Oktober 2017“) wurde dem Einschreiter gemäß
§ 7 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 wegen Änderung der Berechnungsfläche für die Liegenschaft in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, EZ ***, Grundbuch ***, eine Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe in der Höhe von € 1.000,36 (exklusive 10 % USt.) vorgeschrieben.

Der gegenständliche Abgabenbescheid, auf dem sich eine DVR-Nummer nicht findet und in welchem – entsprechend den Erhebungen der Abgabenbehörde erster Rechtsstufe individuell die Berechnungsfläche bezogen auf das im Eigentum des Einschreiters stehende Grundstück nach der Änderung und vor der Änderung eingetragen wurde, wurde entsprechend dem im Akt der Behörde befindlichen Rückschein dem Einschreiter durch Hinterlegung und Bereithalten zur Abholung offenkundig am 07.11.2017 zugestellt (Zustellversuch am 06.11.2017, Hinterlegung und Beginn der Abholfrist am 07.11.2017).

Der Einschreiter hat gegen diesen Bescheid eine mit 02.12.2017 datierte Rechtsmitteleingabe (fälschlicherweise mit „Einspruch“ bezeichnet) erstattet. Dieses als Berufung zu wertende Rechtsmittel wurde offenkundig fristgerecht erhoben, da es am 04. Dezember 2017 entsprechend dem Eingangsstempel bei der Behörde eingelangt ist, weshalb jedenfalls von einer fristgerechten Einbringung der Berufung auszugehen war.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 31.01.2018, Zl. ***, wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Bereits im bezeichneten Berufungsbescheid ist in der Präambel ausgeführt, dass der zu Grunde liegende Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 23.02.2017 amtssigniert wurde (fälschlicherweise wurde ausgeführt, dass die Amtssignierung am 13.10.2017 – gemeint wohl: am 31.10.2017) erfolgte.

Auf die inhaltliche Begründung dieser nunmehr in Beschwerde gezogenen Berufungsentscheidung ist nicht näher einzugehen.

Festzustellen ist jedoch, dass, nicht im Einklang mit der Präambel dieses Berufungsbescheides, im letzten Satz der Entscheidung, vor „Rechtsmittelbelehrung“ sinnwidrig ausgeführt wurde, dass „der angefochtene Bescheid über die Aufhebung zu bestätigen“ gewesen sei.

Der nunmehr in Beschwerde gezogenen Entscheidung des Gemeindevorstandes lag nach dem Inhalt des Behördenaktes eine Beschlussfassung (Top 4c der Beschlussfassung in der Gemeindevorstandssitzung am 31.01.2018) zu Grunde.

Festzustellen ist, dass entsprechend dem Protokoll über die Gemeindevorstandssitzung am 31.01.2018 und der Beschlussfassung jenes Berufungsbescheides, der der gegenständlichen Anfechtung zu Grunde liegt (Top 4c der Tagesordnung) die Vorstandsentscheidung auf einen Spruch dahingehend lautete, dass „gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) … die Berufung als unbegründet abgewiesen“ wird.

Weiters ist festzustellen, dass im Bezug habenden Protokoll über die Gemeindevorstandssitzung vom 31.01.2018 der Zusatz „Die im Rahmen der Berufung vom 02.12.2017, eingelangt am 04.12.2017, vorgebrachten Einwände werden somit nach umfassender Prüfung der Gesetzes- und Aktenlage als unbegründet abgewiesen und es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.“ enthalten ist.

Dieser letztbezeichnete Zusatz ist in dem in Beschwerde gezogenen Berufungsbescheid in der Begründung nicht enthalten.

Ebenso ist festzustellen, dass der Ausspruch des in Beschwerde gezogenen Berufungsbescheides wie folgt lautet: „Der Berufung wird keine Folge gegeben.“

Die bezeichnete Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 31.10.2018, Zl. *** wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegen und Bereithalten zur Abholung am 09.02.2018 zugestellt.

Der Beschwerdeführer hat fristgerecht mit Schriftsatz vom 05.03.2018 gegen diesen Berufungsbescheid Beschwerde erhoben.

Nach inhaltlichem Vorbringen stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den Berufungsbescheid vom 31.01.2018 sowie den Abgabenbescheid vom 23.02.2017, amtssigniert mit 31.10.2017, ersatzlos zu beheben und das gegenständliche Verfahren einzustellen.

Festgestellt wird, dass der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 31.01.2018, Zl. ***, nicht amtssigniert wurde, sondern die Unterschrift des diese Entscheidung genehmigenden Bürgermeisters der Marktgemeinde *** aufweist.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem von der Abgabenbehörde vorgelegten Akt, von dessen Richtigkeit und Vollständigkeit auf Grund der Vorlage durch die belangte Behörde seitens des erkennenden Gerichtes auszugehen war.

In rechtlicher Hinsicht wurde hierüber erwogen:

Bundesabgabenordnung-BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.

§ 92 (1) BAO:

(1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

a)

Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder

b)

abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder

c)

über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

(…).

§ 96 BAO:

Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, daß die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG):

§ 18 Abs. 3 und 4:

(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

(…).

Gemäß § 4 Z. 7 Datenschutzgesetz 2000 (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2000, ist „ Datenanwendung“ die Summe der in ihrem Ablauf logisch verbundenen Verwendungsschritte (Z. 8), die zur Erreichung eines inhaltlich bestimmten Ergebnisses (des Zweckes der Datenanwendung) geordnet sind und zur Gänze oder auch nur teilweise automatisationsunterstützt, also maschinell und programmgesteuert, erfolgen (automatisationsunterstützte Datenanwendung).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwSlg. 11.366 A/1984, sowie VwGH vom 30. April 1985, Zl. 81/05/0090, sowie VwGH vom 19. März 1991, Zl. 86/05/0139, sowie VwGH vom 27. August 1996, Zl. 95/05/0186, sowie VwGH vom 17. Mai 2004, Zl. 2003/06/0149) haben Gegenstand der Beschlussfassung eines Kollegialorganes, wie es der Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** ist, sowohl der Spruch der Entscheidung als auch die Grundzüge der Begründung zu sein.

Entspricht der Spruch und die Begründung eines Bescheides des Kollegialorganes nicht der vorangegangenen Beschlussfassung des Kollegialorganes, dann ist dies eine der Unzuständigkeit gleichkommende Rechtswidrigkeit, weil diesem Bescheid, welcher nach seinem Erscheinungsbild intendiert, dem Kollegialorgan zugerechnet zu werden, kein entsprechender Beschluss dieses Organs zu Grunde liegt; ein solcher Bescheid ist in diesem Fall also so zu betrachten, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. u.a. VwGH vom 12. Juni 1991, Zl. 90/13/0028, sowie VwGH vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0068, sowie VwGH vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/04/0188, sowie VwGH vom 8. März 1994, Zl. 93/08/0273, sowie VwGH vom 16. März 1995, Zl. 94/06/0083, sowie VwGH vom

29. Mai 1996, Zl. 93/13/0008).

Wenn auch der in Beschwerde gezogene, verfahrensgegenständliche Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** nicht identisch durch die Beschlussfassung in Form des diesbezüglichen Inhaltes des Sitzungsprotokolles des Gemeindesvorstandes der Marktgemeinde *** vom 31.01.2018, Top 4c, erfasst ist, war unter Zugrundelegung der maßgeblichen einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der höchstgerichtlichen Judikatur festzustellen, dass der in der Sitzung des Gemeindevorstandes der Beschlussfassung zu Grunde gelegte Bescheidspruch („Abweisung der Berufung als unbegründet“) durch die tatsächlich gewählte Form des Bescheidspruches in der in Beschwerde gezogenen Fassung („Der Berufung wird keine Folge gegeben“) gerade noch Deckung findet, wie auch im Weglassen des letzten Satzes in der Begründung dieser Berufungsentscheidung bzw. in der sinnstörenden Anfügung des letzten Teilsatzes vor „Rechtsmittelbelehrung“ nicht derartig gravierende Mängel zu sehen waren, dass, zumal die in Beschwerde gezogene Berufungsentscheidung im Übrigen und somit auch inhaltlich und vollständig rückführbar dem durch das Kollegialorgan Gemeindevorstand beschlossenen Dokument entspricht, aus diesem Grund davon auszugehen gewesen wäre, dass die Berufungsentscheidung mangels Beschlussdeckung von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre.

Vielmehr war davon auszugehen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides im protokollierten Beschluss des Gemeindevorstandes (gerade noch) inhaltlich Deckung findet.

Gemäß § 96, letzter Satz BAO, bedürfen nur Ausfertigungen, die mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt.

§ 96 BAO normiert für alle schriftlichen Erledigungen der Abgabenbehörden zwingend drei Bestandteile: Die Bezeichnung der Behörde, das Datum und die Unterschrift bzw. Beglaubigung (Ausnahmen siehe § 96, letzter Satz, BAO), wobei diese Erfordernisse auch für schriftliche Bescheide gelten (vgl. RIZ, BAO 5, § 96

Tz 1).

Zu den unverzichtbaren Bestandteilen eines Bescheides gehören somit die Bezeichnung der Behörde (§ 96 BAO), der Spruch (§ 93 Abs. 2 BAO) sowie die Unterschrift (nach Maßgabe des § 96 BAO, vgl. RIZ, BAO, § 93 Tz 22; VwGH 28.09.2004, 2002/14/0035, VwGH 21.12.2005, 2004/14/0111).

Abgesehen von den in § 96 BAO genannten Fällen, in denen eine Erledigung keine Unterschrift (Beglaubigung) aufweisen muss, führt das Fehlen der Unterschrift auf einer Erledigung dazu, dass kein Bescheid vorliegt (vgl. RIZ, BAO5, § 93 Tz 25, VwGH 10.10.1991, 91/17/0096).

Mit Bescheidbeschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Beschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (RIZ, BAO5, § 260 Tz 8; VwGH 11.11.2010, 2010/17/0066).

Schriftliche (Bescheid-)Ausfertigungen bedürfen gemäß § 96, dritter Satz, BAO nämlich nur dann weder einer Unterschrift noch eines Beglaubigungsvermerkes, wenn sie automatisationsunterstützt, also maschinell und programmgesteuert (vgl. § 4 Z. 7 Datenschutzgesetz 2000 [DSG]), erstellt werden.

Weist ein Bescheid eine Registernummer des Datenverarbeitungsregisters mit der näheren Kennzeichnung „DVR“ auf, so ist daraus erkennbar, dass die gegenständliche Ausfertigung mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde und ihr daher auch ohne Unterschrift oder Beglaubigung Bescheidcharakter zukommt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO § 96, E44, Stand 01.08.2011, rdb.at).

Der Fall der „Erstellung“ der Ausfertigung einer Erledigung mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung liegt nicht schon dann vor, wenn bloß zur Vorbereitung einer Erledigung solche technischen Hilfsmittel herangezogen werden. Vielmehr muss das abgefertigte Schriftstück insgesamt mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt worden seien (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO § 96, E46, Stand 01.08.2011, rdb.at).

Die EU-Datenschutz-Grundverordnung ist ab dem 25. Mai 2018 gültig. Ab diesem Zeitpunkt entfällt die Verpflichtung zur Erstattung von DVR-Meldungen an die Datenschutzbehörde und es obliegt einem datenschutzrechtlichen Auftraggeber (künftig: „dem für die Verarbeitung Verantwortlichen“) unter gewissen, in Art. 30
DSG-VO genannten Voraussetzungen, die eigene Datenanwendungen im eigenen Verzeichnis zu verwalten sowie in bestimmten Fällen sogenannte Datenschutz-Folgeabschätzungen im Sinne des Art. 35 DSG-VG zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von bestimmten Datenanwendungen durchzuführen (aus ***).

Da somit bezogen auf den gegenständlichen Fall vor einer meldepflichtigen Datenanwendung vor Inbetriebnahme der Anwendung (noch) eine Meldung an das Datenverarbeitungsregister (DVR) erstattet werden musste, die gegenständliche, der Entscheidung des Gemeindevorstandes zu Grunde liegende Entscheidung des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 23.02.2017,

Zl. ***, obwohl bis zum 25.05.2018 erforderlich und vorgesehen, keine DVR- Nummer aufweist, weiters im Hinblick darauf, dass, wenn auch für die Erstellung des Bezug habenden Abgabenbescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde

*** offenkundig Textbausteine verwendet wurden, gegenständlich – individuell bezogen auf die von der Abgabenbehörde erster Instanz vorgenommenen Ermittlungen der Berechnungsflächen – individuell und nicht vollständig maschinell erfasste Einfügungen vorgenommen wurden, war festzustellen, dass es sich bei dem der Berufungsentscheidung zu Grunde liegenden Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 23.02.2017,

Zl. ***, nicht um eine automatisationsunterstützte Erledigung handelt.

Da diese Bezug habende Entscheidung der Abgabenbehörde erster Rechtsstufe ausschließlich eine elektronische Fertigung, nicht jedoch eine Unterschrift des die Entscheidung Genehmigenden bzw. einen Beglaubigungsvermerk aufweist, fehlt es dieser, der Berufungsentscheidung zu Grunde zu legenden Erledigung im Hinblick auf § 96 erster und zweiter Satz BAO am Bescheiderfordernis einer Unterschrift bzw. eines Beglaubigungsvermerkes, weshalb diese angefochtene Erledigung mangels Bescheidqualität keine Wirkung entfalten konnte.

Somit hätte die Berufung gegen diese Erledigung mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes durch den Gemeindevorstand der Marktgemeinde
*** als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Stattdessen hat die Berufungsbehörde, indem sie spruchgemäß der Berufung keine Folge gab, eine unzulässige Berufung inhaltlich erledigt.

Die inhaltliche Erledigung einer solchen unzulässigen Berufung anstelle der gebotenen Zurückweisung ist rechtswidrig, und hat der Gemeindevorstand somit eine Zuständigkeit zur inhaltlichen Entscheidung in Anspruch genommen, die ihm angesichts des fehlenden Bescheidcharakters der erstinstanzlichen Erledigung nicht zukam.

Unbeschadet der Rechtsfrage, ob im gegenständlichen Fall (ungeachtet der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten zivilrechtlichen Vereinbarung) überhaupt mangels erstmaliger Vorschreibung einer Wasseranschlussabgabe mit der Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe gemäß § 7
NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 vorgegangen werden kann, hatte das erkennende Gericht auf Grund der oben wiedergegebenen Sach- und Rechtslage die Unzuständigkeit des Gemeindevorstandes zur (inhaltlichen) Entscheidung über die eingebrachte Berufung aufzugreifen und war aus den bezeichneten Gründen die in Beschwerde gezogene Berufungsentscheidung spruchgemäß abzuändern.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache – soweit dies für die gegenständliche Entscheidung wesentlich wäre – nicht erwarten lässt.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Wasseranschlussabgabe; Ergänzungsabgabe; Bescheidqualität; automationsunterstützte Datenverarbeitung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.270.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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