TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/24 W122 2195727-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2018
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Entscheidungsdatum

24.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W122 2195727-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, XXXX , gegen den Spruchpunkt I.-VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2018, Zl. 1112220909-160568309/BMI-BFA_KNT_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.06.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger von der Volksgruppe der Tadschiken, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 21.04.2016 durchgeführten Erstbefragung durch die belangte Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass er in Afghanistan von seinem Vater verfolgt werde, dass sein Bruder mit der neuen Ehefrau seines Vaters eine Beziehung hätte und der Beschwerdeführer vermeintlich auch damit zu tun hätte. Nach einer Altersfeststellung wurden Zweifel an den Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsdatum bestätigt.

3. Am 28.11.2016 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde. Eine Kontrolle seines Mobiltelefons verhinderte der Beschwerdeführer vorab, indem er SIM-Karte und Akku entfernt hatte. Der Beschwerdeführer habe eines Nachts Schüsse gehört und seine Mutter wäre dann zu ihm gekommen und hätte ihm gesagt, dass er so schnell wie möglich das Haus verlassen solle und zu seinem Onkel mütterlicherseits gehen solle, weil der Vater des Beschwerdeführers den Bruder des Beschwerdeführers und jene junge Frau beim Sex erwischt hätte. Der Vater hätte auch den Beschwerdeführer umbringen wollen. Dies hätte der Beschwerdeführer von seiner Mutter erfahren, welche es wiederum von seinem Vater erfahren hätte. Eine Woche lang wäre der Beschwerdeführer bei seinem Onkel versteckt gewesen. Dieser hätte dann die weitere Flucht organisiert. Der Beschwerdeführer hätte in seinem Heimatland keine Schwierigkeiten mit den Behörden, keine Probleme aufgrund seiner Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit. Er hätte nie an Kampfhandlungen teilgenommen und wäre nie in Haft gewesen.

Auf die Nachfrage, wo die anderen Ehefrauenseines Vaters außer seiner Mutter und der jungen Frau gelebt hätten gab der Beschwerdeführer an, er wisse nicht wo die anderen Ehefrauen leben würden. Der Vater des Beschwerdeführers hätte eigene Häuser und Grundstücke gehabt und wäre bewaffnet. Hingewiesen auf die Unplausibilität des Geschlechtsverkehrs mit einer jungen Frau gegen seinen Willen reagierte der Beschwerdeführer mit einer Verallgemeinerung. Dass die junge Frau auch Sex mit seinem Bruder haben wollte wusste der Beschwerdeführer, da er gesehen hat, wie sie die Hand des Bruders gehalten hat und ihn berührt hätte. Nachdem der Vater den Bruder des Beschwerdeführers erschossen hätte wäre der Beschwerdeführer kurz aufgewacht und dann wieder eingeschlafen. Danach habe ihn seine Mutter aufgeweckt und gesagt, dass er fliehen solle. Der Beschwerdeführer habe weder Schreie noch Streitereien vernommen. Nach zwei Tagen hätte die Mutter ein Grundstück verkauft gehabt und wäre zum Onkel gekommen und habe diesem das Geld für die Flucht gegeben. Einerseits gab der Beschwerdeführer an, er wusste nicht, wie viel Zeit zwischen der Abgabe der Schüsse und dem Verlassen des Hauses vergangen sei und andererseits gab der Beschwerdeführer an, dass er um 02:30 eingeschlafen wäre. Als die Mutter den Vorfall bei der Polizei melden hätte wollen, hätte die Polizei diese nicht ernst genommen. Der Beschwerdeführer nannte das Datum, wann sein Vater die junge Frau geheiratet habe, konnte das Datum des vermeintlichen Mordes an seinem Bruder jedoch nicht nennen.

Der Beschwerdeführer legte keine Beweismittel vor.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde unter Spruchpunkt VII einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe drohe sowie, dass im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde. Die Ausweisungsentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK begründet.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 12.04.2018 zugestellt. Mit Schreiben vom 09.05.2018, eingebracht am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer im Wege eines der beiden oben angeführten bevollmächtigten Vereine gegen diesen Bescheid Beschwerde und stellte darin folgende Anträge bzw. gab folgende Anfechtungserklärung ab

"Das Bundesverwaltungsgericht möge

1) der Beschwerde stattgeben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkennen;

2) in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkennen;

3) In eventu feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und daher festzustellen ist, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung / plus vorliegen und daher gem. § 58 Abs 2 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG bzw. § 57 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist

4) oder den hier angefochtenen Bescheid an die Erstbehörde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverweisen; jedenfalls

5) wegen Gefahr in Verzug die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen 7 Tagen zuerkennen

6) zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens gem. § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen."

Begründend führte der Beschwerdeführer an, er wäre aus Angst von seinem Vater getötet zu werden aus Afghanistan geflüchtet. Der Beschwerdeführer wäre unbescholten. Bezüglich des Verfahrens im Umgang mit unerlaubten Suchtgiften hätte die Staatsanwaltschaft das Verfahren für ein Jahr zurückgelegt. Bezüglich des Verdachts der Körperverletzung und des Vergehens einer sexuellen Belästigung wäre es bis dato nicht zur Anklage gekommen. Der Beschwerdeführer hätte die Deutschprüfung A1 erfolgreich absolviert und die Deutschprüfung A2 abgelegt. In seiner freizeitspiele der Beschwerdeführer Fußball und spreche mit ihnen Deutsch, um seine Deutschkenntnisse zu verbessern.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätte die Rechtsnorm wonach eine Verwaltungsbehörde den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hätte, missachtet.

Das Ermittlungsverfahren wäre mangelhaft und das Bundesamt hätte eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen. Die Behörde würde dem Beschwerdeführer in Verkennung von Berichten Unglaubwürdigkeit vorhalten. Diese Feststellung erscheine willkürlich. Speziell mit Problemen für Rückkehrer nach Kabul hätte sich die Behörde nur unzureichend auseinandergesetzt. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers wäre aufgrund prekärer Sicherheitslage in Afghanistan nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer zitiert aus einem Themendossier von ecoi.net zur Sicherheitslage in Afghanistan und Kabul und Situation von Rückkehrern vom 09.10.2017 aktualisiert am 06.02.2018. So gebe es beispielsweise im ersten Halbjahr 2016 in Kabul 209 Tote durch Selbstmordattentate und Gebäudeattacken. Die Arbeitslosigkeit würde steigen und betreffe 40 % der Bevölkerung. Der Großteil der Bevölkerung in Kabul wohne in unsicheren und informellen Siedlungen, oft ohne Tür und Dach. Die Versorgungslage wäre prekär und "Rückkehr*innen" wären besonders betroffen - auch von Ernährungsunsicherheit. Die Infrastruktur Kabuls wäre überlastet. Es bestünde eine Diskrepanz zwischen offiziellen Angaben hinsichtlich medizinischer Leistungsangebote, die offiziell kostenlos sind und der Realität, die aus Schmiergeld und anderen versteckten Gebühren bestehen würde. Dasselbe gelte für Bildungseinrichtungen. Die Unterstützung für freiwillige Rückkehrer wäre minimal und ineffizient. Rückkehrer aus Europa würden vernachlässigt und ausgegrenzt werden. Im Jahr 2016 hätten nur 16 % der Rückkehrer von Rückkehrhilfe profitiert.

Ein IOM Paket würde Förderungen von € 1.000 - € 2.800 für Einzelpersonen anbieten. Mangels Telefon und mangels Geld für Verkehrsmittel würde dieses oft nicht in Anspruch genommen. Das Paket würde nicht reichen, um die Lebenshaltungskosten in Kabul zu finanzieren. Kabul wäre eine der teuersten Städte in Afghanistan. €

300 für die Unterkunft würden nur die Kosten für ein bis drei Monate decken. Die Quellenangabe dazu (Fußnote 41) ist in der Beschwerde nicht enthalten. Die Förderung wäre unzureichend, um sich in einer Stadt unter Zwang wieder zu akklimatisieren. Rückkehrer würden unterhalb der Armutsschwelle leben. Kabul und andere Provinzen wären von der Ankunft von über 625 000 Rückkehrern betroffen. Die Aufnahmekapazitäten Kabuls wären äußerst eingeschränkt. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit wäre dies von Relevanz. Afghanistan hätte nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs in keiner Weise ausreichende Strukturen, um die große Zahl an Rückkehrern zu versorgen. Rückkehrern aus Europa würde besonderes Misstrauen entgegengebracht werden. Ein typischer rückkehrender Flüchtling würde riskieren, in die Armut abzurutschen. Ein Artikel zur humanitären Lage von zurückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung würde die Zuwanderung in den Städten mit akuten Kampfhandlungen in Zusammenhang gebracht. Staatliche Institutionen würden versagen und kriminelle Organisationen wären an der Macht. Schließlich gebe es Naturkatastrophen.

Rückkehrer ohne Kontakte wären besonders benachteiligt. Kabul wäre als Hauptzielort der Rückkehrer seit 2001 von 500 000 auf geschätzte 5-7 000 000 Einwohner angewachsen. Der Aufbau der Infrastruktur hätte damit nicht Schritt halten können. Viele der Rückkehrer würden mit sozialer Exklusion konfrontiert werden.

Die Kaltmiete einer Wohnung läge zwischen $ 400 und 600. Man benötige außergewöhnliche Ressourcen. Die Annahme, dass junge gesunde Männer ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten wäre durch die derzeitige humanitäre Lage infrage gestellt. Das Entführungsrisiko für Rückkehrende wäre besonders hoch. Durch das Leben im Westen wären Rückkehrende besonders stigmatisiert. Rückkehrer wären den Risiken von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Eine Afghanistanexpertin des Max-Planck-Instituts hätte an 28.03.2018 begutachtet, dass alleine aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan die Gefahr bestünde, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden. Für einzelne fremde und verfolgte wäre eine Neuansiedlung kategorisch ausgeschlossen.

Die Behörde hätte aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und einer mangelhaften Beweiswürdigung unrichtige Feststellungen getroffen.

Die Annahme der Unglaubwürdigkeit basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung. Bei gesetzmäßiger Führung des Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde entscheidungsrelevante Tatsachen erhoben und dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen müssen.

Im Zuge der Erstbefragung dürften Asylwerber nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden. Daraus folge, dass Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme nicht berücksichtigt werden dürften. Weiters müsse der psychische Zustand des Beschwerdeführers berücksichtigt werden.

Zum Vorhalt, dass der Beschwerdeführer bezüglich seiner Lebensumstände in Afghanistan widersprüchliche Angaben gemacht hätte, werde entgegengehalten, dass es diesbezüglich zu Missverständnissen gekommen wäre. Der Beschwerdeführer hätte angenommen, die Behörde hätte gefragt ob er eine Ausbildung gemacht hätte bzw. in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis gestanden wäre. Daher hätte der Beschwerdeführer die Frage Ober gearbeitet hätte verneint. Der Beschwerdeführer hätte nur für ein paar Monate als Aushilfe gearbeitet.

Zum Vorhalt hinsichtlich falscher Angaben betreffend Umgang mit Suchtgift werde entgegengehalten, dass der Beschwerdeführer die Frage falsch verstanden hätte. Er hätte angenommen, dass die Behörde gefragt hätte, ob er süchtig wäre. Der Beschwerdeführer hätte nur einmal Marihuana geraucht.

Zum Vorhalt hinsichtlich widersprüchlicher Angaben darüber, ob er einen Schuss oder mehrere Schüsse gehört hätte, hält der Beschwerdeführer entgegen, dass er nur einen Schuss gehört hätte. Betreffend lauter Schreie oder Streitereien gab der Beschwerdeführer an, dass die Zimmer in unterschiedlichen Stockwerken gelegen wären.

Der Beschwerdeführer wäre in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt.

Zuspruch.1 führte der Beschwerdeführer an, dass er glaubhaft und nachvollziehbar vorgebracht hätte, dass er in seinem Herkunftsland verfolgt werde. Es drohe ihm die Verfolgung durch seinen Vater und eine Gefährdung aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage. Der Beschwerdeführer wäre im wehrfähigen Alter und würde in mehrere Risikoprofile passen.

Eine Rückkehr nach Afghanistan wäre dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, da diese ihn in eine existenzbedrohende Lage versetzen würde. Die Eigenschaft, jung, arbeitsfähig und gebildet zu sein würde den Beschwerdeführer nicht vor einer Verfolgung durch seinen Vater schützen. Der Beschwerdeführer hätte keinen Kontakt zu seiner Familie und werde von seinem Vater bedroht. Er würde binnen kurzer Zeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten.

Zu Spruchpunkt III führte der Beschwerdeführer an, dass er unbescholten wäre. Er hätte bereits eine Deutschprüfung erfolgreich absolviert und eine weitere abgelegt. Er spielen seiner Freizeit mit österreichischen Freunden Fußball und würde sich mit diesen in der deutschen Sprache unterhalten. Eine Rückkehrentscheidung würde einen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat und Familienlebens darstellen.

Weiters verwies der Beschwerdeführer zu Spruchpunkt VII. auf die Sicherheitslage in Afghanistan.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.06.2018 in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der er ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Auffällig war dabei, dass der Beschwerdeführer auch nach mehreren Versuchen sowohl des Richters als auch der Rechtsvertreterin ihn bezüglich der Wichtigkeit dieser Angaben zu belehren,

Der Beschwerdeführer reagierte bei der Befragung regelmäßig mit Gegenfragen, zögerte mit suchendem Blick die Beantwortungen überlange hinaus und reagierte auf die Frage nach dem Begräbnis seines angeblich vom eigenen Vater getöteten Bruders mit einem unterdrückten Lächeln. Dem Beschwerdeführer wäre es gleichgültig ob er nach Kabul oder in seine Heimatstadt zurückkehren würde. Sein Vater würde ihn überall finden. Wie er das machen würde konnte der Beschwerdeführer nicht angeben. Der Beschwerdeführer wisse nicht wie Kabul ist, der Beschwerdeführer wisse nicht, was ein Zimmer in Kabul kosten würde. Mit der Rechtsvertreterin wurde im Zuge der Verhandlung die Situation der Rückkehrer in Afghanistan schriftlich und mündlich erläutert.

Der Beschwerdeführer wäre in Österreich nicht ehrenamtlich tätig, nicht erwerbstätig, spiele in einem Verein Fußball und hätte keine besonderen Bindungen zu Österreich. Bezüglich seines Drogenkonsums machte der Beschwerdeführer verschiedene Angaben. Betreffend einer Schlägerei gab der Beschwerdeführer an, selbst nicht geschlagen zu haben. Betreffend einer sexuellen Belästigung gab der Beschwerdeführer an, das Mädchen nur am Arm genommen zu haben und "Hallo" gesagt zu haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer

1.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der männliche, ledige, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer (ohne Obsorgepflichten) wurde spätestens im Jahr XXXX geboren, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschicken an und bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Richtung. Er hat zehn Jahre lang in XXXX , Afghanistan, die Schule besucht. Er spricht Dari und ein wenig Deutsch. Er ist in der afghanischen Gesellschaft aufgewachsen und mit der Kultur und der Sprache vertraut.

1.1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, wonach sein Vater ihn umbringen wolle, da er einmaligen sexuellen Kontakt mit einer der Frauen seines Vaters gehabt hätte, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer war nicht imstande, sein Fluchtvorbringen in einem Detailierungsgrad zu schildern welches den Eindruck vermittelt, dass er diese Geschichte selbst erlebt habe. Der Beschwerdeführer vermittelte keine optischen, akustischen oder gefühlsbezogenen Schilderungen seiner Erlebnisse, die seine Flucht begründet haben sollten. Befragt nach seinem Fluchtvorbringen antwortete der Beschwerdeführer mit Pauschalierungen, Verallgemeinerungen Verkürzungen und Gegenfragen. Details die für eine erlebte Erinnerung typisch sind brachte der Beschwerdeführer nicht vor.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht verfolgt wird.

1.1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

In Österreich hat er Deutschkurse besucht und die Prüfung in A2 lediglich im Teil Sprechen positiv, in den Teilen Hören, Lesen, Schreiben und insgesamt negativ absolviert. Er spielte in XXXX Fussball, ist aber in keinem Verein gemeldet. Er zeigt sonst keine gesellschaftlichen Aktivitäten und geht auch keiner geregelten Arbeit nach.

Der aufenthaltsrechtliche Status des Beschwerdeführers in Österreich beruhte ausschließlich auf seiner vorläufigen Stellung als Asylwerber. Er wohnte in einer von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Unterkunft für Asylwerber und befand sich in Grundversorgung. Er hat keine Familienangehörigen in Österreich. Seine Familienangehörigen befinden sich nach wie vor in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich bislang nicht rechtskräftig verurteilt worden. Dies ergibt sich aus einer Datenabfrage im EKIS am 18.05.2018. Verdächtigt wurde der Beschwerdeführer hinsichtlich einer sexuellen Belästigung, einer Körperverletzung und eines Drogendeliktes. Das Verfahren hinsichtlich des Verdachts auf Körperverletzung wurde eingestellt. Das Verfahren hinsichtlich des Verdachts, einer 15-jährigen Schülerin im Zug zwischen Linz und XXXX unvermittelt auf die Brust gegriffen zu haben, wurde gemäß Anfragebeantwortung des BG XXXX nach §§ 427, 197 StPO abgebrochen, da die Ladung dem Beschwerdeführer nicht zugestellt werden konnte. Von der Verfolgung des Drogendeliktes (Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch) ist die Staatsanwaltschaft vorläufig für ein Jahr zurückgetreten.

1.1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

In der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, XXXX , ist die Sicherheitslage derzeit relativ friedlich.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Sicherheitslage in Herat nicht ausreichend sicher wäre, würde sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb der Provinz Herat, insbesondere in der Stadt Kabul, die über den Luftweg sicher erreichbar ist, dem Beschwerdeführer kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen; er liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Des Weiteren ist die Stadt Kabul unter Kontrolle der afghanischen Regierung, die Lage in Kabul ist relativ sicher, ungeachtet der dort immer wieder stattfindenden terroristischen Anschläge gegen einzelne Ziele, vor allem solche, die mit der Staatsmacht, den internationalen Akteuren oder religiösen Feierlichkeiten oder Zeremonien der Minderheitsreligionen (zB der Schiiten) in Zusammenhang gebracht werden. Die wirtschaftliche Lage ist schwierig; die Gründung einer Existenz ist für alleinstehende, arbeitsfähige, erwachsene männliche Afghanen aber möglich.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 samt Aktualisierungen bis Dezember 2017 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

Sicherheitslage

Allgemeines

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten - speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan, 17.2.2017).

Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S.-amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies bedeutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, den Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand) sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive ‚Operation Omari' im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstützte Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen wie dem Islamischen Staat waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter -, der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; es finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani-Netzwerks sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit, eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Camp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100 - 300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300 - 500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzentrierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: In den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (IED) und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivile Opfer (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffen auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte) sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfe zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Sicherheitsbehörden

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: Der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei, die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums. Die afghanische Lokalpolizei (ALP) sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit [APPF] und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung [CNPA]) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang es, im August 2016 mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police [ANP]) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion sowie den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere, die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene, die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist es, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten, indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

Resolute Support Mission

Die ‚Resolute Support Mission' ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram) mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham-Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Provinz Kabul

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: Afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen sowie Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban-Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstöße zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Religionsfreiheit

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7 - 89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch:

CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte. Dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express 16.5.2012).

Tadschiken

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (GIZ 1.2017). Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Der Hauptführer der ‚Nordallianz', eine politisch-militärische Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah, dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Paschtune ist. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud war. Mittlerweile ist er ‚Chief Executive Officer' in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016). Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch-iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4% der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschafte

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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