TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/25 G303 2175597-1

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Veröffentlicht am 25.07.2018
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Entscheidungsdatum

25.07.2018

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

G303 2175597-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch Mag. Gottfried STOFF, Rechtsanwalt in 8010 Graz, gegen den Bescheid vom 21.04.2017, OB: XXXX, des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2017 und Vorlageantrag vom 31.10.2017, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2017 wird ersatzlos behoben.

II. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 06.11.2015 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein.

Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme dieser genannten Zusatzeintragung gewertet.

2. Dem BF wurde ein bis zum 31.01.2017 gültiger Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 80 von Hundert und der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" (Passnummer XXXX) ausgestellt. Des Weiteren wurde dem BF ein Ausweis gemäß § 29b StVO (Nr. XXXX) ausgestellt.

3. Am 27.01.2017 stellte der BF bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis). Da der BF lediglich im Besitz eines bis zum 31.01.2017 befristeten Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme dieser genannten Zusatzeintragung gewertet.

4. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 09.04.2017 eingeholt. Danach betrage der Gesamtgrad der Behinderung 70 von Hundert.

5. Mit formlosen Schreiben vom 13.04.2017, OB: XXXX, teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 70 % festgestellt worden sei und dass der Behindertenpass unbefristet ausgestellt werde.

6. Dem BF wurde sodann mit Schreiben der belangten Behörde vom 14.04.2017 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 % ausgestellt.

7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.04.2017, OB: XXXX, wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vom 27.01.2017 zurückgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass bereits mit Bescheid vom 13.04.2017 über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtskräftig entschieden worden sei. Eine offenkundige Änderung der Funktionsbeeinträchtigung (en) sei bei der Antragstellung am 27.01.2017 nicht glaubhaft geltend gemacht worden. Als Rechtsgrundlage führte die belangte Behörde § 41 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) an, wonach Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen sind, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Da gegenständlich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei und der BF eine offenkundige Änderung seiner Gesundheitsschädigungen nicht glaubhaft geltend machen konnte, sei der Antrag zurückzuweisen.

8. Mit am 06.06.2017 bei der belangten Behörde eingelangtem Schriftsatz erhob der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21.04.2017.

9. Im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens holte die belangte Behörde eine Stellungnahme von XXXX ein. In der Stellungnahme vom 03.08.2017 führte der Sachverständige zusammengefasst aus, dass aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

10. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 07.08.2017, OB: XXXX, wies die belangte Behörde die Beschwerde ab, da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden.

10.1. Die belangte Behörde übermittelte die Beschwerdevorentscheidung direkt an den BF.

10.2. Am 25.09.2017 teilte der ausgewiesene Rechtsvertreter des BF der belangten Behörde fernmündlich mit, dass ihm die Beschwerdevorentscheidung vom 07.08.2017 von der belangten Behörde nicht zugestellt worden sei.

11. Mit neuerlicher Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2017, OB XXXX, wies die belangte Behörde die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 21.04.2017 ab. Diese Beschwerdevorentscheidung wurde an den ausgewiesenen Rechtsvertreter des BF zugestellt.

12. Mit Schriftsatz vom 31.10.2017 erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht einen Vorlageantrag.

13. Die gegenständliche Beschwerde, die Beschwerdevorentscheidungen, der Vorlageantrag und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 07.11.2017 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist aus der Schilderung des Verfahrensgangs ersichtlich. Daher wird der gesamte, unter I. angeführte, Verfahrensgang zu Feststellungen erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang und die gleichlautenden Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie nunmehr aus dem vorliegenden Gerichtsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

3.2. Zur Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung:

Die belangte Behörde wies mittels Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2017 die Beschwerde des BF ab, da die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden.

Nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung erhob der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung einen Vorlageantrag, der am 31.10.2017 per-Mail an die belangte Behörde übermittelt wurde.

§§ 14 und 15 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, lauten wie folgt:

"§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen."

Gemäß § 46 2. Satz BBG beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abweichend vom § 14 Abs. 1 VwGVG zwölf Wochen.

Die zwölf-wöchige Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der belangten Behörde. Erfolgt keine fristwahrende Erlassung der Beschwerdevorentscheidung ist die Beschwerdevorentscheidung mit Unzuständigkeit belastet (vgl. Gruber in Götzl/Gruber/Reisner/Winker, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 14 VwGVG, Anm 11 f). Unzuständigkeit ist von amtswegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (VwGH 21.01.1992, Zl. 91/11/0076).

Die Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid langte am 06.06.2017 bei der belangten Behörde ein. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung fing somit am 06.06.2017 zu laufen an und endete mit Ablauf des 29.08.2017.

Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung endete daher mit Ablauf des 29.08.2017. Die Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2017 wurde somit von einer unzuständigen Behörde erlassen und ist schon aus diesem Grund rechtswidrig, weshalb diese von amtswegen ersatzlos zu beheben war.

Zur Beschwerdevorentscheidung vom 07.08.2017 ist auszuführen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die ordnungsgemäße Zustellung des betreffenden Dokuments (§ 2 Z 2 Zustellgesetz [ZustG]) Voraussetzung für die Erlassung und damit für die rechtliche Existenz eines schriftlichen Bescheides ist (siehe VwGH 20.03.2001, Zl. 2000/11/0336; 26.06.2001, Zl. 2000/04/0190; 29.04.2010, Zl. 2008/21/0589). Adressat der Beschwerdevorentscheidung vom 07.08.2017 war jedoch nicht der ausgewiesene Rechtsvertreter des BF (Vollmacht gemäß § 8 Rechtsanwaltsordnung [RAO] vom 06.06.2017), sondern der BF persönlich. Die Beschwerdevorentscheidung, datiert mit 07.08.2017, wurde dem ausgewiesenen Rechtsvertreter nie zugestellt. Die Beschwerdevorentscheidung vom 07.08.2017 wurde somit nicht erlassen und ist mangels Erlassung rechtlich nicht existent.

3.3. Zur Aufhebung des die Zurückweisung des Antrages vom 27.01.2017 aussprechenden Bescheides:

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. ua VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115; 18.12.2014, Ra 2014/07/0002).

Es ist daher im vorliegenden Fall allein entscheidungswesentlich, ob die Zurückweisung des Antrags vom 27.01.2017 durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 21.04.2017, mit der Begründung, dass bereits mit Bescheid vom 13.04.2017 über den Antrag des BF rechtskräftig entschieden worden sei und somit seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei, zu Recht erfolgte.

In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetzes - BBG), BGBl. I Nr. 283/1990, in der geltenden Fassung, anzuwenden.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind gemäß § 41 Abs. 2 BBG ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Das formlose (Informations-)Schreiben der belangten Behörde vom 13.04.2017 stellt keinen Bescheid mit dem rechtskräftig über den Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung"vom 27.01.2017 entschieden wurde dar.

Dem mit Schreiben vom 14.04.2017 ausgestellten Behindertenpass kommt zwar ex lege Bescheidcharakter zu, doch wurde dadurch nicht über den Antrag auf Eintragung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" entschieden, da gemäß § 58 Abs. 2 AVG Bescheide zu begründen sind, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Dies ist gegenständlich hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht erfolgt.

Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 41 Abs. 2 BBG lagen unabhängig davon auch deshalb nicht vor, da die Antragstellung am 27.01.2017 erfolgte und zu Antragstellung aufgrund der zeitlichen Abfolge noch gar nicht die seitens der belangte Behörde rechtlich falsch gedeutete "rechtskräftige Entscheidung" von 13.04.2017 bestanden hat.

Der bekämpfte Bescheid vom 21.04.2017 war daher aufgrund seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann. Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen insbesondere die Unzuständigkeit der Behörde, das Fehlen eines verfahrenseinleitenden Antrags, die Unzulässigkeit des Einschreitens von Amts wegen oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrages (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 17 und 18 zu § 28 VwGVG mwN).

Als Folge der Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 21.04.2017 tritt das Verfahren in den Zustand vor Bescheiderlassung zurück und ist der Antrag des BF hinsichtlich der Zusatzeintragung vom 27.01.2017 (wieder) unerledigt. Die belangte Behörde wird sohin im weiteren Verfahren den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" (bzw. Ausstellung eines Parkausweises) inhaltlich zu prüfen haben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beschwerdevorentscheidung, Frist, Rechtswidrigkeit, Unzuständigkeit,
Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2175597.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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