TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/25 W264 2173678-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs4b
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W264 2173683-1/6E

W264 2173680-1/6E

W264 2173682-1/5E

W264 2173678-1/4E

W264 2173681-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Einzelrichterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.9.2017, Zahl:

1101382610-160037087, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.4.2018, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 4 iVm § 3 Abs 4b AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 25.7.2021 erteilt.

Gemäß § 3 Abs 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Einzelrichterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers (BF1) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.9.2017, Zahl:

1101382501-160037079, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.4.2018, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 4 iVm § 3 Abs 4b AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 25.7.2021 erteilt.

Gemäß § 3 Abs 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Einzelrichterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER über die Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin (BF3) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.9.2017, Zahl:

1101382806-160027109, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.4.2018, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 4 iVm § 3 Abs 4b AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 25.7.2021 erteilt.

Gemäß § 3 Abs 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Einzelrichterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER über die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers (BF4) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.9.2017, Zahl:

1169564303-171103972, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.4.2018, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 4 iVm § 3 Abs 4b AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 25.7.2021 erteilt.

Gemäß § 3 Abs 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Einzelrichterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER über die Beschwerde des Fünftbeschwerdeführers (BF5) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.9.2017, Zahl:

1101382708-160027095, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.4.2018, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 4 iVm § 3 Abs 4b AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 25.7.2021 erteilt.

Gemäß § 3 Abs 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführer BF1 bis BF5 sind afghanische Staatsangehörige. BF1 bis BF3 und BF5 reisten unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten am 9.1.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG). Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD Wien unter Beiziehung eines Dolmetsch für die Sprache Dari wurde angegeben, dass der BF1 aufgrund seines Glaubens (Schiit) von den Taliban mit dem Tod bedroht worden wäre und aus Angst und wegen schlechter Sicherheitslage die Familie das Land verlassen habe. Der BF1 gab an, er fürchte den Tod durch die Taliban und stelle er den Asylantrag auch für seine minderjährigen Kinder XXXX (BF3) und XXXX (BF5).

Die BF2 gab befragt nach dem Fluchtgrund an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht sei und sie als Frau nicht alleine aus dem Haus gehen durfte. Aus Angst um das Leben ihrer Kinder haben sie beschlossen, das Land zu verlassen.

1.2. Am 19.9.2017 wurde die Niederschrift vor dem BFA mit dem BF1 aufgenommen und gab er an, vor 10 Jahren in Afghanistan als Taxifahrer von den Taliban belästigt worden zu sein, da diese von ihm eine Zusammenarbeit begehrt hätten. Er sei dann ausgereist und habe bis zu seiner Ausreise nach Europa mit seiner Familie im Iran gelebt.

1.3. Am 19.9.2017 wurde die Niederschrift vor dem BFA mit der BF2 aufgenommen und gab sie als fluchtauslösendes Moment an, dass es in jener afghanischen Stadt, wo sie lebten, keine Sicherheit gab, sie hätten das Haus nicht oft verlassen dürfen und die Kinder hätten nicht zur Schule gedurft. Vor ungefähr 11 Jahren hätten Taliban auf ihren Ehemann, den BF1, Druck ausgeübt. Er hätte mit diesen aber nicht zusammengearbeitet. Sonst hätte es in Afghanistan keine besonderen Ereignisse gegeben. Sie verneinte Probleme mit der Polizei, den Behörden oder anderen staatlichen Stellen in Afghanistan betreffend ihre Person und sei dort nie Mitglied einer Partei, einer parteiähnlichen oder einer terroristischen Organisation gewesen. Sie sei nie in Haft oder festgenommen gewesen und sei in Afghanistan auch nicht ein Gerichtsverfahren gegen sie anhängig. Sie habe dort keine Strafrechtsdelikte begangen.

1.4. Der BF4 kam am XXXX in Österreich zur Welt.

1.5. Mit den im Spruch näher bezeichneten Bescheiden wurden die Anträge der BF1 bis BF5 auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und hinsichtlich Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

1.6. Dagegen richtete sich die Beschwerde der BF1 bis BF5, welche mit Schriftsatz des Rechtsvertreters Mag. Bitsche dem BFA per E-Mail übermittelt wurden und am 12.10.2017 einlangte. Moniert wurde darin, dass die Bescheide zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts als auch wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften bekämpft werden und wurde darin dazu näher ausgeführt.

1.7. Der bezughabenden Akte wurde dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt und langten am 17.10.2017 ein.

1.8. Am 17.4.2018 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertretung Mag. Ziegelbecker, BA für Rechtsanwaltskanzlei Mag. Bitsche, der BF1, die BF2 und die BF3 angehört wurden.

Der BF1 führte als Fluchtgrund aus, dass er Afghanistan verlassen habe, da er in der Provinz Logar als Taxifahrer von den Taliban aufgefordert worden sei, Waffen zu transportieren. Er habe dies verweigert und nach zwei- bis dreimaliger Bedrohung habe er mit seiner Frau die Flucht angetreten. Die Taliban hätten ihm nicht mit Repressalien gedroht, der BF1 habe nicht direkt nein gesagt, da die Taliban ihn sonst umgebracht hätten, so der BF1. Er habe den Taliban gesagt, er müsse darüber nachdenken. Er sei mit diesen Taliban im gleichen Dorf aufgewachsen. Wenn er die Provinz gewechselt hätte, hätten ihn diese gefunden und bestraft, so der BF1. Überall seinen Handys gegenwärtig, die Taliban würden innerhalb von ein paar Tagen es schaffen, jemanden auszuforschen.

Auf Befragen, ob es noch Gründe gäbe, weshalb er aus Afghanistan weggegangen sei, gab der BF1 an, dass seine Frau und die Töchter keine Freiheiten in Afghanistan gehabt hätten. Diese hätten eine Burka tragen müssen. Seine Mädchen hätten eine Schule für Mädchen besucht, von welcher die Taliban nichts gewusst hätten. Eine andere Tochter von ihnen sei in Schweden mit einem Mann, welchen sie im Iran kennengelernt habe, verheiratet. Sie habe sich den Ehemann selbst aussuchen dürfen, er sei nicht gegen die Heirat gewesen. Die Richterin begehrte die Antwort auf die Frage: "Wenn diese Tochter käme und sagen würde, sie könne mit ihrem Ehemann nicht mehr leben. Würden Sie Ihre Tochter wieder nach Schweden schicken?" und antwortete der BF1 gepaart mit einer Abwehrhaltung der Hände: "Nein, nein, nein. Es wäre ihre Sache. Ich sage ihr: Es ist deine Entscheidung, ob du dich scheiden lässt oder nicht" und fuhr er mit einem Lächeln fort: "Sie liebt ihren Mann".

Die Kinder BF3 bis BF5 hätten die gleichen Fluchtgründe wie er, so der BF1 vor dem BVwG und fuhr er fort: "Meine Kinder hatten keine Freiheit, weder im Iran, noch in Afghanistan. Im Iran musste meine Tochter ein Kopftuch tragen". Auf Befragen ob seine Tochter in Österreich anders leben dürfe, gab er zur Antwort "Sie lebt in Freiheit, sie kann hier schwimmen gehen, Rad fahren, etwas lernen und außerdem lebt sie in Freiheit hier. In Logar war das nicht möglich". Sie gehe mit Freunden einkaufen.

Der BF1 verneinte in Afghanistan je aufgrund seiner Volksgruppe und / oder seiner Religionszugehörigkeit verfolgt oder bedroht worden zu sein. Er sei im Herkunftsstaat weder Mitglied einer Partei, noch politisch tätig gewesen und sei nur während seiner Militärzeit wegen Verschlafens für drei Tage inhaftiert gewesen. Er sei weder vorbestraft, noch werde er mit staatlichen Fahndungsmaßnahmen gesucht. Er verneinte in Afghanistan je Probleme mit Behörden, der Polizei oder einem Gericht gehabt zu haben und dort auch niemals von irgendjemandem wegen Blutfehde oder Racheakten verfolgt oder bedroht worden zu sein. Er sei außer von den Taliban, nicht von sonst jemandem bedroht worden.

Befragt, ob er heute noch in Afghanistan gewesen wäre, wenn der Vorfall mit den Taliban nicht passiert wäre, gab er an, ohnehin gewollt zu haben, das Land zu verlassen. "Meine Frau und die Kinder hatten dort keine Freiheit. Es ging auch um die Schule", so der BF1. Er sei nun glücklich, wenn seine Frau einkaufen gehen könne, so der BF1. Seine Frau habe den Wunsch als Friseurin zu arbeiten, so der BF1 und sei sie hier in Österreich der Haushaltsvorstand und verwalte das Geld. Er und seine Frau würden sich gemeinsam um die Kinder kümmern.

Auf Befragen der Vertreterin "Was würden Sie sagen, wenn Ihre Tochter einen Österreicher heiraten würde?" gab der BF2 zur Antwort:

"Es ist ihre Entscheidung".

Auf Befragen der Richterin "Was würden Sie sagen, wenn Ihre Tochter nach Hause käme und sagt, sie möchte einen Ägypter heiraten?" antwortete der BF1: "Es ist ihre Entscheidung".

Auf Befragen der Vertreterin "Was würden Sie sagen, wenn Ihre Tochter nach Hause käme, und sagt, sie möchte gerne Christin werden?" antwortete er "Das ist ihre Sache".

Auf Befragen der Vertreterin "Hatten Sie ein Problem damit, als Ihre Tochter nach Wien mit der Schule gefahren ist?" gab der BF1 an:

"Nein, das ist kein Problem. Meine Tochter wollte einen Reisepass haben, um mit der Schule in Nachbarländer zu fahren".

Der BF1 berichtete auch über sein Leben in Iran, wo er gemeinsam mit der BF2 und BF3 bis BF4 über einen Zeitraum von 10 Jahren aufhaltig war. Dort sei ihm vorgeschlagen worden, im Syrienkrieg zu kämpfen und als Gegenleistung Aufenthaltsdokumente zu erhalten sowie pro Monat einen Betrag von 2,5 Mio. Toman, verbunden mit der Zusage, dass seine Kinder eine Schulbildung erhalten würden.

Die BF2 brachte ihre Fluchtgründe vor und berichtete, dass ihr Gatte, der BF1, als Taxifahrer tätig gewesen sei und die Taliban von ihm verlangt hätten, dass er für diese Waffen transportieren und mit diesen kooperieren solle. Er habe dies abgelehnt, woraufhin die Taliban ihn bedroht hätten und sodann die Familie geflüchtet sei. Die Schiiten und die Said seien in Afghanistan nichts wert, so die BF2. Sie selbst sei in Afghanistan nie von irgendjemandem bedroht worden und hätten die Kinder BF3 bis BF5 die gleichen Fluchtgründe wie sie. Sie sei weder wegen der Religions-, noch wegen der Volksgruppenzugehörigkeit in Afghanistan bedroht oder verfolgt worden und sei dort weder Parteimitglied, noch politisch tätig gewesen. Sie sei in Afghanistan nie in Haft gewesen und auch nicht vorbestraft oder per staatlicher Fahndungsmaßnahme gesucht und habe auch nie Probleme mit Behörden, Polizei oder Gerichten gehabt. Es habe sie niemals irgendjemand wegen Racheakten oder Blutfehde verfolgt oder bedroht. Die Frage, ob sie im Herkunftsstaat jemals weil sie eine Frau ist, bedroht oder verfolgt wurde, beantwortete sie zunächst mit "Die Frauen haben keine Freiheit in Afghanistan" und verneinte auf nochmalige Nachfrage eine solche Verfolgung.

Hier in Österreich habe sie ihre Freiheit und fühle sich sehr wohl und gehe selbst einkaufen, schwimmen, Radfahren. In Afghanistan würden Frauen zuhause bleiben.

In Afghanistan gäbe es keine Sicherheit sie habe dort nicht bleiben wollen. Ihre Kinder sollten hier eine Zukunft haben und etwas lernen. Sie wolle Friseurin werden und die dafür notwendige dreijährige Ausbildung machen. Hier suche sie sich die Kleidung aus, in Afghanistan habe sie nicht hinausgehen können und jene Kleidung getragen, welche ihr Mann gekauft habe. Sie habe einen Wertekurs besucht und dort gelernt, dass Mann und Frau gleichwertig sind. Für den Fall der Rückkehr habe sie in Afghanistan kein Haus, kein Geld und es herrsche Krieg und könne die Tochter dort die Schule nicht besuchen. Dort wo sie gelebt hatten, sei die Sicherheitslage schlecht gewesen. Sie wolle, dass ihre Kinder in Ruhe und Frieden und Freiheit leben können, so die BF2.

Die BF2 berichtete, dass die in Schweden befindliche Tochter ihren nunmehrigen Ehemann im Iran kennengelernt und ihn sich auch selbst ausgesucht habe.

Die Vertreterin begehrte die Antwort auf die Frage "Wie wäre es für Sie, wenn Ihre Tochter einen Österreicher heiraten würde?" und gab die BF2 darauf an: "Das wäre egal. Sie entscheidet selbst".

Auf Befragen der Richterin: "Wenn Ihr Sohn nach Hause käme und Ihnen sagen würde, dass er sich in einen Mann verliebt hätte. Wie würden Sie reagieren? Was würden Sie sagen?" gab die BF2 an: "Ich würde ihm sagen: Es ist Dein Leben."

Die BF3 als mündige Minderjährige wurde ebenso angehört. Sie gab an, sich an die Zeit in Afghanistan nicht mehr erinnern zu können, da sie damals zu klein gewesen sei. Über die Fluchtgründe ihrer Eltern wisse sie nichts, weil diese nicht wollten, dass die Kinder "Stress bekommen". Auch sie gab an, dass ihre große Schwester sich ihren Mann selbst ausgesucht hatte. Für den Fall der Rückkehr befürchte sie, dass sie immer zuhause sein müsse. Man habe als Frau oder Mädchen keinen Spaß und keine Freiheit und man müsse immer Angst vor den Männern haben.

Wenn sie bleiben dürfte, würde sie ab kommendem Jahr die Caritas-Schule besuchen, die Matura absolvieren. Bei ihnen zuhause sei "Mama der Chef".

1.9. Folgende Unterlagen wurden dem Gericht am 17.4.2018 vorgelegt:

* Schulnachricht der VS XXXX für XXXX (BF5) über das Schuljahr 2017/18

* Bestätigung Deutschkurs betreffend XXXX (BF1), Dezember 2017

* ÖSD Zertifikat A1 betreffend XXXX (BF2), "bestanden" 63 von 100 Punkten

* Bestätigungen Deutschkurs betreffend XXXX (BF2) vom 24.10.2017, 21.12.2017 und 19.12.2016

* Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs betreffend XXXX (BF2) vom 9.2.2018

* Schreiben der VS XXXX , Dipl-Päd. XXXX und VTL XXXX , betreffend XXXX (BF5), worin sein schulisches Fortkommen und sein Auftreten im Klassenverband und seine Lernfortschritte dokumentiert sind

* Schreiben der VS-Dipl-Päd. XXXX , betreffend XXXX (BF5), worin sein schulisches Fortkommen und sein Auftreten im Klassenverband und seine Lernfortschritte dokumentiert sind

* Empfehlungsschreiben der XXXX vom 10.4.2018 für die Gesamtfamilie und dem Bericht, dass die BF2 ( XXXX ) beim Projekt "Trag was bei" an einem Nähkurs teilnahm

* Schreiben der NMS XXXX , Schulleiter XXXX , BEd, vom 10.4.2018 betreffend XXXX (BF3), worin ihr schulisches Fortkommen und ihr Auftreten im Klassenverband und seine Lernfortschritte dokumentiert sind

* Schulnachricht der NMS XXXX für XXXX (BF3) über das Schuljahr 2017/18 mit aufgedrucktem Stempel "Bildungszentrum XXXX , dreijährige Fachschule für Sozialberufe, Schule für Sozialbetreuungsberufe, 12.4.2018

* Schreiben der Lehrerin XXXX betreffend XXXX (BF3)

* Schreiben von XXXX betreffend XXXX (BF3)

* Schreiben von XXXX betreffend XXXX (BF3)

* Schreiben von XXXX betreffend XXXX (BF3)

* Schreiben von XXXX betreffend XXXX (BF3)

* Schreiben von XXXX betreffend XXXX (BF3)

* Englischsprache Kopie" In the name of God - Employment certificate, unleserlicher Firmierung betreffend XXXX (BF1)

* Lichtbilder betreffend XXXX (BF1), teilweise über seine bereits verrichteten ehrenamtlichen Tätigkeiten (Flurreinigung beim Naturschutzbund) und Mitarbeit beim Roten Kreuz XXXX

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Nach ganzheitlicher Würdigung des individuellen Vorbringens wird unter Berücksichtigung des unbestrittenen Inhalts der die Beschwerdeführer BF1 bis BF5 betreffenden Fremdakte und der in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben sowie der dem Gericht vorgelegten Beweismitteln festgestellt wie folgt:

1.1. Feststellungen zur Person der jeweiligen Beschwerdeführer BF1 bis BF5 und deren Fluchtgründen:

1.1.1. Die Identität der Beschwerdeführer BF1 bis BF5 steht mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest. Die Beschwerdeführer BF1 bis BF5 sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan.

1.1.2. Die Beschwerdeführer BF1, BF2, BF3 und BF5 haben den Antrag auf internationalen Schutz am 9.1.2016 gestellt, somit nach dem 15.11.2015.

1.1.3. Der BF4 ist am XXXX in Österreich zur Welt gekommen.

1.1.4. Die BF1 bis BF5 sind aus der Provinz Logar stammend, die BF2 ist ursprünglich aus Kabul stammend. Die BF1 bis BF5 sind der Volksgruppe der Sayed zugehörig und schiitischen Glaubens. Der BF1 ist der Ehemann der BF2. Die mündige minderjährige BF3 sowie die unmündigen minderjährigen BF 4 und BF5 sind deren Kinder.

1.1.5. Der BF1 leidet an Diabetes Mellitus. Die BF2 bis BF5 sind gesund. Die BF2 ist eine erwerbsfähige Frau.

1.1.6. Die Beschwerdeführer bemühen sich sehr um ihre Integration in Österreich. Die BF1 und der BF2 haben Deutschkurse besucht und nehmen Gelegenheiten, um mit österreichischen Staatsbürgern in Kontakt zu kommen war (die BF2 im Rahmen des Projekts "Trag was bei", der BF1 im Wege von Freiwilligentätigkeit bei Flurreinigungsaktionen und dem Roten Kreuz). Die BF3 und der BF5 besuchen die Schule.

1.1.7. Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.1.8. Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergab, dass die BF2 eine auf Selbständigkeit und eigene Erwerbstätigkeit bedachte Frau ist, der es auch daran liegt, dass ihre Kinder eigenständige Entscheidungen für ihr Leben treffen. Die BF2 ist in ihrer Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert. Die BF2 hat in Österreich Kontakt zu Österreicherinnen und Österreichern, sie lebt nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan sowie die dort aufoktroyierten Kleidungsvorschriften ab. Es liegt ihr sehr daran, den Lebensstil, den sie in Österreich führt, fortzuführen.

Die BF2 lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab.

Es liegt ihr sehr daran, den Lebensstil, den sie in Österreich führt, fortzuführen. Die BF2 hat bereits Deutschkurse absolviert, kann in deutscher Sprache bereits verständlich kommunizieren und möchte auch künftig die Kenntnisse der deutschen Sprache verbessern.

Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden und auch entsprechend verfestigten Änderung ihrer Lebensführung würde die BF2 im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden.

1.1.9. Es liegen keine Gründe vor, nach denen die Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten auszuschließen wären.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.6.2018:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Weiterführende Informationen zu den regierungsfreundlichen Gruppierungen können dem Kapitel 5. "Sicherheitsbehörden" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen lan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten