TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/26 W186 2201382-1

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Veröffentlicht am 26.07.2018
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Entscheidungsdatum

26.07.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §31
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs3

Spruch

W186 2201382-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER hat als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018, Zl. 1188265308-180655451, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 12.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.07.2017 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG und § 76 Abs. 3 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 12.07.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist nigerianischer Staatsangehöriger und gelangte am 20.05.2018 in das österreichische Bundesgebiet. Am 11.07.2018 wurde er im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle angehalten und festgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass der BF im Besitz eines italienischen Konventionsreisepasses und eines "permesso di soggiorno" ist.

2. Am 12.07.2018 wurde der BF von der Behörde einvernommen.

Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"...] Wann und von wo sind Sie in das Bundesgebiet eingereist?

A: Ich kam mit dem Bus. Ich bin hier gemeldet und im Juni 2018 bin ich gekommen.

F: Wann genau sind Sie in das Bundesgebiet eingereist?

A: Ich habe eine Fahrkarte bei mir, das Datum im Ticket stimmt.

F: Wussten Sie, dass Sie gegen Sie eine aufrechte Anordnung zur Außerlandesbringung besteht?

A: Ich wusste das nicht

F: Sie sind entgegen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung wieder in das Bundesgebiet eingereist. Was ist der Zweck Ihrer Einreise?

A: Letztes Mal als ich nach Österreich kam, wollte ich meine Haare schneiden. Ich wurde von der Polizei kontrolliert und wurde nach Ausweis gefragt. Ich hatte keinen Wohnsitz und nicht genügend Geld, deswegen hatten die Behörden mich nach Italien abgeschoben. Sogar die Caritas hat mir vorgelesen, dass ich in Österreich sein darf.

Vorhalt: Sie dürfen bis 11.11.2019 nicht in Österreich aufhältig sein, da bis dahin die rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung gültig ist, haben Sie das verstanden!

A: Danke, ich habe das nicht gewusst, ich wünschte das gewusst zu haben. Ich habe das nun verstanden.

F: Wo haben Sie bis zu Ihrer Festnahme Unterkunft genommen?

A: Ich habe einen Meldezettel, im 15. Bezirk " XXXX " , ich habe dort bei einem Freund gewohnt.

F: Wie viel Geld besitzen Sie?

A: ca 600 Euro

F: Wie finanzieren Sie sich Ihren Aufenthalt im Bundesgebiet?

A: Ich bin mit Geld gekommen. Ich hatte 1500 Euro dabei und der Bruder aus Deutschland hat mir auch das Geld geschickt.

F: Wie lange hatten Sie vor in Österreich zu bleiben?

A: Ich wollte das Land besuchen. Ich hatte keinen genauen Plan

F: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?

A: nein

F: Sind Sie verheiratet, haben Sie Sorgepflichten?

A: Ich bin ledig und trage keine Sorgepflichten.

F: Welchen Aufenthaltsstatus haben Sie in Italien?

A: ich habe politisches Asyl in Italien bekommen

F: Werden Sie in Italien politisch oder strafrechtlich verfolgt?

A: nein

Entscheidung:

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes wird die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach Italien über Ihre Person verhängt. Sie sind entgegen einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung wieder nach Österreich zurückgekehrt.

Im Verfahren zur Verhängung der Schubhaft steht mir eine kostenlose Rechtsberatung zu. Im Anschluss wird mir nachweislich eine Verfahrensanordnung zugestellt, in der die für mich zuständige Rechtsberatung angegeben ist.

Aus ha. Sicht ist Ihr illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet als erwiesen anzusehen. Es wird Ihnen auch mitgeteilt, dass von Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation verständig werden wird, da aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes die Schubhaft zu verhängen bzw. zu erlassen ist. Sie erhalten für den Schubbescheid eine Rechtsberatung. Es wird mir eine Organisation zugewiesen und erfolgt eine Verständigung in schriftlicher Form, welche Organisation mich kontaktieren wird. Der Schubbescheid wird mir persönlich im Anschluss an diese Niederschrift zugestellt.

...]

F: Wollen Sie dazu noch etwas angeben?

A: Jetzt weiß ich nun, dass ich bis 11.11.2019 nicht in das Bundegebiet reisen darf. Ich wusste nicht gewusst, dass ich in das Bundesgebiet nicht erneut einreisen darf. Ich habe mich im Bundesgebiet gemeldet und ich hatte genügend Geld bei sich gehabt um nach Italien zurückzukehren."

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 12.07.2018, dem BF zugestellt durch persönliche Übergabe am 12.07.2018, verhängte das Bundesamt über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm §57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung.

Das Bundesamt stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass der BF nicht österreichischer Staatsangehöriger sei und in Österreich keine beruflichen oder familiären Anknüpfungspunkte habe. Er halte sich rechtswidrig im Bundesgebiet auf, da er entgegen einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung wieder in das Bundesgebiet eingereist sei. In Österreich sei er nicht integriert.

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesamt aus:

"Sie sind Ihrer Ausreiseverpflichtung zwar nachgekommen, aber entgegen einer bis 11.11.2019 aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung wieder in das Bundesgebiet eingereist. Sie gaben an, dass Sie nicht gewusst haben, dass Sie nicht nach Österreich einreisen dürfen. Sie haben im Bundesgebiet keinerlei familiäre Bindungen. Sie sind ledig und haben auch keine Sorgepflichten.

Sie offensichtlich nicht gewillt, sich den österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des -Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist des Weiteren aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

4. Gegen den Mandatsbescheid vom 12.07.2018 und die fortdauernde Anhaltung wurde fristgerecht am 19.07.2018 Beschwerde erhoben.

5. Das Bundesamt legte die Akten mit Beschwerdevorlage vom 20.07.2018 vor und erstattete dazu Stellungnahme:

"Der Beschwerdeführer (BF) wurde erstmalig am 19.04.2018 von Beamten der PI Stiftgasse einer Kontrolle unterzogen und sein unrechtmäßiger Aufenthalt festgestellt. Der BF war im Besitz eines italienischen Konventionsreisepasses und einer Permesso di Soggiorno. Er verfügte lediglich über € 53 und war nicht behördlich gemeldet. In der Einvernahme am 20.04.2018 vor dem BFA erklärte er als Zweck seiner Einreise den Besuch einer Freundin, konnte aber zur Adresse nur angeben, dass sie bei der U1 wohnen würde und er hätte bereits vorgehabt, am Tag seiner Festnahme nach Hause zu fahren. Es hätte mit der Freundin ein Missverständnis gegeben, sodass er das Haus verlassen musste.

Der BF hatte keinerlei Beziehungen oder Bindungen zum Bundesgebiet und es wurde am 20.04.2018 um 14:35 Uhr im Mandatsverfahren gem. § 76 Abs 2 Zi 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung unter Sicherung der Abschiebung verhängt.

In der Folge wurde ein Rückübernahmeersuchen bzw. Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet.

Am 23.04.2018 langte eine Zustimmung zur Rückübernahme im Rahmen des Rückübernahmeabkommens ein und mit Bescheid vom 25.04.2018 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gem. § 61 Abs. 1 Zi. 2 FPG die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet, wobei gem. § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Italien zulässig war.

In der Folge wurde eine freie Ausreise am 11.05.2018 durch Übergabe an den VMÖ ermöglicht, welcher für den gleichen Tag einen Flug nach Mailand gebucht hatte.

Obwohl die Anordnung zur Außerlandesbringung binnen 18 Monate ab Ausreise aufrecht bleibt, meldete sich der BF bereits am 29.05.2018 in 1150 Wien, XXXX mit Nebenwohnsitz behördlich an.

Am 11.07.2018 wurde der BF von Beamten der PI Wurmsergasse in einem Lokal in Wien 15, XXXX einer Kontrolle unterzogen, nachdem ein Disput von im Lokal aufhältigen Personen zur Intervention der Polizei führte. Aufgrund der gültigen Anordnung zur Außerlandesbringung wurde die Festnahme ausgesprochen. Ein Zugticket wurde beim BF vorgefunden, welches eine letzte Einreise am 01.07.2018 bestätigte.

In der Niederschrift vom 12.07.2018 vor dem BFA erklärte er eine Einreise mit Bus im Juni 2018, obwohl ein Zugticket vorgefunden wurde.

Weiter erklärte er, von der aufrechten Anordnung zu Außerlandesbringung nichts zu wissen, obwohl diese Rechtsfolge auf Seite 29 des Bescheides vom 25.04.2018 ausdrücklich angeführt war.

Er hätte an der Meldeanschrift bei einem Freund gewohnt, konnte aber die Adresse nicht genau nennen.

Laut Angabe wollte der BF. das Land besuchen. Ohne genauen Plan.

Familiäre oder sonstige Bindungen zum Bundesgebiet bestanden neuerlich nicht.

Mit Mandatsbescheid vom 12.07.2018 wurde über den BF. gem § 76 Absatz 2 Zi. 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung am 12.07.2018/14:00 Uhr verhängt.

Die Schubhaft wird aufrecht erhalten.

Eine Abschiebung ist ab 09.08.2018 vorgesehen.

Eine diesbezügliche Buchungsanfrage erging bereits."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Er verfügt über einen gültigen italienischen Konventionsreisepass. Der BF ist unter Verwendung dieses Konventionsreisepasses in Österreich eingereist.

Der BF wurde im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am 11.07.2018 angehalten und festgenommen.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Gegen den BF besteht eine 11.11.2019 rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung (in Bezug auf die Zuständigkeit Italiens).

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die dazu getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und den hg. Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A.I.) Bescheid vom 12.07.2017 und Anhaltung in Schubhaft

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, (Z 1) oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2). Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt gemäß Abs. 3 vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert (Z 1), ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist (Z 2), ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat (Z 3), ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt (Z 4), ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde (Z 5), ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist (Z 6), insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat (lit. a), der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen (lit. b), oder es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt (lit. c), ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt (Z 7), ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Z 8) und der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z 9). Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft gemäß Abs. 5 ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese gemäß Abs. 6 aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

2.1. Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Sohin ist er ein Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Er ist in Italien anerkannter Flüchtling und im Besitz eines italienischen Konventionsreisepasses.

Der BF ist unter Verwendung dieses Passes und in Ausübung seiner Reisefreiheit in Österreich eingereist. Er wurde im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle angehalten und festgenommen. Im Anschluss daran wurde über den BF die Schubhaft verhängt.

2.2. Anders als die Behörde geht das Gericht im vorliegenden Fall nicht von Fluchtgefahr aus. Der BF ist in Ausübung seines Rechtes auf Bewegungs-/Reisefreiheit in Österreich eingereist und befand sich zudem bei seiner Festnahme im Besitz von Bargeld (mehrere Hundert Euro). Die Behörde hat in ihrem Bescheid das Bestehen eines aufrechten Auftrages zur Außerlandesbringung gestützt, entgegen dem der BF (wiederum) in das Bundesgebiet eingereist sei. Dem gegenüber steht jedoch der Umstand, dass er im Besitz eines Reisedokumentes ist, dass ihn zum Grenzübertritt (auch) nach Österreich berechtigt. In einem Fall wie diesem tritt der der Tatbestand der Einreise entgegen einem (noch dazu zeitlich begrenzten) Titel zur Außerlandesbringung gegenüber dem Recht auf Freizügigkeit zurück und ist jedenfalls nicht geeignet "Fluchtgefahr" zu begründen, die die Verhängung von Schubhaft rechtfertigen würde.

Aus den gleichen Erwägungen erweist sich die Schubhaft hier auch als unverhältnismäßig: Das Interesse des BF an der Schonung seiner persönlichen Freiheit überwiegt das öffentliche Interesse. Zudem hat sich die Behörde überhaupt nicht mit der Möglichkeit, ein gelinderes Mittel anzuordnen, auseinandergesetzt - dies insbesondere unter dem Aspekt, dass der BF bei seiner Festnahme über Barmittel verfügt hat und darauf verwiesen hat, dass sein Bruder in Deutschland lebt und ihm Geld schicken könnte (dieser Umstand wäre unter dem Aspekt einer finanziellen Sicherstellung zu berücksichtigen gewesen).

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der BF jederzeit aus Eigenem nach Italien zurückfahren kann, was sich auch aus der Stellungnahme der Behörde ergibt. Auch vor diesem Hintergrund erweist sich die Anordnung er Schubhaft in dem vorliegenden Fall als unverhältnismäßig.

3. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114).

Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft von 12.07.2018 bis 26.07.2018 für rechtswidrig zu erklären.

Zu A. II.) Fortsetzungsausspruch:

1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

2. Die Voraussetzungen zur Fortsetzung der Schubhaft lagen nicht vor:

Wie bereits zuvor erwähnt, war der BF als nigerianischer Staatsangehöriger, der im Besitz eines gültigen italienischen Konventionsreisepasses eingereist ist, zur Einreise in Österreich berechtigt. Die Fortsetzung der Schubhaft kommt aufgrund des Umstandes, dass "Fluchtgefahr" nicht vorgelegen hat und nicht vorliegt, nicht in Betracht.

3. Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weiterer Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorliegen.

Zu II.A. und B.) - Kostenbegehren

Nach § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Die belangte Behörde beantragt in der Beschwerdevorlage den Ersatz von Schriftsatzaufwand und sämtlicher weiterer anfallender Gebühren im gegenständlichen Verfahren. Auch der BF beantragte im Rahmen der Beschwerde Kostenersatz.

Da die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wurde, ist gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit € 737,60 und die Höhe des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit € 922,00.

Die belangte Behörde hat dem BF daher Kosten iHv € 1.659,60 zu ersetzen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Die Revision ist hinsichtlich Spruchpunkt I.A). zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis von Art. 31 FPG zu den Bestimmungen des Schengener Grenzkodex fehlt. Die Rechtslage zu § 35 VwGVG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG war auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144, geklärt.

Schlagworte

Asylgewährung, Aufenthaltstitel, Außerlandesbringung, Einreise,
Mitgliedstaat, Rechtswidrigkeit, Reisedokument, Revision zulässig,
Schubhaftbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W186.2201382.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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