TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/26 W169 2201340-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.2018
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Entscheidungsdatum

26.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W169 2201340-1/2E

W169 2201339-1/2E

W169 2201341-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde 1) des XXXX , geb. XXXX , 2) der XXXX , geb. XXXX und 3) des XXXX , geb. XXXX , alle StA. Indien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2018, Zl. 1111401300-160527432 (ad 1), 1111402210-160527424 (ad 2), 1111402101-160527360 (ad 3) zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt VI der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

II. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Erstbeschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Ehegattin, der Zweitbeschwerdeführerin, sowie dem gemeinsamen Sohn, dem Drittbeschwerdeführer, in das Bundesgebiet ein und stellten sie am 13.04.2016 Anträge auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie afghanische Staatsangehörige seien und aus Ghazni stammen würden. Zum Fluchtgrund führten die Beschwerdeführer aus, dass sie in Afghanistan aufgrund ihrer Religion immer erniedrigt worden seien. Ihr behinderter Sohn, der Drittbeschwerdeführer, sei oft misshandelt worden. Man hätte ihm auch die Zunge abgeschnitten und, kurz bevor sie das Land verlassen hätten, den Bart abrasiert, woraufhin sie beschlossen hätten, ihr Heimatland zu verlassen. Im Falle einer Rückkehr hätten sie Angst um ihr Leben. Man würde ihren Sohn umbringen.

Im Rahmen der Befragung wurde den Beschwerdeführern vorgehalten, dass im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlungen ein Abgleich im VISA-Informationssystem ergeben habe, dass den Beschwerdeführern von der Konsularabteilung der Österreichischen Botschaft Neu Delhi ein Visum, gültig vom 05.04.2016 bis 26.04.2016 ausgestellt worden sei. Weiters habe diese Abfrage ergeben, dass die Beschwerdeführer XXXX , XXXX geboren, XXXX , XXXX geboren, sowie XXXX geboren und indische Staatsangehörige seien. Daraufhin gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin an, dass alles der Schlepper gemacht habe.

2. Am 20.07.2016 wurde das Asylverfahren der Beschwerdeführer in Österreich zugelassen.

3. Am 15.02.2018 wurde der Erstbeschwerdeführer vom Bezirksgericht Leopoldstadt zum Sachwalter seines Sohnes, des Drittbeschwerdeführers, bestellt.

4. Am 26.08.2016 übermittelten die Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Schreiben des SMZ Ost (Donauspital), wonach eine Chromosomenuntersuchung ergeben habe, dass der Drittbeschwerdeführer an Trisomie 21 (Down-Syndrom) leide.

5. Am 22.03.2018 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, dass er zuckerkrank sei und Herzprobleme habe, weshalb er Medikamente nehme. Er leide aber an keiner lebensbedrohenden Krankheit. Sein Sohn, der Drittbeschwerdeführer, stehe in ärztlicher Behandlung wegen Trisomie 21 und nehme Medikamente für seine Schilddrüse. Auch er leide an keiner lebensbedrohenden Krankheit. Nach Vorhalt, dass er im Zuge der Erstbefragung eine falsche Identität angegeben habe, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass sie damals vom Schlepper belehrt worden seien, falsche Angaben zu machen. Er habe damals große Angst gehabt. Der Schlepper habe ihm auch gesagt, dass sie schneller einen Aufenthaltstitel bekommen würden, wenn sie angeben würden, dass sie aus Afghanistan stammen würden. Er habe dann teilweise die Wahrheit gesagt und teilweise gelogen. Der Wahrheit habe entsprochen, dass sein Sohn immer wieder belästigt worden sei, seine Zunge abgeschnitten und sein Bart abrasiert worden sei. Weiters führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er in Indien zwölf Jahre die Schule besucht habe und als Bankangestellter tätig gewesen sei. Zuletzt sei er schon in Pension gewesen. Er spreche schon ein bisschen Deutsch und habe bereits einen A1- und einen A2-Deutschkurs gemacht. Derzeit besuche er den B1-Deutschkurs. Im Heimatland würden sein Schwager und seine Schwägerin leben. Seine Eltern und Großeltern seien bereits verstorben. Er habe keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen in seinem Heimatland. In Österreich lebe seine Tochter mit ihrer Familie; ein Abhängigkeitsverhältnis zu dieser bestehe jedoch nicht. Zu seinem Fluchtgrund führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass sein Sohn von den Leuten, die in der Umgebung gewohnt hätten, aufgrund seiner Religionszugehörigkeit erniedrigt worden sei. Bei Veranstaltungen sei ihm immer gesagt worden, er solle von der Bühne gehen. Seit er hier in Österreich lebe, sei er ständig auf der Bühne; er lebe seinen Traum und "hat Freiheit". Er habe in Indien ein Haus besessen; die Bewohner seines Viertels seien immer wieder zu ihm gekommen und hätten ihn erpresst und sein Vermögen übernehmen wollen. Sein Sohn habe niemanden außer ihn; er sei nicht in der Lage, dass er sich selbst verteidigen könne. Auch seien sie von den Verwandten immer erniedrigt und ignoriert worden und hätten diese sie fast nie zu Festen oder Feiern eingeladen. Habe seine Frau mit seinem Sohn das Haus verlassen, hätten die Kinder der Nachbarschaft den Turban seines Sohnes heruntergerissen und ihn ausgespottet und geschlagen. Der Erstbeschwerdeführer sei auch immer wieder mit dem Tod bedroht worden, sollte er nicht sein Haus übergeben. Er habe sich wegen dieser Ereignisse auch an die Polizei gewandt, aber diese habe ihm nicht zugehört. Dort werde man nur ernstgenommen, wenn man "Geld in der Tasche hat". Als sein Sohn zehn oder zwölf Jahre alt gewesen sei, sei er nach Hause gekommen und habe geweint und große Schmerzen gehabt. Sie hätten gesehen, dass seine Zunge abgetrennt gewesen sei. Er sei dann hinausgegangen um zu sehen, wer dies getan habe. Danach habe er bei der Polizei eine Anzeige erstattet. Die Polizisten hätten ihn gefragt, gegen wen er eine Anzeige erstatten wolle und was sie nun tun sollten. Er sei mit seinem Sohn beim Arzt gewesen und habe ihm gesagt, er solle die getrennte Zunge wieder annähen. Dieser habe gesagt, dass er gehen solle. Vor dem Vorfall mit der Zunge habe ihm ein anderer Arzt gesagt, was er von einer "Todesspritze" für seinen Sohn halten würde. Solche Sachen hätte er sich immer anhören müssen. Nach Vorhalt, dass diese Vorfälle nach seinen Angaben bereits vor Jahrzehnten passiert seien und auf die Frage, warum er nicht früher geflüchtet sei, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er damals noch gearbeitet habe. Seine Ehegattin und er hätten nie Probleme wegen eines Visums gehabt. Sobald sein Sohn "ins Spiel gekommen" sei, sei ihnen gesagt worden, dass ihr Sohn kein Visum bekommen würde. Auf die Frage, warum sie nicht innerhalb Indiens umgezogen seien, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er seinen Sohn zuerst in eine normale Schule geschickt habe, wobei ihnen nach eineinhalb Monaten gesagt worden sei, dass sein Sohn nicht in der Lage sei, dem Unterricht zu folgen. Dann hätten sie überlegt, ihren Sohn nach Neu-Delhi in ein Hostel zu bringen, "speziell gemacht für solche Kinder". Sie hätten ihn dann für eine Nacht dorthin gegeben und bei Bekannten übernachtet. Am nächsten Tag hätten sie sehen wollen, wie es seinem Sohn dort ergangen sei. Sie hätten gehört, dass Kinder dort geschlagen werden würden und geschrieen hätten. Er wolle seinen Sohn nicht "zum Schlagen hergeben", weshalb sie ins Heimatdorf zurückgekehrt seien. Fünf bis sechs Monate vor der Ausreise sei sein Sohn mit abrasiertem Bart nach Hause zurückgekehrt. Er denke, dass die Person, die sein Haus übernehmen wolle, dafür verantwortlich gewesen sei. Daraufhin hätten sie beschlossen, Indien zu verlassen. Sie hätten große Angst gehabt, ihre Religion zu praktizieren, weshalb sie einen Schlepper gesucht hätten, der sie außer Landes gebracht hätte. Nach Wiederholung der Frage, warum sie nicht im Familienverband innerhalb Indiens umgezogen seien, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass ihr Sohn in ganz Indien so behandelt worden wäre. Kinder, die an dieser Krankheit leiden würden, würden immer ausgelacht werden. Mit den Behörden in seinem Heimatland habe er keine Probleme gehabt. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben und das Leben seines Sohnes. Seit sie in Österreich seien, seien sie glücklich und würden ein anständiges Leben führen. Sein Sohn gehe zur Schule, auch in eine Tanzschule. Im Falle einer Rückkehr nach Indien drohe ihnen keine unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe bzw. müssten sie in Indien auch nicht mit irgendwelchen Sanktionen rechnen. Hinsichtlich der Erpressung befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er sein Haus auf den Namen des Täters überschreiben hätte sollen, ansonsten würde er getötet werden. Die Erpressungen hätten im Dezember 2011 begonnen und drei oder vier Jahre gedauert. Zu den Lebensumständen in Österreich befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er in Österreich nicht berufstätig sei und Unterstützung von der Diakonie bekomme. Er sei nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation. Sein Sohn, der Drittbeschwerdeführer, sei Mitglied im Verein "Ich bin O.K.", "Jugend am Werk" und Verein "Burg hilft leben".

Die Zweitbeschwerdeführerin führte im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Vorhalt, dass sie im Zuge der Erstbefragung falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht hätte, an, dass sie zugebe, dass sie aus Indien sei. Sie habe in Indien zehn Jahre die Schule besucht und sei Hausfrau gewesen. Im Heimatland würden ihr Bruder und seine Ehegattin leben. Zu diesen habe sie jedoch keinen Kontakt. In Österreich würde sich ihre Tochter aufhalten. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu dieser bestehe jedoch nicht. Zum Ausreisegrund führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie Indien wegen ihres Sohnes verlassen hätten. Kinder mit Behinderung würden in Indien generell schlecht behandelt werden. Es habe einige Vorfälle mit ihrem Sohn gegeben. Als ihr Sohn zehn oder elf Jahre gewesen sei, habe ihr Sohn geschrieen und geweint. Sie habe gesehen, dass seine Zunge abgetrennt gewesen sei. Sie seien dann hinausgegangen, um zu sehen, wer dies getan habe. Anschließend hätten sie den Sohn zum Arzt gebracht und ihm gesagt, er solle die Zunge wieder annähen. Dieser habe gesagt, es sei nicht so schlimm, habe eine Salbe draufgetan und gesagt, "dass wir unseren Sohn sterben lassen sollen" und uns gefragt, "ob wir so ein Kind wieder zusammennähen wollten". Zudem seien sie von Verwandten und Bekannten aus der Umgebung nicht zu Festen und Feiern eingeladen worden. Sie hätten sich auch einmal an die Polizei gewandt, ihnen sei aber gesagt worden, was sie mit diesem Kind wollten, "wir sollten es sterben lassen, dann würden wir immer Ruhe haben." Von den Behörden im Heimatland sei sie nicht verfolgt worden. Nach Vorhalt, dass ihr Ehegatte angegeben habe, dass er erpresst worden sei und auf die Frage, ob sie diesbezügliche Details schildern könne, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass es in der Nachbarschaft eine Person gegeben habe, die ihren Mann immer mit dem Tod bedroht habe. Er hätte unbedingt ihr Haus übernehmen wollen und habe ihren Ehegatten erpresst. Diese Erpressung bestehe seit sieben oder acht Jahren. Nachgefragt gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass ihr Ehegatte ihr davon vor vier oder fünf Jahren erzählt habe. Wann genau die Erpressung begonnen habe, habe er nicht gesagt. Zu den Rückkehrbefürchtungen befragt, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie nach Österreich gekommen sei, um ihr Leben zu schützen. Sie seien hier sehr glücklich. Nach Vorhalt, dass die von ihr geschilderten Vorfälle sich bereits vor Jahren bzw. vor Jahrzehnten ereignet hätten und auf die Frage, warum sie nicht früher ausgereist seien, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie schon lange überlegt hätten, auszureisen. Sechs Monate vor der Ausreise sei ihr Sohn mit abrasiertem Bart nach Hause gekommen, dies sei eine "Attacke" auf ihre Religion gewesen, zumal sie eine praktizierende Sikh-Familie gewesen seien. Nach diesem Vorfall hätten sie beschlossen, das Land zu verlassen. Auf die Frage, warum sie nicht innerhalb Indiens umgezogen seien, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie versucht hätten, dass ihr Sohn in ein Hostel in Delhi komme. Ihnen wurde aber gesagt, dass sie nicht nach Delhi kommen sollten, weil Kinder dort sehr streng behandelt werden würden. Sie hatten gehört, dass Kinder mit Behinderung in Europa sehr gut behandelt werden würden und auch die medizinische Behandlung sehr gut sei. Nach Vorhalt, dass ihr Ehegatte gesagt habe, dass versucht worden sei, ihren Sohn in Delhi längerfristig in ein Hostel zu geben und, nachdem er nach der ersten Nacht gehört habe, dass die Kinder dort geschlagen worden seien, die Familie wieder nach Hause gefahren sei, gab die Zweitbeschwerdeführerin an: "Wir waren doch in Delhi, wir haben von den Nachbarn des Hostels gehört, dass Kinder hier geschlagen und streng behandelt werden. Einer sagte uns, wir sollten eine Nacht hier übernachten, damit wir das selber wahrnehmen könnten." In Delhi hätten sie in einem Hotel übernachtet. Nach Vorhalt, dass der Ehegatte gesagt habe, sie hätten bei Bekannten übernachtet, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie in einem Hotel gewesen seien. Im Falle einer Rückkehr gebe es keine konkreten Hinweise, dass ihnen unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würde bzw. dass sie im Falle einer Rückkehr in ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätten. Weiters führte die Zweitbeschwerdeführerin auf Befragen aus, dass ihr Sohn immer wieder von anderen Kindern ausgespottet worden sei. Die Bewohner des Viertels hätten ihm Namen wie "Zurückgebliebener" oder "Behinderter" gegeben. Es sei immer wieder vorgekommen, dass sein Turban beim Vorbeigehen mit der flachen Hand oder mit der Faust "heruntergeschmissen" worden sei. Sie sei seine Mutter und habe dies nicht aushalten können.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich befragt, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie in Österreich keiner Arbeit nachgehe und Unterstützung von der Diakonie bekomme. Sie sei nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation und spreche schon ein wenig Deutsch.

Im Rahmen der Einvernahme wurden dem rechtfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführer aktuelle Länderfeststellungen der Staatendokumentation zu Indien übergeben und ihm eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

6. Am 06.04.2018 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführer ein. Darin wurde ausgeführt, dass das von der Behörde übermittelte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien hinsichtlich der medizinischen Versorgung von Menschen mit Erkrankung an Trisomie 21 unvollständig sei. Im vorliegenden LIB sei lediglich eine allgemeine Information zur medizinischen Versorgung in Indien angeführt. Aus dem beigelegten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich aber, dass Indien seine Bürger mit geistiger Behinderung schlechter als Tiere behandle. In sogenannten Einrichtungen für Menschen mit Behinderung würden sie meist Opfer sexueller und körperlicher Gewalt. Es fehle an den nötigsten Grundversorgungsmitteln, wie beispielsweise Seifen, Zahnbürsten oder Handtüchern. Weiters seien Fälle bekannt, in denen sie nackt warten müssten, bis die Kleidung aus der Wäscherei zurückkomme oder gebe es Fälle, in denen sich 73 Personen ein Badezimmer teilen müssten. Die Betreuung sei absolut unzureichend. Menschen mit geistiger Behinderung würden oftmals eingesperrt oder unter menschenunwürdigen Umständen gehalten werden. Sie würden in kleine Zellen gesperrt werden, 400 Menschen müssten sich 250 Betten teilen. Die Lage für Menschen mit geistiger Behinderung in Indien sei katastrophal. Personen mit Trisomie 21 würden in Indien als Außenseiter angesehen werden und von der Gesellschaft diskriminiert und bedroht werden. Dies sei auch beim Drittbeschwerdeführer der Fall gewesen. Wie der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin bereits mehrfach ausgesagt hätten, sei dem Drittbeschwerdeführer mehrfach der Turban vom Kopf gerissen und ihm sein Bart abgeschnitten worden. Dies sei in seiner Religion als große Sünde anzusehen, weshalb die Situation für ihn und seine Familie unzumutbar gewesen sei. Weiters wurde ausgeführt, dass der Drittbeschwerdeführer auf seine Eltern angewiesen sei. Sein Vater habe für ihn in Österreich die Sachwalterschaft. Gerade weil sein Vater neben seiner Mutter die engste Bezugsperson sei, sei er zum Sachwalter bestellt worden. Würde man sie nun auseinanderreißen, wäre er hilflos und könne auf sich alleine gestellt nicht überleben. Es bestehe jedenfalls ein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Eltern, vergleichbar mit dem eines minderjährigen Kindes. Sie würden den Drittbeschwerdeführer in alltäglichen Belangen unterstützen und würde ihnen sein Fortkommen und seine Entwicklungsmöglichkeiten in Österreich am Herzen liegen. Da im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Ausführungen zur Situation von Menschen mit Trisomie 21 in Indien fehlen würden, werde der Antrag gestellt, diese zu den Feststellungen zu erheben und einen länderkundigen Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens hinsichtlich der Beurteilung der Lage für Menschen mit Trisomie 21 und deren medizinischen Versorgung zu bestellen.

7. Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführer vom 30.03.2018 wurde ausgeführt, dass der Drittbeschwerdeführer Mitglied der Dance Company "Ich bin O.K." sei. Über sein Leben und das seiner Familie in Indien sowie in Österreich sei ein Tanzstück geschrieben worden, in welchem er mit seiner Schwester gemeinsam als Protagonisten auftreten würde. Die Termine für die Aufführung seien der beigeschlossenen Einladung zu entnehmen. Die belangte Behörde werde eingeladen, im Rahmen der Tanzaufführung seine Integration in Österreich zu einem in der Einladung angeführten Termin in Augenschein zu nehmen. Für den Nachweis seiner Aufenthaltsverfestigung in Österreich sei seine Mitwirkung an diesem Projekt und seine Tätigkeit bei der Dance Company "Ich bin O. K." ein wesentlicher Faktor, weshalb der Antrag gestellt werde, die Behörde möge bei einer seiner Tanzaufführungen im Stück " XXXX " der Dance Company "Ich bin O.K." gemäß § 55 AVG einen Augenschein vornehmen.

8. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten

(Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien

(Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und ausgeführt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe. Unter Spruchpunkt VII. wurde gegen die Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG erlassen.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Beschwerdeführer indische Staatsangehörige seien. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hätten im Rahmen der Erstbefragung bewusst falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht. Im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.03.2018 hätten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zugegeben, bezüglich ihrer Identität und einem Teil der vorgebrachten Fluchtgründe bewusst falsche Angaben gemacht zu haben. Die Angaben der Beschwerdeführer zu den Fluchtgründen aus Indien seien nicht glaubhaft. Da die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Diskriminierung der Familie durch Dritte bereits seit Jahrzehnten bestanden habe, sei es logisch nicht nachvollziehbar und völlig unglaubhaft, dass sie sich nicht schon vorher zur Flucht entschieden hätten. Zudem seien auch die zeitlichen Angaben zu den fluchtauslösenden Gründen vage und teilweise widersprüchlich. Sie hätten auch keinerlei Beweise bezüglich ihres Vorbringens vorlegen können. Auch hätten sich die Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insofern widersprochen, als der Erstbeschwerdeführer ausgesagt habe, dass sie bei ihrem Aufenthalt in Neu-Delhi bei Bekannten übernachtet hätten, während die Zweitbeschwerdeführerin ausführte, in einem Hotel übernachtet zu haben. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Die Beschwerdeführer würden an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leiden und gebe es zudem eine adäquate medizinische Versorgung in Indien. Die Beschwerdeführer würden nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfüllen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe ihr Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung der Beschwerdeführer nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wäre. Mit dem Zeitpunkt der Durchführung dieser Entscheidung seien die Beschwerdeführer daher zur unverzüglichen, freiwilligen Ausreise verpflichtet. Die aufschiebende Wirkung habe aberkannt werden können, da im konkreten Fall die Ziffer 5 des § 18 Abs. 1 BFA-VG erfüllt sei. Zum Einreiseverbot wurde im angefochtenen Bescheid festgehalten, dass die Beschwerdeführer die Asylanträge offensichtlich missbräuchlich gestellt hätten und folglich eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit vorliege. Da die Beschwerdeführer offensichtlich nicht bereit seien, die österreichische Rechtsordnung (Missbrauch des Asylsystems) zu achten, könne die Behörde nur zum Schluss kommen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Verhaltensweise der Beschwerdeführer zeige eindeutig, dass sie nicht gewillt seien, sich rechtskonform zu verhalten, dies lasse auch für die Zukunft nichts Gutes vermuten, weshalb eine negative Zukunftsprognose getroffen werden müsse. Zudem seien die Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, die Mittel für ihren Unterhalt aus eigenem nachzuweisen. Der Umstand, dass sie künftig nicht in der Lage sein würden, die Mittel für den Unterhalt aus eigenem oder ohne staatliche Zuwendungen zu besorgen, ergebe sich allein aus der Tatsache, dass die Beschwerdeführer über kein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügen würden und daher auch keiner legalen Beschäftigung nachgehen könnten. Im Zuge der Einvernahme hätten sie ebenfalls nichts vorgebracht, was die Behörde zur Ansicht kommen ließe, dass sie künftig die Mittel für ihren Unterhalt selbst erwirtschaften könnten. Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Gesamtbeurteilung ihres Verhaltens, ihrer Lebensumstände sowie ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätten daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbots in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die von ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot sei daher zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

9. Lediglich gegen Spruchpunkt VI. der Bescheide wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Nach Wiederholung der bereits im Verfahren getätigten Angaben wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde zu Unrecht § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG angewandt habe. Aufgrund der Ausführungen in den Bescheiden, welche sich über 100 Seiten erstrecken würden, sei nicht davon auszugehen, dass keine Umstände vorliegen würden, die "die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen." Vielmehr bedürfe es einer mehr als 100-seitigen umfassenden Abhandlung, warum das Fluchtvorbringen nicht den Tatsachen entspreche. Hinsichtlich der Situation im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat sei erneut auf die Stellungnahme vom 05.04.2018 verwiesen. Auch sei die Begründungspflicht in Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide verletzt worden, weshalb der Antrag gestellt werde, die angefochtenen Bescheide betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI) ersatzlos zu beheben, in eventu, die angefochtenen Bescheide betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten der Beschwerdeführer.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Zum Spruchteil A) I:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn 1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt; 2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, 3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat; 4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat; 5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, 6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Der Verwaltungsgerichthof hat wiederholt zu § 6 Z 3 AsylG 1997, einer mit § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG vergleichbaren Vorgängerbestimmung dargelegt, dass nur dann, wenn "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil "quasi aufdrängt", dass die vom Asylwerber vorgebrachten und für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblichen Schilderungen tatsächlich wahrheitswidrig sind, das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG1997 als erfüllt angesehen werden kann (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214; VwGH 06.05.2004, 2002/20/0361).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass "das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht". Seine diesbezügliche Entscheidung begründet das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Zitierung des § 18 Abs. 1 AsylG (gemeint wohl: BFA-VG) in jedem Bescheid wie folgt: "Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt das als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung. Wie oben ausgeführt, liegt Ziffer 5 in Ihrem Fall vor.

Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."

Wie sich aus den obigen Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin ergibt, haben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zwar vorerst falsche Angaben hinsichtlich ihrer Identität getätigt, sie haben in diesem Zusammenhang aber - nach Vorhalt der diesbezüglich falschen Angaben - angegeben, dass sie damals vom Schlepper belehrt worden seien, falsche Angaben zu machen, weshalb sie teilweise die Wahrheit gesagt und teilweise gelogen hätten. Auf entsprechende Nachfrage im Rahmen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, welche Teile nun der Wahrheit entsprochen hätten und welche gelogen seien, gab der Erstbeschwerdeführer ausdrücklich an, dass sein Sohn immer wieder belästigt und misshandelt worden sei, seine Zunge abgeschnitten und sein Bart abrasiert worden sei, dies aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und der Behinderung des Drittbeschwerdeführers. Diese Probleme hat der Erstbeschwerdeführer auch bereits im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgebracht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat nun zwar in den angefochtenen Bescheiden nachvollziehbar dargelegt, weshalb das Vorbringen der Beschwerdeführer zu ihrer Bedrohungssituation unglaubwürdig war, es hat jedoch nicht nachvollziehbar ausgeführt, inwiefern dieses als offensichtlich unglaubwürdig zu qualifizieren war. Da der Begriff "offensichtlich" nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 Z 3 AsylG vom 07.09.2000, 99/01/0273, so zu verstehen ist, dass nur Fälle "qualifizierter" Unglaubwürdigkeit erfasst werden und eine "schlichte Unglaubwürdigkeit des Asylwerbers" nicht zur Anwendung dieses Tatbestandes führen kann, war in den konkreten Fällen die Ziffer 5 des § 18 Abs. 1 BFA-VG nicht anzuwenden.

Der Spruchteil VI. der angefochtenen Bescheide war daher ersatzlos zu beheben.

Zu Spruchpunkt A) II:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Hingegen besteht gemäß § 55 Abs. 1a leg. cit. keine Frist für die freiwillige Ausreise für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

Im vorliegenden Fall wurde seitens der belangten Behörde die aufschiebende Wirkung der Beschwerden in den Spruchpunkten VI. gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG aberkannt, jedoch mit gegenständlichem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes den Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte VI. stattgegeben und diese gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben, weshalb das Verwaltungsgericht im Falle der Bestätigung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung im Spruch seines Erkenntnisses eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen hat (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, 1154, K9; Spruchpunkt A.II. dieses Erkenntnisses).

Besondere Umstände im Sinne des § 55 Abs. 1 FPG wurden nicht dargetan und es liegen keine Anhaltspunkte vor, die in concreto für eine längere Frist sprächen, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage beträgt.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Zu Spruchteil B:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Ausreise, Beschwerdevorbringen, ersatzlose
Behebung, Frist, Verfahrensgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W169.2201340.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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