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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des W in Graz, vertreten durch Dr. Mario Sollhart, Rechtsanwalt in Graz, Friedrichgasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. Juni 1999, Zl. 11 - 39 - 378/98 - 6, betreffend Befristung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftigem Bescheid der Erstbehörde vom 24. März 1998 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Z. 1 Führerscheingesetz - FSG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/1998) die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab der am 4. März 1998 erfolgten Abnahme des Führerscheines, entzogen. Gleichzeitig wurde eine Nachschulung angeordnet und dem Beschwerdeführer die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstatteten Gutachtens aufgetragen.
Diesem Bescheid lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 4. März 1998 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Der Alkoholgehalt der Atemluft betrug dabei mehr als 0,8 mg/l.
Der Beschwerdeführer absolvierte die ihm aufgetragene Nachschulung. Der ärztliche Amtssachverständige der Erstbehörde vertrat die Auffassung, der Beschwerdeführer sei wegen Alkoholmissbrauchs zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich nicht geeignet.
Mit Bescheid vom 15. Juli 1998 entzog die Erstbehörde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B mangels gesundheitlicher Eignung.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge und sprach aus, dass die Lenkberechtigung durch die Befristung auf die Dauer eines Jahres, gerechnet ab Erstattung des von der belangten Behörde eingeholten amtsärztlichen Gutachtens vom 6. April 1999 eingeschränkt werde; sie trug dem Beschwerdeführer weiters auf, vor Ablauf der Frist näher bezeichnete Laborbefunde vorzulegen.
Die belangte Behörde gründete ihre Entscheidung allein auf das von ihr eingeholte ärztliche Gutachten ihres Amtssachverständigen vom 6. April 1999. Dieses - im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebene - Gutachten hat folgenden Inhalt:
"Vorgeschichte:
Führerscheinerwerb für die Klassen A und B 1990. Bis zu einer Fahrt im alkoholisierten Zustand im März 1998 verkehrsunauffälliges Verhalten. Wegen einer Alkoholisierung über 1,6 %o vier Monate Führerscheinentzug amtsärztliche Untersuchung aufgrund eines CDT-Wertes von 10, der über dem Referenzbereich von 0-6 lag, als gesundheitlich nicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet beurteilt.
Herr R. beruft gegen diesen ablehnenden Bescheid, da er sicherlich kein Trinker sei, den hohen CDT-Wert bei der Nachuntersuchung erklärt er, dass er in den Vortagen etwas mit seinen Freunden gefeiert habe, als Sportler lebe er aber sehr gesundheitsbewusst und trinke sonst nur gelegentlich Alkohol.
Medizinische Anamnese:
Vor einem Jahr Perianalfistel-Operation sonst keine stationären Aufenthalte, keine schweren Erkrankungen oder Verletzungen.
Sozialanamnese:
Selbständiger Werbegrafik-Designer, technischer Zeichner, Zusatzqualifikation mit mehreren Computerkursen, alleinstehend, ledig, keine Sorgepflichten, Hobbys: Handball spielen, zur finanziellen Aufbesserung an einer Medikamentenstudie als Proband.
Untersuchungsbefund:
26-jähriger junger Mann in gutem Allgemeinzustand, normalem Ernährungszustand, geordnet, in allen Qualitäten orientiert, kooperativ, geistig rege, Stimmungslage situativ angepasst. Im Explorationsgspräch einsichtig bezüglich früheres Fehlverhalten, Einstellungsänderung erkennbar, an guter Mitarbeit interessiert, ein deutlicher Lerneffekt ist feststellbar, Problembewältigungsstrategien zur Vermeidung ähnlicher Situationen wurden erarbeitet. In psychischer Hinsicht anfänglich etwas angespannt und übernervös.
Sehvermögen: Visus 0.8 bds.
Hörvermögen: unauffällig
Herz-Kreislauf-Funktionen unauffällig
Thorax und Pulmo: symmetrisch konfiguriert, seitengleich gut beatmet, reines Vesikuläratmen Abdomen; flache, fettarme Bauchdecke, keine pathologische Resistenz, keine Organvergrößerungen tastbar, Bruchpforten geschlossen
Wirbelsäule: normaler Krümmungsverlauf, in allen Ebenen gut beweglich
Extremitäten: grobe Kraft, Tonus, Motorik seitengleich unauffällig grob neurologisch: unauffälliger Befund, kein Tremor, keine Koordinationsstörungen, im Unterberger- und Romberg-Versuch diskretes Schwanken.
Medikamente: Tramal im Rahmen der Medikamentenstudie, sonst keine
Therapie erforderlich
Alkohol: 1 - 2 Bier oder 1/8 Wein pro Woche
Nikotin: 20 Zigaretten tgl
Beigebrachte Befunde/Unterlagen
Die Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrer wurde am 12. November bis 11. Dezember 1998 positiv absolviert.
Verkehrspsychologische Untersuchung vom 25. November 1998 bis auf etwas verlängerte mittlere Entscheidungszeiten bei der Reaktionszeit in allen kraftfahrspezifischen Leistungen normgerechte Werte, bei der Überprüfung der fahrverhaltensrelevanten Einstellung und Persönlichkeitsmerkmale derzeit günstige Ausprägung der variablen Anteile der Persönlichkeit mit ausgeprägtem Problembewusstsein und hoher Bereitschaft zur Selbstreflexion.
Laborbefunde: 27. September 1998: Drogenscreening auf Cannabinoide, Opiate, Barbiturate, Antidepressiva negativ. Methadon, Benzodiazepine, Kokain, Amphetamine negativ.
Gesamte Leberfunktion: Elektrolyte, Blutbild im Normbereich. Normalisierung des CDT-Wertes von 10 im Mai 1998 auf Normwert 6,4. Oktober 1998.
Auf den anfänglich angeforderten nervenfachärztlichen Befund konnte aufgrund der übrigen eingelangten Befunde verzichtet werden.
Gutachten
Es besteht ein Zustand nach einer einmaligen Fahrt im alkoholisierten Zustand allerdings mit einer beträchtlich erhöhten Blutalkoholkonzentration über 1,6 %o. Auch der bei der polizeiärztlichen Untersuchung erhobene CDT-Wert bestätigt den zumindest damals bestehenden zeitweise erhöhten Alkoholkonsum. Derzeit bestehen weder körperlich noch psychisch Hinweise für einen chronischen Alkoholismus, es liegt derzeit auch kein Anhaltspunkt für einen weiteren Alkoholmissbrauch vor, wie es die vorgelegten Laborbefunde dokumentieren. Alle kraftfahrspezifischen Leistungen liegen im Normbereich, die fahrverhaltensrelevanten Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale sind derzeit günstig ausgeprägt, die positive Einstellungsänderung wurde auch durch die absolvierte Nachschulung gefestigt.
Aus medizinischer Sicht kann festgehalten werden, dass Herr W.R., geboren am 1. März 1972, zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B
bedingt geeignet
erscheint.
* Wegen der seit Jahren unverändert bestehenden Kurzsichtigkeit
ist beim Lenken von Kraftfahrzeugen immer eine Brille zu tragen.
* Der hohe Alkoholisierungsgrad beim Erstdelikt spricht für
eine erhöhte Alkoholverträglichkeit, wie sie nur bei wiederholtem Alkoholüberkonsum auftreten kann. Blutalkoholkonzentrationen von 1,6 %o werden als Grenzkonzentration für die Klassifizierung als Problemtrinker gesehen, wobei es bei Abschwächung der derzeit günstigen Persönlichkeitsfaktoren ein erhöhtes Rückfallrisiko in frühere Alkoholtrinkgewohnheiten gibt.
Es wird daher in einem Jahr die Vorlage der alkoholspezifischen Laborwerte CDT, Gamma-GT und MCV für erforderlich gehalten."
Gegen den Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen.
Gemäß § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG hat u.a. bei Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind, das ärztliche Gutachten "bedingt geeignet" zu lauten und Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann.
Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne dieser Gesetzesstelle ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem mit § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG im Wesentlichen inhaltsgleichen § 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967 die Erkenntnisse vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/11/0318, und vom 21. Jänner 1997, Zl. 96/11/0267, jeweils mwN). Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen im Sinne des zuletzt Gesagten anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss.
Ausführungen im dargelegten Sinn fehlen im Gutachten vom 6. April 1999, auf das sich der angefochtene Bescheid stützt. Es wird nicht ausgeführt, der Beschwerdeführer sei alkoholabhängig (§ 5 Abs. 1 Z. 4 lit. a und § 14 Abs. 1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV) - dieses Ergebnis hätte zur Entziehung der Lenkberechtigung und nicht zu deren Befristung führen müssen -, es wird aber auch kein hinreichender diesbezüglicher Verdacht begründet - was die Beibringung einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme erfordert hätte (§ 14 Abs. 1 letzter Satz FSG -GV), auf die aber die ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde ausdrücklich verzichtet hat.
Der Umstand allein, dass der Beschwerdeführer bei dem einzigen ihm zur Last liegenden Alkoholdelikt vom 4. März 1998 einen hohen Alkoholisierungsgrad aufgewiesen hat, rechtfertigt nicht die von der belangten Behörde verfügte Befristung. Die vom Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 2 FSG-GV beigebrachte verkehrspsychologische Stellungnahme vom 28. November 1998 stellt gleichfalls keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde verfügte Befristung dar, weil sie keine konkrete Begründung dafür enthält, warum beim Beschwerdeführer die notwendige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und mit einer Verschlechterung im beschriebenen Sinn gerechnet werden muss. Die Begehung einer strafbaren Handlung, die eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache gemäß § 7 FSG darstellt, kann für sich allein nicht die Annahme rechtfertigen, der Betreffende - der nach Ablauf der Entziehungsdauer wieder als verkehrszuverlässig anzusehen ist - sei gesundheitlich nur mehr für eine bestimmte Zeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999110266.X00Im RIS seit
23.08.2001Zuletzt aktualisiert am
10.11.2011