TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/30 W261 2187604-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2018
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Entscheidungsdatum

30.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2187604-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX auch XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, bevollmächtigt vertreten die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 26.01.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2018 zu Recht:

A)

Der Beschwerde des XXXX wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Gang des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach seinen Angaben am 20.09.2015 irregulär in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am 23.10.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei am XXXX in Afghanistan geboren. Er habe 6 Jahre die Grundschule besucht. Er sei seit dem Jahr 2008 Christ, und in Afghanistan sei das Christentum verpönt. Er habe zwei Jahre so in Afghanistan gelebt, sei dann in den Iran ausgereist, wo das Christentum zwar auch verboten sei, aber er hätte dies verheimlicht.

Mit Eingabe vom 27.07.2016 legte der BF eine Vollmacht für den MigrantInnenverein St. Marx vor. Mit Eingabe vom 07.10.2016 teilte der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit, dass bei der Erstbefragung einige Fehler aufgetreten seien. Er sei nur eine Woche, und nicht fünf Jahre lang im Iran gewesen. Er sei 24 Jahre und nicht 22 Jahre alt, sein Geburtsdatum laute XXXX . Er habe 12 Jahre lang die Schule besucht, und danach habe er für drei Semester in Herat Wirtschaft studiert. Die finanzielle Situation seiner Familie sei mittelmäßig und nicht schlecht gewesen.

Mit Schreiben vom 31.03.2107 gab der MigrantInnenverein St. Marx bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst sei.

Mit Eingabe vom 09.08.2017 urgierte der BF einen Termin für die Ersteinvernahme. Er beschwerte sich auch bei der Volksanwaltschaft über die lange Verfahrensdauer.

Am 19.01.2018 fand die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson des BF statt. Im Zuge der Einvernahme legte der BF Schulzeugnisse ebenso vor, wie Zeugnisse der Universität Herat, seine Tazkira, eine Taufbestätigung aus dem Jahr 2008, eine Bestätigung über den Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom 09.01.2018, eine Reihe von Integrationsunterlagen und Empfehlungsschreiben. Seine Mutter sei verstorben, sein Vater lebe in Kabul. Er habe Geschwister, die in Bamyan, Kabul und Schweden leben würden. Er sei gemeinsam mit seinem Bruder, der zwei Jahre älter sei, zum Christentum konvertiert. In seinem Studentenwohnheim in Herat habe es Probleme gegeben, er habe in einem Zweibettzimmer gewohnt, und es sei aufgefallen, dass er nicht bete und keine Moschee besuche. Dies habe auch einem Mullah beim Eid Fest bemerkt, der nach ihm gefragt habe, weil der BF an diesem Fest in der Moschee nicht teilgenommen habe. Der BF sei zu diesem Zeitpunkt bei einem Freund gewesen, als der Mullah in sein Zimmer gekommen sei, dieses durchsucht und die Taufurkunde gefunden habe. Sein Zimmerkollege habe ihn darüber informiert und ihn gewarnt. Er sei noch in derselben Nacht geflüchtet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 26.01.2018 wies diese im Spruchpunkt I. den Antrag des BF auf internationalen Schutz ab. Im Spruchpunkt II. wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab. Im Spruchpunkt III. erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Sie erließ im Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung und stellte im Spruchpunkt V. fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Im Spruchpunkt VI. legte die belangte Behörde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Der BF sei als Person unglaubwürdig, er habe bei der Erstbefragung auch zu seiner Person gänzlich andere Angaben gemacht, als bei der Ersteinvernahme. Die behauptete Abwendung vom Glauben sei nur deshalb erfolgt, um internationalen Schutz zu erhalten. Ein innerlich überzeugte Christ würde sich nicht der Sünde der Lüge bedienen müssen. Der BF habe sich im Rahmen seiner Einvernahmen in massive Widersprüche verstrickt, und sein Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Eine Rückkehr sei dem BF zuzumuten. Im Falle einer Rückkehr nach Kabul habe der BF Familienangehörige, wie beispielsweise seinen Vater, der in Kabul lebe, und auf dessen Unterstützung er zurückgreifen könne. Es würden daher weder die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes vorliegen, noch erfülle der BF die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes. Die Voraussetzungen für ein humanitäres Bleiberecht würden ebenso nicht vorliegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen sei.

Mit Schreiben vom 23.01.2018 informierte die belangte Behörde den BF über die Verpflichtung zur Ausreise und über die Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe. Mit Verfahrensanordnung vom 26.01.2018 stellte die belangte Behörde dem BF die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe amtswegig als Rechtsberater zur Verfügung.

Gegen diesen Bescheid brachte der BF, bevollmächtigt vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, fristgerecht mit Eingabe vom 23.02.2018 das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein und legte eine Vertretungsvollmacht vor. In der Beschwerdebegründung führte der BF umfassend unter Zitierung vielfacher Länderinformationen über Afghanistan aus, dass der Bescheid zur Gänze aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten werde, und die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, die Gewährung von internationalem Schutz, in eventu die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55ff AsylG, und festzustellen sei, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer und eine Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei, beantragt werde. Der BF schloss seiner Beschwerde eine Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 24.01.2018 an.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 26.02.2018 dem BVwG vor, wo dieser am 28.02.2018 einlangte.

Am 26.06.2018 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter erschien. Die belangte Behörde nahm an der mündlichen Verhandlung entschuldigt nicht teil. Der BF gab dabei auf richterliche Befragung zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen das Gleiche an, was er bereits in seinen bisherigen Einvernahmen ausgesagt hatte. Im Zuge der Beschwerdeverhandlung erfolgte die Einvernahme eines Zeugen, der bestätigte, dass er den BF als gläubigen Christ wahrnehme, der regelmäßig an kirchlichen Feiern teilnehme. Das BVwG legte weitere Länderinformationen vor und räumte sowohl dem BF als auch der belangten Behörde die Möglichkeit ein, zum bisherigen Ermittlungsergebnis eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Eingabe vom 12.07.2018 gab der BF, bevollmächtigt vertreten durch seinen Rechtsvertreter, eine Stellungnahme ab, und führte sowohl zu seinem Fluchtgrund als auch zum Vorliegen der Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes unter Zitierung von Länderinformationen aus.

Die belangte Behörde übermittelte keine Stellungnahme.

Das BVwG führte am 25.06.2018 eine Abfrage im Strafregister durch, wonach für den BF keine Verurteilungen aufscheinen. Laut Speicherauszug aus dem Betreuungssystem, den das BVwG ebenfalls am 25.06.2018 abfragte, befindet sich der BF in der aufrechten Grundversorgung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen

Der BF führt den Namen XXXX , geb. am XXXX (das ist der XXXX ) im Dorf XXXX im Ortsteil XXXX im Zentrum der Provinz Bamyan und ist afghanischer Staatsangehöriger. Zu Identifikationszwecken wird das Geburtsdatum auch mit XXXX geführt. Der BF gehört zur Volksgruppe der Hazara an. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF ist gesund, kinderlos und ledig.

Der BF besuchte 12 Jahre lang die Schule und studierte in weiterer Folge für zwei Semester an der Universität Herat Wirtschaft.

Der Vater des BF, XXXX , lebt mit seiner zweiten Frau und der jüngsten Schwester des BF, XXXX , in Kabul. Die Mutter des BF hieß XXXX , sie verstarb, als der BF ca. acht oder neun Jahre alt war. Der BF hat einen älteren Bruder, XXXX , der in der Provinz Bamyan lebt. Sein älterer Bruder XXXX lebt seit dem Jahr 2016 in Schweden als Asylwerber. Seine Schwester XXXX ist bereits verheiratet und lebt in der Provinz Bamyan, im Distrikt Yakaulang.

Der Vater des BF ist Koch. Die Familie des BF besitzt ein Haus in der Stadt Kabul. Die finanzielle Lage der Familie des BF ist mittelmäßig.

Der BF hat regelmäßigen Kontakt mit seinen Brüdern.

Der BF hat einen Onkel väterlicherseits, der in Herat lebt, und eine Tante mütterlicherseits, die in Kabul lebt.

Der BF lebte in Afghanistan teilweise in der Provinz Bamyan, teilweise in der Stadt Kabul und teilweise in der Stadt Herat.

Der BF war in seinem Herkunftsstaat kein Mitglied einer politischen Partei. Der BF ist in seinem Heimatstaat strafrechtlich unbescholten.

Der BF reiste im Jahr 2015 aus Afghanistan aus und stellte am 20.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der BF absolvierte Deutschkurse und legte unter anderem die Prüfungen für das Niveau B1 ab. Der BF hat an Tanzprojekten teilgenommen, ist Mitglied des Fußballvereins XXXX . Er hat österreichische Freunde. Der BF absolvierte im Jänner 2018 einen Werte- und Orientierungskurs beim Österreichischen Integrationsfonds.

Der BF lebt von der vorübergehenden Grundversorgung und ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der BF bekannte sich früher zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam und ist nunmehr bekennender Christ. Der BF wurde im Jahr 2008 in Afghanistan getauft. Er trat am 09.01.2018 offiziell aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich aus. Der BF nahm an christlichen Glaubensunterweisungen und Bibelunterricht der Iranischen Christlichen Gemeinde in Wien teil und besucht regelmäßig die Gottesdienste seiner Gemeinde.

Der BF befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum von anderen Personen getötet zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem nicht die Religion wechseln hätte dürfen. Der BF ist jedoch gewillt, auch im Fall der Rückkehr seinen christlichen Glauben offen und nach außen hin erkennbar auszuüben, seine Konversion zum Christentum nicht zu widerrufen und nicht wieder zum Islam überzutreten.

Es liegen keine Gründe vor, nach die BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen sind oder nach denen ein Ausschluss BF zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Fassung vom 30.01.2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

"...

3. Sicherheitslage

...

3.1 Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

...

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

...

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

...

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

...

3.6 Bamyan/Bamian

Bamyan liegt im Süden des Hindu Kush und im Norden der Baba-Berge. Die Provinz hat folgende administrative Einheiten, zu denen auch die Provinzhauptstadt Bamyan City zählt: Yakawlang, Waras, Shaibar, Sayghan, Kahmard und Panjab (Pajhwok o.D.ad).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 454.633 geschätzt (CSO 2016). Der Großteil der Bevölkerung sind Hazara 70%, Tadschiken machen 20% und Pashtunen 5% aus (Pajhwok o.D.ad; vgl. auch: auch:

Xinhua 12.12.2016). Eta 90% der Bevölkerung fühlen sich dem schiitischen Islam zugehörig (Pajhwok o.D.ad).

...

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Bamyan 33 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die zentral gelegene Provinz Bamyan - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als eine der friedlichsten und sichersten Orte in Afghanistan geschätzt. Im Gegensatz zu anderen Teilen des Landes, wird selten von sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bamyan berichtet (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Nur in einer Handvoll der 34 Provinzen Afghanistans (wie Balkh, Bamyan, Ghor, Daikundi, Jawzjan und Samangan) stellen die Taliban keine große Bedrohung dar. Die fehlende Mehrheit der Paschtunen erklärt die relative Stabilität dieser Provinzen (Lobe Log Foreign Policy 14.9.2016).

Die Provinz Bamyan wird hauptsächlich mit Kartoffeln in Verbindung gebracht. Im Jahr 2015 produzierte die Provinz fast 350.000 Tonnen Kartoffeln - etwa 60% des gesamten Verbrauchs Afghanistans (NYT 31.8.2016).

...

3.13 Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

...

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

...

15. Religionsfreiheit

...

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch:

Max-Planck-Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

...

15.2 Christen und Konversion zum Christentum

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 9.2016). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen (AA 2.3.2015; vgl. auch: USDOS.10.8.2016).

Nichtmuslim/innen, z.B. Sikhs, Hindus und Christen, sind Belästigungen ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Nachdem Religion und Ethnie stark miteinander verbunden sind, ist es schwierig die vielen Vorfälle nur als Vorfälle wegen religiöser Identität zu kategorisieren (USDOS 10.8.2016).

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 9.2016). Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 9.2016; vgl. USDOS 10.8.2016) - sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 10.8.2016). Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 9.2016).

Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen (CRS 8.11.2016). Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u.a. in verschiedenen Botschaften sowie auf dem Gelände der internationalen Truppen statt (AA 9.2016). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012).

Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt (CRS 8.11.2016). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014).

Berichten zufolge gibt es ein christliches Spital in Kabul (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014).

...

16. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max-Planck-Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

...

16.1 Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

..."

Weiters wird die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan vom 12.07.2017 auszugsweise festgestellt:

"...

8. Sofern sie sich nicht auf Diskussionen einlassen, die den/ihren Glauben betreffen, welche zu sozialen Unruhen führen, werden staatliche Behörden keine Maßnahmen gegen sie setzen. Sollten sie aber soziale Probleme hervorrufen, indem sie sich auf Diskussionen einlassen, um ihren Abfall vom Glauben zu unterstützen, so werden die staatlichen Behörden ihnen das nicht erlauben und sie belangen.

...

13. Wenn Konvertiten/Atheisten [Anm.: ihren Glauben] veröffentlichen, dann wird der Staat aktiv, um Chaos und Unruhe zu vermeiden; dabei werden Gesetze für solche Verhandlungsverfahren angewendet. Dennoch gibt es keine klaren Bestimmungen für solche Angelegenheiten in den afghanischen Gesetztexten somit kommt es zur Anlehnung an das Sharia-Gesetz, während die Regierung in solchen Fällen noch nicht das Sharia-Gesetz angewendet hat.

..."

2. Beweiswürdigung

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen

Die Angaben der persönlichen Verhältnisse des BF ergeben sich aus dem Akt, insbesondere auch aus der persönlichen Einvernahme des BF vor dem BVwG am 26.06.2018 bzw. aus den vom BF im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden. Hinsichtlich des Geburtsdatums werden zwei Daten angeführt, ein Datum ist das tatsächliche Geburtsdatum des BF, und das zweite Datum ist jenes, welches er selbst bei seiner Erstbefragung angab, und welches ausschließlich zur Identifizierung im Asylverfahren dient. Das erkennende Gericht erachtet diese Angaben des BF zu seiner Herkunft, seinem Familienleben und zu seinen Lebensumständen in Afghanistan, wie bereits die belangte Behörde auch, als glaubhaft.

Die getroffene Feststellung betreffend die Konvertierung des BF zum Christentum ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF anlässlich der Beschwerdeverhandlung am 26.06.2018 und die glaubhaften Aussagen des Vertreters der Iranischen Christlichen Gemeinde, der bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung als Zeuge unter Wahrheitspflicht aussagte. Die Feststellung, dass der BF bereits im Jahr 2008 in Afghanistan getauft wurde, ergibt sich aus der von ihm vorgelegten Urkunde (vgl. Anlage 14 des Protokolls der Ersteinvernahme vor der belangten Behörde). Der Austritt des BF aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich beruht auf der vom BF vorgelegten Niederschrift des Magistrates der Stadt Wien vom 09.01.2018, XXXX , welche der BF ebenfalls bei seiner Ersteinvernahme der belangten Behörde vorlegte. (vgl. Anlage 12 des Protokolls der Ersteinvernahme vor der belangten Behörde).

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vermochte der BF zu überzeugen, dass er, zumindest seit er in Österreich lebt, regelmäßig Glaubensunterweisungen erhält und an den Gottesdiensten der Iranischen Christlichen Gemeinde, einer staatlich anerkannten christlichen Freikirche, teilnimmt. Diese Angaben des BF wurden auch von dem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einvernommenen Zeugen bestätigt, der ausführte, dass der BF im Laufe der letzten Jahre eine Entwicklung durchgemacht hat. Er hat den BF im Zuge dieses Prozesses besser kennengelernt und ist überzeugt von seinem Glauben. (vgl. Seite 17 ff der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 26.06.2018). Der BF vermittelte bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung sein Wissen um den christlichen Glauben und vermochte darzutun, was ihn dazu bewegte, seinen eigenen Glauben abzulegen, um zum Christentum zu konvertieren.

Die belangte Behörde führte in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides umfangreich aus, weswegen sie den Ausführungen des BF zu seiner Konversion keinen Glauben schenkt. Der belangten Behörde ist insoweit recht zu geben, als der BF im Verfahren vor der belangten Behörde in einigen Punkten widersprüchliche Angaben in der Erstbefragung und in der Ersteinvernahme machte. Dies betrifft insbesondere seinen Aufenthalt im Iran, seine Schulausbildung und seine Aufenthaltsorte. Dies konnte der BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung aufklären, bzw. ist ihm auch zugute zu halten, dass er bereits vor der Ersteinvernahme mit seinem Schreiben vom 07.10.2017 von sich aus, noch lange vor der Ersteinvernahme, auf diese Widersprüche hinwies. Die belangte Behörde würdigte jedoch in ihrer Bescheidbegründung die vom BF bereits bei der Ersteinvernahme vorgelegte Niederschrift des Magistrates der Stadt Wien vom 09.01.2018, XXXX , wonach der BF aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten ist, in keiner Weise. Damit hat der BF einen offiziellen Akt gesetzt, und hat sich vom Islam abgewandt. Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass der BF seine Konversion zum Christentum zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich als Fluchtgrund angab, um internationalen Schutz zu erhalten, wovon die belangte Behörde ausging, so hätte diese zu prüfen gehabt, ob der BF sich in Österreich ernsthaft und aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat, und damit einen Nachfluchtgrund setzte. Eine derartige Überprüfung unterblieb, wohl unter dem Eindruck der widersprüchlichen Aussagen des BF im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde. Die belangte Behörde setzte sich ausschließlich mit dem Vorbringen des BF im Zusammenhang mit seinem Leben als Christ in Afghanistan auseinander, unterließ es jedoch, weitergehende Ermittlungen im Zusammenhang mit seinem Leben als Christ in Österreich zu führen. Diese Ermittlungen holte das BVwG durch die Einvernahme des Zeugen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.06.2018 nach.

Der BF hat im Verfahren vor dem BVwG glaubhaft dargelegt, dass er aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam zum Christentum konvertiert ist, und er seinen Glauben - auch in seiner Flüchtlingsunterkunft - nunmehr offen lebt. Der BF hat im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung glaubhaft dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewendet und aus innerer religiöser Überzeugung dem Christentum zugewendet hat. Er hat seinen älteren Bruder, der nach wie vor in der Provinz Bamyan lebt, auch schon darüber informiert, dass er nun Christ ist. Sein weiterer Bruder, der in Schweden als Asylwerber lebt, ist ebenfalls zum Christentum konvertiert. Auf Grund der nunmehrigen Lebensumstände und der glaubhaften Angaben des BF kann daher davon ausgegangen werden, dass diese Tatsache der Konversion des BF zum Christentum über das persönliche Umfeld des BF hinaus auch nach außen hin bekannt geworden ist.

Das Vorbringen des BF hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, insgesamt als glaubhaft zu beurteilen. So war das Vorbringen des BF zur möglichen Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des BF und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel.

Zusammenfassend erscheint aus den dargelegten Erwägungen das Vorbringen des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.06.2018 zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan aus Gründen der Konversion vom Islam zum Christentum insgesamt glaubhaft.

Im gesamten Verfahren sind keine Gründe zu Tage getreten, welche die BF von der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ausschließen.

2.2. Zur Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen und wurden den Parteien des Verfahrens zur Kenntnis gebracht, es wurde allen Parteien mehrfach die Gelegenheit geboten, hierzu Stellung zu nehmen. Bei den genannten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Der BF hat glaubhaft dargelegt, dass er auf Grund seiner Konversion zum Christentum im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein würde.

Zwar stellen diese Umstände bzw. diese zu erwartenden Diskriminierungen nicht notwendiger Weise Eingriffe von staatlicher und damit von "offizieller" Seite dar, zumal sie von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet sind. Da das Asylrecht als Ausgleich für fehlenden staatlichen Schutz konzipiert ist (VwGH 13.11.2001, Zl. 2000/01/0098), kommt es aber nicht darauf an, ob die Verfolgungsgefahr vom Staat bzw. von Trägern der Staatsgewalt oder von Privatpersonen (zB von Teilen der lokalen Bevölkerung) ausgeht, sondern vielmehr darauf, ob im Hinblick auf eine bestehende Verfolgungsgefahr ausreichender Schutz besteht (vgl. dazu VwGH 16.04.2002, Zl. 99/20/0483; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Feststellung, ob ein solcher ausreichender Schutz vorliegt - wie ganz allgemein bei der Prüfung des Vorliegens von wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung - ein "Wahrscheinlichkeitskalkül" heranzuziehen (zB VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Mit dem Vorbringen des BF, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein und im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Konversion aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der BF, der nach seinen Angaben schon in Afghanistan konvertierte, einen asylrelevanten Fluchtgrund, und für den Fall, dass er erst in Österreich konvertiert wäre, einen (subjektiven) Nachfluchtgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG geltend.

Wie der VwGH bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüberhinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldeten Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; VwGH 21.09.2000, 98/20/0557).

Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG (Status-Richtlinie) kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001; 99/20/0550; VwGH 19.12.2001, 2000/20/0369; VwGH 17.10.2002; 2000/20/0102; VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544).

Aus dem oben zur Person des BF festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der BF als Person mit innerer christlicher Überzeugung, die er nicht verleugnen, sondern offen ausüben will, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Dass die Konversion des BF zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, zumal er nach seinen Angaben schon vor seiner Ausreise Probleme mit einem Mullah hatte.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion des BF zum Christentum nur zum Schein erfolgt wäre, sind im Beschwerdeverfahren - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - nicht hervorgekommen.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des BF vor.

Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan, ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den BF im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des BF stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu Spruchpunkt B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2187604.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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