TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/31 W198 2189946-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.07.2018
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Entscheidungsdatum

31.07.2018

Norm

AlVG §1
ASVG §4 Abs1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W198 2189946-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX Wien, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Georg LEHNER, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 05.04.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK) hat mit Bescheid vom 05.04.2016, Zl. XXXX, festgestellt, dass Herr XXXX , VSNR XXXX , aufgrund seiner Beschäftigung beim Dienstgeber XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) im Zeitraum vom 04.07.2012 bis 30.11.2013 gemäß

§ 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht und der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.

Begründend wurde ausgeführt, dass Herr XXXX in der Zeit von 04.07.2012 bis 30.11.2013 im Betrieb des Beschwerdeführers als Pizzazusteller beschäftigt gewesen sei. Es sei ein Werkvertrag abgeschlossen worden. Stundenaufzeichnungen seien nicht geführt worden. Herr XXXX habe eine monatliche Rechnung gelegt. Die Arbeitszeit sei von Montag bis Freitag von 11:00 Uhr bis 21:00 Uhr gewesen. Herr XXXX sei bei Bedarf vom Beschwerdeführer telefonisch kontaktiert worden. Herr XXXX habe sein privates Auto sowie Wärmetasche und Wärmeboxen für die Zustellung zur Verfügung gestellt. Von einer Vertretung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sei nichts erwähnt worden. Rechtlich sei auszuführen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um konkrete Werke, sondern um Dienstleistungen, und zwar um Zustellung von Speisen, gehandelt habe. Für die persönliche Abhängigkeit des Herrn XXXX spreche der Umstand, dass er insofern an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden gewesen sei, da der Beschwerdeführer ihn angerufen habe, wenn er ihn benötigt habe. Er sei zudem an die Öffnungszeiten des Lokals gebunden gewesen. Er habe seine Dienstleistungen monatlich regelmäßig erbracht. Laut vorliegendem Werkvertrag hätte Herr XXXX dem Beschwerdeführer eine Vertretung mitteilen müssen und auch dafür Sorge zu tragen gehabt, dass seine Vertretung die geforderten Qualitätsnormen einhält. Es seien daher die Voraussetzungen für das Vorliegen von Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid der WGKK hat die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 04.05.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid keine Feststellungen enthalte, aus denen sich eine Dienstnehmereigenschaft von Herrn XXXX ableiten lasse. Auszuführen sei, dass der Beschwerdeführer der Einvernahme von Herrn

XXXX nicht beigezogen worden sei und bestreite er ausdrücklich die Richtigkeit der ihm nachträglich zur Kenntnis gebrachten schriftlichen Aussage von Herrn XXXX . Der Vernehmung hätte jedenfalls ein Dolmetsch beigezogen werden müssen, da Herr XXXX der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Außerdem seien die an Herrn XXXX gestellten Fragen unvollständig gewesen. Insgesamt habe die belangte Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Auch der Zeitraum der angeblichen Beschäftigung sei völlig willkürlich festgelegt worden. Insgesamt hätte die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt auszugehen gehabt: Herr XXXX habe es als Zusteller übernommen, über jeweils gesonderten Auftrag die Zustellung von Speisen und Getränken mit seinem eigenen Fahrzeug zu den im Einzelnen namhaft gemachten Kunden durchzuführen und vor Ort zu kassieren. Mit Durchführung der Zustellung sei das jeweilige Auftragsverhältnis erloschen. Der Zusteller sei an keinen Standort gebunden gewesen. Auch hinsichtlich Zeiteinteilung und Tätigkeitsablauf sei der Zusteller an keine Weisungen gebunden gewesen; es habe auch keine Kontrollen gegeben. Die Zustellungen seien mit dem vom Zusteller selbst beigestellten Fahrzeug erfolgt. Er sei ausdrücklich berechtigt gewesen, sich ohne Zustimmung des Beschwerdeführers geeigneter Vertreter zu bedienen. Er sei nicht in die Unternehmensorganisation des Beschwerdeführers eingeordnet gewesen. Dem Zusteller sei es möglich gewesen, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. Für einen Zusteller sei das eigene Fahrzeug das einzige wesentliche Betriebsmittel und sei dies von Herrn XXXX zur Verfügung gestellt worden. Er habe ein klassisches Unternehmerrisiko zu tragen gehabt, da er im Falle eines nicht ordnungsgemäßen Zustellvorganges kein Entgelt erhalten habe. Er habe jederzeit einen Auftrag ablehnen können und sei es ausdrücklich vereinbart gewesen, dass er eine Ersatzkraft schicken habe können. Herr XXXX habe eine eigene unternehmerische Organisation gehabt und sei werbend am Markt aufgetreten. Die Argumentation im angefochtenen Bescheid widerspreche den Sozialversicherungs-Richtlinien des Hauptverbandes des Sozialversicherungsträger, wonach Pizza-Zusteller als neue Selbständige anzuerkennen seien und stehe der angefochtene Bescheid weiters in Widerspruch zu höchstgerichtlicher Judikatur. In weiterer Folge wurde auf diverse Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Es wurden die Anträge auf Einvernahme des Herrn XXXX im Zuge einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers, auf Einholung eines betriebswirtschaftlichen und eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens, auf Einsichtnahme und Verlesung des aktenkundigen Werkvertrags und des Gewerbescheins sowie auf Einvernahme des Beschwerdeführers gestellt.

3. Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 21.03.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im Zuge einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei am 12.11.2013 wurde Herr XXXX im Betrieb des Beschwerdeführers arbeitend als Pizzazusteller angetroffen.

Herr XXXX war in der Zeit vom 04.07.2012 bis 30.11.2013 aufgrund zweiter zwischen ihm und dem Beschwerdeführer abgeschlossenen, als "Werkvertrag" bezeichneten Verträgen für den Beschwerdeführer als Pizzazusteller tätig.

Der Beschwerdeführer war Franchisenehmer von XXXX Filialen. Bis September 2013 hatte der Beschwerdeführer seine Filiale in 1140 Wien, seit September 2013 ist er Franchiseunternehmer einer Filiale in 1230 Wien. Herr XXXX war von 04.07.2012 bis September 2013 am Standort 1140 Wien und seit September 2013 am Standort 1230 Wien für den Beschwerdeführer tätig. Mit Tausch der Filiale wurde der erste zwischen dem Beschwerdeführer und Herrn XXXX abgeschlossene Werkvertag aufgelöst und ein neuer, mit 23.09.2013 datierter Vertrag, für die Filiale in 1230 Wien abgeschlossen.

Herr XXXX wurde bei Bedarf vom Beschwerdeführer telefonisch kontaktiert, um diesen bei der Auslieferung zu unterstützen. Herr XXXX lieferte immer nur während der Öffnungszeiten des Betriebes des Beschwerdeführers zwischen 11:00 Uhr und 03:00 Uhr aus. Pro ausgelieferter Bestellung erhielt Herr XXXX eine Entlohnung in Höhe von € 4,50 netto vom Beschwerdeführer in bar ausgezahlt. Herr XXXX stellte am Ende jedes Monats eine Rechnung an den Beschwerdeführer. Auf diesen Rechnungen war jeweils die Anzahl der monatlichen Zustellungen angeführt.

Herr XXXX hat für die Auslieferungen sein privates Auto sowie seine eigenen Wärmetaschen und Wärmeboxen zur Verfügung gestellt.

Laut Punkt 9 des abgeschlossenen Werkvertrages war Herr XXXX berechtigt sich ohne Zustimmung des Beschwerdeführers geeigneter Vertreter oder Hilfskräfte zu bedienen. Er hatte jedoch dem Beschwerdeführer die Tatsache der Vertretung und die Person mitzuteilen und hatte laut Werkvertrag Herr XXXX dafür Sorge zu tragen, dass seine Vertretung ebenfalls die geforderten Qualitätsnormen einhält.

Herr XXXX war in der Zeit vom 07.06.2011 bis 04.12.2013 im Gewerberegister mit dem Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" eingetragen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden und gründen sich insbesondere auf die Ermittlungen der Finanzpolizei, den Strafantrag, die vorliegenden von Herrn XXXX gestellten Rechnungen sowie den Prüfbericht.

Dass Herr XXXX im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mit seinem eigenen PKW für den Beschwerdeführer die Zustellung von Speisen vorgenommen hat, ist unstrittig.

Strittig ist, ob die festgestellte konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit des Herrn XXXX beim Beschwerdeführer als selbstständige Tätigkeit oder als unselbstständige Tätigkeit auf Basis eines Dienstvertrages rechtlich zu beurteilen ist, bzw. vom Überwiegen welcher Merkmale auszugehen ist und welchen dieser Merkmale entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung der Tätigkeit des Herrn XXXX beim Beschwerdeführer zukommt.

Die Feststellungen betreffend die abgeschlossenen Werkverträge ergeben sich aus den im Akt erliegenden Verträgen.

Die Feststellungen zu der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit des Herrn XXXX für den Beschwerdeführer ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer in der mit der WGKK am 27.08.2014 aufgenommenen Niederschrift getätigten Ausführungen sowie aus den Angaben des Herrn XXXX im Zuge seiner Einvernahme vor der WGKK am 29.09.2014.

Dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Vernehmung des Herrn XXXX ein Dolmetscher beigezogen werde hätte müssen, zumal Herr XXXX der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei, ist entgegenzuhalten, dass eine Person, die laut Ausführungen des Beschwerdeführers selbstständig werbend am Markt aufgetreten sei, der deutschen Sprache zumindest in dem Ausmaß mächtig sein muss, um grundlegende Fragen zu ihrer beruflichen Tätigkeit verstehen und beantworten zu können.

Dass Herr XXXX im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über einen Gewerbeschein verfügte, ist für gegenständliches Verfahren nicht von Relevanz, weil daraus nicht ableitbar ist, ob dieser im konkreten Fall in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig wurde oder nicht.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Franchiseunternehmer war und zwei Filialen hatte, ergibt sich aus seiner eigenen Aussage im Verwaltungsverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. In der vorliegenden Angelegenheit wurde kein derartiger Antrag gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A.) Abweisung der Beschwerde:

Nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl. etwa VwGH v. 21.12.2005, Zl. 2004/08/0066) kommt es für die Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall läge ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt.

Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet (VwGH 05.06.2002, 2001/08/0107, 0135 sowie 03.07.2002, 2000/08/0161).

Ein Werkvertrag liegt somit lediglich vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln müsse. Die gegenständlichen Tätigkeiten - nämlich die Verrichtung von Speisenzustellfahrten - sind nicht dazu geeignet, dieses zentrale Kriterium zu erfüllen. Worin ein von Herrn XXXX zu erbringendes Werk bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Zustellung von Speisen nicht als Werk im Sinne einer geschlossenen Einheit, sondern als Bemühen im Sinn einer Dienstleistung zu verstehen. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich nicht um ein Endprodukt im genannten Sinn, sondern um laufend zu erbringende (Dienst-)Leistungen eines Erwerbstätigen, der über keine unternehmerische Organisation verfügt und letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponiert. Bei der angeführten Tätigkeit handelt es sich um Hilfsarbeiten, die üblicherweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses erbracht werden.

Festzuhalten ist, dass es bei der Beurteilung des Sachverhalts vielmehr um die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit als um die vertragliche Vereinbarung geht. Der Umstand allein, dass ein als "Werkvertrag" bezeichneter Vertrag abgeschlossen wurde, schließt das Vorliegen eines unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus, zumal es gemäß

§ 539a ASVG für die Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts ankommt.

Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Dienstverhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Die Beantwortung der Frage, ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwiegen, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist.

Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z. B. einer längeren Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder eines das Arbeitsverfahren betreffenden Weisungsrechtes des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgeblicher Bedeutung sein. (vgl. unter vielen das Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2009/08/0123).

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist stets die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Persönliche Arbeitspflicht ist (unter anderem) dann nicht gegeben, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine generelle Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist oder wenn ein Beschäftigter die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann (vgl. etwa VwGH vom 12.10.2016, Zl. Ra 2016/08/0095 und vom 01.10.2015, Zl. Ro 2015/08/0020).

Von einer die persönliche Arbeitspflicht ausschließenden generellen Vertretungsbefugnis kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann gesprochen werden, wenn der Erwerbstätige berechtigt ist, jederzeit und nach Gutdünken irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw. ohne weitere Verständigung des Vertragspartners eine Hilfskraft beizuziehen. Keine generelle Vertretungsberechtigung stellt die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen dar, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloß wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (vgl. etwa zuletzt VwGH vom 12.10.2016, Ra 2016/08/0095). Im gegenständlichen Fall hätte Herrn XXXX den Beschwerdeführer über eine allfällige Vertretung in Kenntnis zu setzten gehabt und kann daher nicht vom Vorliegen einer generellen Vertretungsbefugnis ausgegangen werden.

Herr XXXX war insofern an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden, da der Beschwerdeführer ihn angerufen hat, wenn er ihn benötigt hat. Zudem war er an die Öffnungszeiten des Lokal gebunden. Herr XXXX war zudem an die Räumlichkeiten des Beschwerdeführers gebunden. So hat er Zustellungen ausschließlich ausgehend vom Geschäftslokal des Beschwerdeführers an vom Beschwerdeführer vorgegebene Kundenadressen durchgeführt. Insgesamt betrachtet kann somit keine eigene unternehmerische Struktur mit eigenen Mitarbeitern und eigenen unternehmerischen Gestaltungsspielraum in der Ausgestaltung der Tätigkeit des Herrn XXXX gesehen werden.

Hinzu kommt, dass bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden kann (vgl. VwGH vom 26.01.2010, Zl. 2009/08/0269 und 10.09.2014, Zl. Ro 2014/08/0069). Die von Herrn XXXX verrichteten Tätigkeiten, nämlich die Zustellung von Speisen, sind als solche einfachen manuellen Tätigkeiten zu qualifizieren und hatte Herr XXXX in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass bei der Tätigkeit eines "Pizzazustellers", bei der es sich um eine einfache manuelle Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit handelt, vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit von einem (echten) Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen ist (vgl. VwGH vom 04.04.2016, Ra 2015/08/0195 VwGH vom 10.09.2014, Ro 2014/08/0069; VwGH vom 26.01.2010, 2009/08/0269, ua.).

Die Merkmale für das Bestehen persönlicher Abhängigkeit sind im gegenständlichen Fall sohin als gegeben anzusehen. Im Verfahren betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung ist es ausreichend, darzulegen, dass jedenfalls ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegender Entgeltanspruch bestand (vgl. VwGH vom 04.09.2013, Zl. 2013/08/0110). Dass Herr XXXX ein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze erhielt, wurde nicht bestritten.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel finde, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Dem Beschwerdevorbringen, wonach das Auto das wesentliche Betriebsmittel für die Tätigkeit eines Pizzazustellers sei, ist auch zu entgegnen, dass wohl das zuzustellende Essen (Pizza) als wesentliches Betriebsmittel anzusehen ist.

Zu den in der Beschwerde angeführten Entscheidungen des OGH zur Qualifikation der Tätigkeit von Zustellern sowie eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes und der genannten Empfehlung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zur einheitlichen Vollzugspraxis der Versicherungsträger im Bereich des Melde-, Versicherungs- und Beitragswesens (E-MVB), Punkt 004-ABC-Z-003 (betreffend "Zustelldienste-Pizza-Service) genügt es auf die Ausführungen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.09.2014, Ro 2014/08/0069 zu verweisen, wonach es sich jeweils um einzelfallbezogene Beurteilungen auf Grund der konkreten Merkmale der Tätigkeit handelt, die nicht ausschließen, dass in anderen, im Einzelnen unterschiedlich gelagerten Fällen abweichende Ergebnisse erzielt werden und davon, dass nach der genannten Empfehlung Pizza-Zusteller generell als "neue Selbständige" anzuerkennen wären, keine Rede sein könne.

Damit ist hier festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis des Herrn XXXX nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG gegeben ist.

Dem Antrag auf Einholung eines betriebswirtschaftlichen sowie eines berufskundlichen Gutachten ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer mit diesem Beweisantrag kein konkretes Beweisthema, nämlich welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch die beantragte Einholung der beiden Gutachten hätten erwiesen werden sollen, nennt (VwGH 7.7.2011, 2008/15/0010, mwN; VwGH 20.2.2014, 2012/17/0109). Durch diesen Beweisantrag ist die Einholung eines Erkundungsbeweises beabsichtigt, weil dieser Antrag - nach dem bereits Gesagten - nicht konkrete Behauptungen zum Gegenstand hat. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren unzulässig (VwGH 12.4.1985, 85/18/0203; VwGH 2.9.1992, 92/02/0194; VwGH 22.2.1994, 93/04/0064). Daher ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, AVG § 46 Rz 16 mwN). Ob Herr XXXX über einen Gewerbeschein verfügt hat oder nicht, ist für gegenständliches Verfahren nicht von Relevanz, weil daraus nicht ableitbar ist, ob dieser im konkreten Fall in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig wurde oder nicht (VwGH vom 21.12.2011, 2010/08/0129 mwN). Es konnte daher auf den Beweisantrag der Einsichtnahme in den Gewerbeschein verzichtet werden.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage - wie beweiswürdigend dargelegt- in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010, S. 389, entgegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Dienstverhältnis, persönliche Abhängigkeit, Pflichtversicherung,
wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2189946.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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