TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/31 W261 2165755-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.07.2018
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Entscheidungsdatum

31.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W261 2165755-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin Gastinger, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 07.07.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.11.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Gang des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 04.08.2015 als unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling irregulär in Österreich ein. Die Jugendwohlfahrt Eisenstadt stellte für den mj. BF am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF war mit dieser Antragstellung nicht einverstanden.

Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit einer Dolmetscherin in der Sprache Dari. Dabei gab der BF an, afghanischer Staatsangehöriger und sunnitischer Moslem zu sein, und der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören. Er sei am XXXX in der Provinz Logar geboren, von wo aus er auch seine Flucht angetreten habe. Er sei Mechaniker gewesen und habe Afghanistan aus Furcht vor Verfolgung durch die Taliban verlassen. Sein Vater sei bereits von den Taliban getötet worden, weil er als Dorfältester einen Streit gegen einen Talibananhänger entschieden habe. Sein Bruder habe für die Dorfpolizei gearbeitet, und sei ebenfalls durch die Taliban entführt worden. Dieser sei seit drei Monaten verschollen. Der BF selbst sei von den Taliban in seiner Werkstatt mit dem Umbringen bedroht worden.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, hielt in einem Aktenvermerk vom 16.08.2018 zur Altersfeststellung fest, dass der BF angegeben habe, 18 Jahre alt zu sein, sein genaues Geburtsdatum sei ihm nicht bekannt. Daraufhin änderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost das Geburtsdatum des BF auf XXXX .

Am 09.06.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz (in der Folge belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Befragt durch die Einvernahmeleiterin, ob er seinen Asylantrag aufrechterhalte, bejaht dies der BF. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF im Wesentlichen das an, was er bereits bei der Erstbefragung aussagte. Sein Vater sei von den Taliban getötet worden, er wisse bis heute den Grund dafür nicht. Daraufhin sei sein Bruder, der Polizist gewesen sei, verschwunden. Er selbst sei dann noch einen Monat geblieben und habe weiter gearbeitet. Dann seien drei ihm unbekannte Personen in sein Geschäft gekommen, und hätten ein Auto zur Reparatur gebracht. Beim ersten Mal hätten sie nichts gesagt, beim zweiten Mal hätten sie dem BF Geld geboten, damit er bei Autos von Polizisten oder von Ausländern etwas platzieren solle. Der BF habe das Angebot nicht angenommen. Er sei am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit gegangen, sondern sei gleich ausgereist. Über Nachfragen gab er an, dass er gleich nach dem Vorfall zur Polizei gegangen sei, die ihn nicht ernst genommen habe. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil es überall unsicher sei. Der BF legte einen Vertrag mit dem Innenministerium, wonach er beauftragt werde, Polizeifahrzeuge zu reparieren, seine Tazkira, Photos aus Afghanistan und eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses, Level A1.1, vor.

Die belangte Behörde wies in weiterer Folge den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab. Weiters erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. cit., erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg. cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach die belangte Behörde aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg. cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es nicht festgestellt werden könne, dass der BF in Afghanistan einer begründeten Frucht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, bzw. er einer solchen dort gegenwärtig noch ausgesetzt wäre. Der BF leide an keiner Krankheit, die ein Rückkehrhindernis in seine Heimatprovinz Logar darstellen würde. Der BF sei arbeitsfähig und könne zumindest mit Gelegenheitsjobs einer Beschäftigung nachzugehen. Seine Familie könne ihn auch finanziell unterstützen. Er könne wieder seinen Beruf als Mechaniker ausüben. Eine reale Gefahr im Falle einer Rückkehr sei vom BF nicht vorgebracht worden und habe auch im Ermittlungsverfahren nicht ausgemittelt werden können. Der BF lebe bisher ausschließlich von Geldern der öffentlichen Hand. Es bestehe kein nennenswertes soziales Umfeld in Österreich. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben liege nicht vor.

Mit Verfahrensanordnung vom 10.07.2017 teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag stellte die belangte Behörde dem BF die juristische Person ARGE Rechtsberatung - Diakonie Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite.

Mit Eingabe vom 25.07.2017 erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Demnach sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben, auch die Länderfeststellungen würden nicht alle Aspekte berücksichtigen. Die belangte Behörde habe weder Berichte zur Herrschaft der Taliban und zu deren Vorgehensweise, noch aktuelle und ausführliche Berichte zur tatsächlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden in den angefochtenen Bescheid aufgenommen. Zudem sei der Entscheidung ein Beweismittel mit dem Namen "Aktuelles Gutachten v. Dr. M." zu Grunde gelegt, welches jedoch nicht abgedruckt worden sei. Somit sei nicht ersichtlich, um welches Gutachten es sich hier handeln solle. Unter Zitierung von Länderinformationen wies der BF darauf hin, dass es den Taliban möglich sei, individuelle Personen zu verfolgen. Die belangte Behörde habe es auch verabsäumt, obwohl der BF Unterlagen vorgelegt habe, diesem Vorbringen nachzugehen, und im Zuge eines Vertrauensanwaltes dazu Ermittlungen anzustellen. Es wäre mit Sicherheit möglich gewesen, Informationen über die Tätigkeit des BF bei der örtlichen Polizei in Logar bzw. der amerikanischen Militärbasis einzuholen bzw. bestätigen zu lassen. All dies habe die belangte Behörde unterlassen, weshalb das Verfahren mit einem groben Mangel behaftet sei. Die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan sei unter Hinweis auf diverse Länderinformationen prekär und habe sich in allen Landesteilen verschlechtert. In Deutschland sei die Abschiebung von abgelehnten Asylwerbern aus humanitären Gründen gestoppt worden, wie aus diversen zitierten Zeitungsartikeln zu entnehmen sei. Die Situation und Lage in Kabul sei eine humanitäre Katastrophe. Rückkehrer seien, wie dies die zitierten Länderinformationen belegen würden, mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Die Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden sei nicht gegeben. Dem BF stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Hätte die belangte Behörde als dies berücksichtigt, so hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der BF Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe, und daher als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen sei. Weiters hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass dem BF aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage jedenfalls eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK drohen würde, und auch keine innerstaatliche Fluchtalternative vorliege. Zudem habe die belangte Behörde unrichtige Feststellungen aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und einer mangelhaften Beweiswürdigung getroffen. Es werde daher der Antrag auf neuerliche Einvernahme des BF und Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Auch die rechtliche Beurteilung sei unrichtig. Beim BF würde eine Gefährdung durch Dritte vorliegen. Der BF würde in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner Tätigkeit und der daraus resultierenden unterstellten oppositionellen Gesinnung von regierungsfeindlichen Extremisten verfolgt. Die für die Asylgewährung erforderliche Anknüpfung an einen Konventionsgrund sei sohin gegeben. Es würden jedenfalls auch die Voraussetzungen zur Erteilung subsidiären Schutzes vorliegen, weil im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan für den BF das reale Risiko einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK gegeben sei. Der BF habe sich im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten um Integration bemüht. Es liege ein schützenswertes Privatleben des BF vor, ein Eingriff in dieses wäre jedenfalls unverhältnismäßig und sei auf Dauer unzulässig. Der BF beantragte, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG zuzuerkennen; in eventu, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben, und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen; für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages gem. § 8 Abs. 1 Z.1 AsylG festzustellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukommt; sowie festzustellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BVA-VG auf Dauer unzulässig ist und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist; sowie in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen und dem BF daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist; jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 26.07.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo dieser am 27.07.2017 einlangte.

Am 14.11.2017 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Der BF führte zu seinen Fluchtgründen aus, dass zwei Personen in seine Werkstatt gekommen seien. Diese hätten den BF bei ihrem zweiten Besuch aufgefordert, bestimmte Dinge in Polizeiautos einzubauen, wofür er genug Geld bekommen würde. Sie würden ihn auch in Ruhe lassen, auch wenn er weiterhin Polizeiautos repariere. Er sei dann am Abend nach Hause zurückgekehrt, habe nachgedacht und sei zum Entschluss gekommen, Afghanistan zu verlassen, ohne jemanden davon in Kenntnis zu setzen. Erst über Vorhalt der erkennenden Richterin führte der BF aus, dass er sich an die Polizei gewandt habe. Er sei einmal zum Kommandanten im Distrikt und einmal zum Kommandanten in der Provinz Logar gegangen. Man habe ihm nicht helfen können, deswegen sei sein Leben in Gefahr gewesen. Im Falle einer Rückkehr würde ihm das passieren, was ihm gedroht worden sei. Entweder müsse er den Personen helfen, oder er würde nicht überleben. Der BF legte in der mündlichen Verhandlung eine Reihe von Integrationsunterlagen vor. Das BVwG legte in der Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 25.09.2017 zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen im Rahmen des Parteiengehörs vor.

Mit Eingabe vom 04.12.2017 gab der BF, bevollmächtigt vertreten durch seinen Rechtsvertreter eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin führte der BF aus, dass ausgehend von seiner Tätigkeit für die afghanische Polizei objektiv davon auszugehen sei, dass der BF als besonders gefährdete Person anzusehen sei, und er mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer von Verfolgung durch die Taliban werden könne. Die Taliban würden nach einem zitierten Landinfo Report aus dem Jahr 2017 zu Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne über ein flächendeckendes Netzwerk verfügen, so dass der BF auch in Kabul nicht sicher sei, und es den Taliban möglich sei, ihn zu finden.

Das BvWG übermittelte den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 02.07.2018 das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit der Möglichkeit, hierzu eine Stellungnahme bis 24.07.2018 abzugeben.

Das BVwG führte am 12.07.2018 eine Auskunft im Strafregister durch, wonach für den BF im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung aufscheint.

Das BVwG führte am selben Tag eine Abfrage im Betreuungsinformationssystem durch, wonach der BF seit seiner Ankunft in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung bezieht.

Der BF gab mit Eingabe vom 24.07.2018, bevollmächtigt vertreten durch seinen Rechtberater, eine Stellungnahme ab. Darin führte er aus, dass bei den vorgelegten Länderinformationen bemängelt werde, dass bei der Situation der Rückkehrer ausschließlich auf den Fact Finding Mission Report Afghanistan zurückgegriffen werde, welcher dieses Thema einseitig, nicht ausgewogen und keinesfalls objektiv darstelle. Diese Fact Finding Mission habe im September 2017 stattgefunden, verweise auf Berichte der Staatendokumentation aus dem Jahr 2016 und sei daher nicht aktuell. Zudem werde das Rechercheergebnis im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche zitiert wird, in Zweifel gezogen. Demnach könne der BF nicht auf eine interne Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif verwiesen werden, da die dortige Sicherheitslage unzureichend sei und eine interne Fluchtalternative im Ergebnis mangels Zumutbarkeit nicht bestehe. Der BF führte weiter zu Situation in der Provinz Logar aus, wonach diese Provinz als volatile Provinz Afghanistans anzusehen sei. Auch die Situation in der Stadt Kabul würde unter Hinweis auf und Zitierung des aktuellen Gutachtens Fredericke Stahlmann vom 23.03.2018 eine Rückkehr des BF nicht zumutbar erscheinen lassen. Demnach sei landesweit eine Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen des in Afghanistan landesweit anzunehmenden innerstaatlichen Konfliktes grundsätzlich schon jetzt für alle in Afghanistan anwesenden Personen anzunehmen; diese Bedrohung aber besonders für Personen anzunehmen, die nach längerer Abwesenheit aus dem Ausland nach Afghanistan zurückkehren würden, weil sie die örtlichen Gegebenheiten, wie etwa welcher Teil eines Landesabschnittes oder einer Stadt gerade von welcher Gruppierung beherrscht werde, welche Verkehrswege gerade vergleichsweise sicher, welche aber zB wegen Verminung oder neu aufgestellter Checkpoints unsicher seien, auf welche Signale zu achten sei, um das Risiko, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, wenigstens zu reduzieren, wo und bei wem man aktuell Schutz suchen könne, bzw. wo und bei wem man dies aktuell unterlassen sollte, uvm., nicht kennen (können) würden, und ihnen zudem jene lokale Vernetzung fehle, die als notwendig anzunehmen sei, um die oben definierte Gefahr auf ein zumutbares Ausmaß zu reduzieren. Als ergänzende Beweisquellen zitierte der BF eine Entscheidung des Cour nationale du droit d'asile (Asylgerichtshof) vom 09.03.2018, wonach dieser aufgrund der Sicherheitslage in Kabul aufgrund der zitierten gewillkürten Gewalt aufgrund eines innerstaatlichen Konfliktes ein "real risk" einer Verletzung nach Art. 3 EMRK sehe. Daraus folge, dass in Afghanistan eine prekäre Sicherheitslage bestehe, und dies in jedem Teil Afghanistans. Die nach § 8 Abs. 1 2. Fall AsylG vorzunehmende Einschätzung der ernsthaften Bedrohung von Zivilpersonen im Zuge dieses Konfliktes falle aktuell deutlich ungünstiger aus, als noch vor einem oder anderthalb Jahren. Der afghanische Staat habe, auch in den Landesteilen, in denen er seinen Herrschaftsanspruch noch behaupten habe können, die Fähigkeit verloren, Individuen vor Verfolgungshandlungen Dritter, insbesondere der Taliban, zu schützen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Risiken kumulativ zu betrachten seien. Der BF müsse im Falle seiner Rückkehr einerseits damit rechnen, von den Taliban - aufgrund deren landesweit ausgebauten Spitzelnetzwerkes - gefunden zu werden, und weiterer Verfolgung in erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, es stehe ihm keinesfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

o Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF trägt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Provinz Logar, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Diese Angaben dienen ausschließlich zur Identifikation des BF im Asylverfahren.

Die Muttersprache des BF ist Dari.

Der Familie des BF besteht aus seinem bereits verstorbenen Vater

XXXX , seiner Mutter XXXX a, seinem Bruder XXXX und seiner Schwester

XXXX .

Es kann nicht festgestellt werden, wann und wie der Vater des BF zu Tode gekommen ist.

Der Bruder des BF ist verschollen.

Die Mutter und die Schwester des BF leben beim Cousin des BF, dem Sohn seines Onkels väterlicherseits, im Dorf XXXX . Der BF hat Kontakt mit seiner Familie.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF keine weiteren Verwandten in Afghanistan hat.

Der BF hat Freunde in der Provinz Logar, wobei er mit einem dieser Freunde in regelmäßigen telefonischen Kontakt steht.

Der BF besuchte bis zur sechsten die Schule. Er war insgesamt 10 Jahre lang als Mechaniker tätig, davon fünf Jahre lang als Lehrling und fünf Jahre lang als Mechaniker Meister.

Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken im Ausmaß von ca. drei Besva im Heimatdorf des BF.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Der BF ist ca. im Mai 2015 aus Afghanistan ausgereist. Er gelangte über Pakistan, den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn nach Österreich, wo er am 04.08.2015 als unbegleiteter Minderjähriger illegal einreiste. Am selben Tag stellte die Jugendwohlfahrt Eisenstadt für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz.

o Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen (betreffend die Gefahr, aufgrund seiner Weigerung mit den Taliban zusammenzuarbeiten und in Polizeiautos Gegenstände einzubauen, getötet zu werden) kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsstaat Afghanistan im Falle einer Rückkehr eine konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung von staatlicher oder privater Seite zu befürchten hätte.

o Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im August 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.

Der BF besuchte in einen Deutschkurs, und spricht ein wenig Deutsch. Er hat in Österreich Kontakt zu österreichischen Studenten, welche er jedoch noch nie zu Hause besuchte.

In seiner Freizeit spielt der BF Fußball und Volleyball und besucht ein "Kult Kaffee" und hilft in der Kirche aus.

Der BF besuchte am 31.10.2017 einen Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds. Er nahm ab 30.10.2017 an einem Basisbildungskurs mit 6-8 Wochenstunden teil.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

o Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem BF ist eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Logar aufgrund der prekären Sicherheitslage nicht möglich.

Dem BF steht als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in eine der Städte Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in eine dieser drei Städte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann in einer dieser drei Städte - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er hat bereits Berufserfahrung als Mechaniker gesammelt, die er in seinem Heimatstaat ebenfalls wird nutzen können.

Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der BF ist gesund. Es besteht kein objektivierter Hinweis auf eine krankheitswertige psychische Störung. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Kabul Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

o Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan in der Fassung vom 29.06.2018:

"...

2. Politische Lage

...

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

...

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

...

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

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Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

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Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

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3.1 Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

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Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

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Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

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3.5 Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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