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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASVG §4 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des C K in M, vertreten durch Dr. Karl Krückl, Dr. Kurt Lichtl, Dr. Christoph Huber, Mag. Christian Eilmsteiner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 50/IV, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 27. Jänner 2017, LVwG-300913/15/BMa/BZ, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG zu zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 113 Stunden), weil er es als Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S GmbH unterlassen habe, zwei namentlich genannte Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst darin, dass nach dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeiten keine Dienstverhältnisse im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG, sondern selbständige Tätigkeiten vorgelegen seien.
6 Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 17.4.2018, Ra 2018/08/0041, mwN).
7 Eine solche Unvertretbarkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, bei den unter Kontrolle und Anleitung eines Vorarbeiters der S GmbH sowie unter Verwendung des Baumaterials und der Maschinen dieser Gesellschaft verrichteten Verlegearbeiten von Steinbelägen seien Tätigkeiten in persönlicher Abhängigkeit vorgelegen, zeigt die Revision nicht auf. Es entspricht vielmehr der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden kann. Spricht die Vermutung in diesem Sinn für ein Dienstverhältnis, dann muss die bestreitende Partei ein ausreichend substanziiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. VwGH 21.8.2017, Ra 2016/08/0119, mwN).
8 Der Revisionswerber bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung weiters vor, das Verwaltungsgericht habe festgestellt, es sei den Dienstnehmern nicht offen gestanden, sich bei ihrer Arbeit vertreten zu lassen. Das ergebe sich jedoch nicht aus dem Akteninhalt. Die Aussage des als Zeugen einvernommenen mutmaßlichen Dienstnehmers, auf die sich das Verwaltungsgericht diesbezüglich stütze, könne "genauso gut dahingehend gewürdigt werden", dass dieser sich bloß mangels eigener Mitarbeiter nicht habe vertreten lassen können.
9 Die Beweiswürdigung ist einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 14.7.2017, Ra 2016/08/0132, 0133, mwN). Der - an sich nur zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 15.12.2017, Ra 2017/17/0012, mwN).
10 Im vorliegenden Fall wird in der Revision eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes nicht aufgezeigt. Im Übrigen könnte selbst die Vereinbarung eines generellen Vertretungsrechtes - unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) - die persönliche Arbeitspflicht nur dann ausschließen, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt worden wäre oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde (vgl. VwGH 12.10.2016, Ra 2016/08/0095, mwN).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukämen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Juli 2018
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Persönliche AbhängigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017080045.L00Im RIS seit
10.08.2018Zuletzt aktualisiert am
02.10.2018