Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Mag. Ziegelbauer und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei X***** KG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 5.999 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2017, GZ 22 R 236/17p-73, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 2. Mai 2017, GZ 13 C 827/14s-69, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt und 2,10 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
1. Der Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft und seine Lebensgefährtin kauften im Februar 2012 bei der Beklagten ein dunkelrotes Ledersofa. Es handelt sich um ein hochwertiges Produkt, der Kaufpreis betrug 5.999 EUR. Das Sofa wurde im Wohnzimmer frei stehend direkt entlang einer bis zum Fußboden reichenden Glasfront aufgestellt. Infolge der Sonneneinstrahlung bleichte das Leder nach wenigen Monaten aus und verfärbte sich von dunkelrot auf rosa. Die Teile, die sich unmittelbar neben der Glasfront befinden, weisen die größten Farbveränderungen auf.
Das Erstgericht wies das auf Wandlung und Rückerstattung des Kaufpreises gerichtete Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab (zum ersten Rechtsgang siehe 10 Ob 72/16k). Es traf die ergänzenden Feststellungen, dass beim Verkaufsgespräch im Hinblick auf den geplanten Aufstellungsort des Sofas die dort gegebene Sonneneinstrahlung thematisiert worden war. Der Verkaufsmitarbeiter fragte, ob eine Beschattungsmöglichkeit vorhanden sei, was bejaht wurde. Nicht festgestellt werden konnte, ob auch über die Art des Beschattungssystems gesprochen wurde. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Verkäufer mit der Frage nach dem Vorhandensein eines Beschattungssystems seiner Aufklärungspflicht hinreichend nachgekommen sei. Eine darüber hinausgehende Aufklärung sei nicht notwendig gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision nachträglich zu. Nach Bejahung der Frage nach dem Vorhandensein eines Beschattungssystems sei nach der Verkehrsauffassung nicht zugesichert gewesen, dass der Aufstellungsort geeignet und die Farbe des Sofas jedenfalls sonnenresistent sei. Der Verkäufer habe im Hinblick auf das bestätigte Vorhandenseins eines Beschattungssystems bei objektiver Betrachtung davon ausgehen dürfen, dass die Sitzgarnitur keiner schädlichen direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sein werde, da ein Beschattungssystem erfahrungsgemäß bei direkter Sonneneinstrahlung anspreche. Bei objektiver Betrachtung sei daher für die Beklagte eine Gefährdung der Klägerin nicht zu erkennen gewesen. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass die Sitzgarnitur für den von der Klägerin beabsichtigten Zweck bzw für den beabsichtigten Aufstellungsort ungeeignet sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem Zulassungs-ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig.
1. Art und Ausmaß der Aufklärungspflicht richten sich nach der Beschaffenheit und Funktionsweise des Kaufgegenstands und nach dem vorauszusetzenden Wissensstand des Käufers, somit nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0048335; vgl auch RS0111165). Auch die Frage der schlüssigen Zusage einer Eigenschaft hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0014177 [T2]).
2. Eine Aufklärungspflicht besteht in der Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (RIS-Justiz RS0106641). Die Aufklärungspflicht endet an der Grenze objektiver Voraussehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RIS-Justiz RS0016390).
3. Generelle Aussagen, in welchen Fällen die Aufklärungspflicht gerade noch besteht, sind aufgrund der Einzelfallbezogenheit kaum möglich (3 Ob 127/04d; RIS-Justiz RS0048335).
4. Die Ansicht des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung. Durch die Frage nach dem Vorhandensein einer Beschattungsmöglichkeit musste dem Geschäftsführer der klagenden Partei bewusst sein, dass die Farbechtheit trotz Sonneneinstrahlung nicht stillschweigend zugestanden war, er hat aber von sich aus keine weitere Aufklärung mehr verlangt. Die Ansicht der Vorinstanzen, die Nichtaufklärung über die Auswirkungen der trotz des Beschattungssystems (allenfalls) noch verbleibenden Sonneneinstrahlung sei nicht als schlüssige Zusage der Farbechtheit anzusehen, ist daher jedenfalls vertretbar. Nicht korrekturbedürftig ist auch die Ansicht, nach Bejahung der Frage nach einem Beschattungssystem sei für die Beklagte bei objektiver Betrachtung eine Gefährdung der klagenden Partei nicht mehr zu erkennen gewesen, sodass die Beklagte keine weiteren Aufklärungspflichten mehr trafen. Mit dem Vorbringen, Beschattungssysteme funktionierten temperaturabhängig und seien in der Regel nicht „ständig“ geschlossen, wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
5. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E122350European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00047.18M.0626.000Im RIS seit
10.08.2018Zuletzt aktualisiert am
14.06.2019