Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Jürgen P***** und einen belangten Verband wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die Berufung der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. Oktober 2017, GZ 36 Hv 47/17i-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, und der Finanzstrafbehörde, Mag. Gruber, zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Jürgen P***** wird für die nach dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Urteils des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. Oktober 2017, GZ 36 Hv 47/17i-22, begangenen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG sowie unter Bedachtnahme auf § 23 Abs 4 FinStrG nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von
38.000 Euro,
für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 20 FinStrG zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.
Gemäß § 26 Abs 1 FinStrG wird ein Teil der Strafe von 19.000 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Die Finanzstrafbehörde wird mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil (das entgegen § 22 Abs 1 und 2 VbVG iVm § 270 StPO gemeinsam mit jenem gegen den belangten Verband ausgefertigt worden ist [13 Os 139/15p, EvBl 2016/62, 422; RIS-Justiz RS0130765]) wurde Jürgen P***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.
Danach hat er in den Jahren 2010 bis 2013 im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Kufstein Schwaz vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuer um insgesamt 186.737,14 Euro (US 8) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem er als geschäftsführender Gesellschafter der S***** GmbH für die Monate Jänner 2010 bis März 2013 und Mai 2013 bis August 2013 (US 7 f) bis zum 15. Tag des auf den jeweiligen Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonats weder eine Umsatzsteuer-Voranmeldung einreichte noch die entsprechende Vorauszahlung entrichtete.
Das Schöffengericht verhängte hiefür unter Anwendung des § 21 FinStrG nach § 33 Abs 5 FinStrG eine Geldstrafe von 10.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 20 FinStrG) von einem Monat.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diesen Strafausspruch aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Recht.
Vorweg ist festzuhalten, dass die insoweit relevierte Bestimmung des § 23 Abs 4 FinStrG während des Tatzeitraums, nämlich durch die FinStrG-Novelle 2010 BGBl I 2010/104 mit Wirkung vom 1. Jänner 2011, geändert worden ist. Da hier solcherart Finanzvergehen mit (hinsichtlich der Untergrenze) unterschiedlichen Strafdrohungen zusammentreffen, ist § 23 Abs 4 FinStrG gemäß § 21 Abs 2 erster Satz FinStrG in der durch die FinStrG-Novelle 2010 geänderten Fassung anzuwenden (vgl [zu § 26 Abs 1 FinStrG] 13 Os 9/17y, EvBl 2017/115, 787).
Hievon ausgehend zeigt die Beschwerde zutreffend auf, dass das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritten hat (Z 11 erster Fall), indem es bei einer Strafdrohung von bis zu 373.474,25 Euro (§ 33 Abs 5 FinStrG) eine Geldstrafe von nur 10.000 Euro aussprach und solcherart die in § 23 Abs 4 erster Satz FinStrG normierte Untergrenze von einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe unterschritt (13 Os 183/08y, SSt 2009/87; RIS-Justiz RS0125615). Die im zweiten Satz des § 23 Abs 4 FinStrG vorgesehene Möglichkeit der Unterschreitung dieser Grenze aus „besonderen Gründen“ besteht seit der FinStrG-Novelle 2010 nur mehr für Finanzvergehen, deren Ahndung nicht dem Gericht obliegt (hiezu § 53 FinStrG).
Demzufolge war der Strafausspruch aufzuheben und insoweit in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).
Bei der Strafneubemessung waren gemäß § 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden.
Solcherart waren das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen als erschwerend (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), der bislang ordentliche Lebenswandel und der auffallende Widerspruch der Taten zum sonstigen Verhalten des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), die gänzliche Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB) sowie das umfassende und reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) als mildernd zu werten.
Ausgehend davon (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) war auf der Grundlage des vergleichsweise geringen Schuldgehalts (§ 32 Abs 1 StGB) sowie unter Berücksichtigung der Täterintention, den infolge eines nicht verschuldeten Zahlungsverzugs drohenden Verlust des Betriebs und der damit verbundenen Arbeitsplätze zu verhindern (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB), die Geldstrafe am unteren Rand des gesetzlichen Strafrahmens (§ 33 Abs 5 FinStrG iVm § 23 Abs 4 erster Satz FinStrG) auszumessen.
Da dem weder spezialpräventive noch generalpräventive Erwägungen entgegenstehen, war die Hälfte der ausgesprochenen Sanktion unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen (§ 26 Abs 1 FinStrG).
Eine – gegebenenfalls vom Erstgericht zu erteilende (13 Os 136/11s, SSt 2011/68; RIS-Justiz RS0086098; Lässig in WK² FinStrG § 26 Rz 9) – Weisung im Sinn des § 26 Abs 2 FinStrG hat hier mit Blick auf die bereits erfolgte gänzliche Schadensgutmachung zu unterbleiben.
Die Finanzstrafbehörde war mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122308European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00023.18H.0627.000Im RIS seit
07.08.2018Zuletzt aktualisiert am
23.07.2021