TE OGH 2018/7/18 5Ob41/18t

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Veröffentlicht am 18.07.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI W***** L*****, 2. MMag. M***** B*****, 3. Dr. C***** P*****, 4. Mag. H***** M*****, 5. Mag. E***** M*****, 6. Dr. M***** C*****, 7. M***** S*****, 8. Dr. H***** W*****, alle vertreten durch Mag. Arthur Machac, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P***** M*****, 2. E***** L*****, 3. A***** S*****, 4. I***** Z*****, alle vertreten durch Dr. Reinhard Kropff, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert 3.100 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. November 2017, GZ 36 R 166/17d-56, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 3. April 2017, GZ 25 C 165/15p (25 C 208/15m)-47, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 626,90 EUR (darin 104,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger, der Erst- und die Zweitbeklagte sind Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien. Mit den Anteilen der Kläger ist Wohnungseigentum verbunden; der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte sind schlichte Miteigentümer („Mischhaus“).

Das auf der Liegenschaft errichtete Haus besteht aus dem Erdgeschoss, zwei Stockwerken und einem ausgebauten Dachgeschoss. Im Erdgeschoss befinden sich neben der Wohnung Top Nr 2 die Geschäftslokale Top Nr 1 und Top Nr 3. Die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten, zwei juristische Personen, waren ursprünglich die Eigentümer der gesamten Liegenschaft. Sie führten eine Generalsanierung des Hauses durch, um danach die einzelnen wohnungseigentumstauglichen Objekte zu verkaufen und Wohnungseigentum zu begründen. Die Sanierung des Hauses wurde 1993 abgeschlossen. Im August 1997 schlossen die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten und die zu diesem Zeitpunkt bereits als Miteigentümer eingetragenen Wohnungseigentumsbewerber einen Wohnungseigentumsvertrag. Darin wurde vereinbart, dass hinsichtlich der nach dem Nutzwertgutachten auf das Geschäftslokal Top Nr 1 entfallenden Anteile vorläufig kein Wohnungseigentum begründet werde, weil diese Anteile je zur Hälfte auf die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten entfielen und die Begründung von Wohnungseigentum für diese zwei juristischen Personen rechtlich nicht möglich war. Die Vertragsparteien des Wohnungseigentumsvertrags verpflichteten sich jedoch zur Einräumung des Wohnungseigentums an dem Geschäftslokal Top Nr 1 ohne zusätzliche Vereinbarung, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen sind. Das Wohnungseigentum wurde 1998 – hinsichtlich der Wohnungen und des Geschäftslokals Top Nr 3, nicht jedoch hinsichtlich des den Rechtsvorgängern des Erst- und der Zweitbeklagten zugeordneten Geschäftslokals Top Nr 1 – verbüchert. Die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten blieben schlichte Miteigentümer.

Im Zeitraum Februar bis Juni 2015 betrieben die Beklagten in der Top Nr 1 ein Prostitutionslokal; der Drittbeklagte ist Mieter der Top Nr 1 und die Viertbeklagte Pächterin und Betreiberin des Prostitutionsunternehmens.

Die Kläger begehrten, die Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, im Geschäftslokal Top Nr 1 ein Prostitutionslokal zu betreiben oder durch einen oder mehrere Dritte betreiben zu lassen. Weiters begehrten sie, die Beklagten zu verpflichten, die an der Fassade des Hauses oberhalb des Geschäftslokals Top Nr 1 angebrachte Aufschrift „STUDIO“ und die etwas schräg stehenden, nächtlich rot beleuchteten Balken sowie die an den Scheiben der beiden zur Straße gehenden Fenster des Geschäftslokals Top Nr 1 schräg angebrachten Aufschriften „STUDIO“, die hinter jeder der beiden Fensterscheiben angebrachten Leuchtschriften „open“ samt der sie umkreisenden Lichterketten und die still stehenden Lichterketten an den Rändern der Fensterscheibe zu beseitigen. Der Betrieb des Prostitutionslokals bewirke eine Änderung der Widmung des Geschäftslokals Top Nr 1 und eine Änderung des äußeren Erscheinungsbilds des Hauses. Diese Änderungen beeinträchtigten schutzwürdige Interessen der Kläger und hätten daher der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft. Diese sei aber nicht erteilt worden.

Die Beklagten wandten ein, dass die bestehende Widmung als Geschäftslokal die Verwendung als Prostitutionslokal nicht ausschließe. Diese beeinträchtige die übrigen Wohnungseigentümer auch nicht. In der Nähe befänden sich zahlreiche andere Bordellbetriebe und die Kennzeichnung durch Beleuchtung sei bei Geschäftslokalen allgemein üblich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Schlichte Miteigentümer in „Mischhäusern“ seien auf die ihnen im 16. Hauptstück des zweiten Teils des ABGB eingeräumten Rechte beschränkt. Aus §§ 828 und 829 Satz 2, ansatzweise auch aus § 833 Satz 1 ABGB könne das Verbot der Beeinträchtigung der anderen Teilhaber durch Verfügungen, aber auch durch im weiteren Sinn übermäßige Gebrauchshandlungen bzw sonstige rechtswidrige Eingriffe abgeleitet werden. Es sei daher zu prüfen, ob den Beklagten eine Störung des Eigentums der Kläger vorzuwerfen sei, welche diese zur Durchsetzung der Ansprüche auf Unterlassung des Betriebs eines Prostitutionslokals und zur Beseitigung der Veränderungen an der Fassade des Hauses berechtigten. Dabei sei die zum WEG ergangene Judikatur analog heranzuziehen. Eine allfällige Störung der Rechtssphäre der Kläger sei in einem ersten Schritt anhand der Widmung der Top 1 im Haus zu überprüfen. Im Wohnungseigentumsvertrag vom 1. 8. 1997 werde die Top Nr 1 als Geschäftslokal, in den Konsensplänen EG und OG als Gastlokal bezeichnet. Vor Ankauf des Hauses durch die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten im Jahr 1991 seien die Räumlichkeiten im Objekt als Bordell genutzt worden. Danach sowie in der Folge vermieteten der Erst- und die Zweitbeklagte die Top Nr 1 an verschiedene Personen, beispielsweise an einen Tischler, einen türkischen Jugendclub, an den Verein U***** sowie an ein Bauunternehmen. Eine Änderung der Geschäftstätigkeit bewirke nach der Rechtsprechung dann keine Widmungsänderung, wenn sich die Miteigentümer vertraglich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt hätten; die Grenze sei allerdings die Verkehrsüblichkeit, die zumindest als mögliches Auslegungskriterium heranzuziehen sei. Welche Widmung ein Wohnungseigentumsobjekt habe, entscheide nur die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer, die in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag erfolge. Nach diesem hätten sich die Miteigentümer mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt und die nachfolgende Nutzung habe auch keine konkludente Einigung auf einen bestimmten Geschäftszweig gebracht. Wenn die Kläger ausführten, der Inhalt der Widmung des Geschäftslokals sei „kein Prostitutionslokal in der Top Nr 1“, entfernten sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Aus diesem ergebe sich lediglich, dass es im Wohnungseigentumsvertrag keine bestimmte Zweckwidmung des Geschäftslokals sowie unterschiedlichste Mieter gegeben habe. Dass unter diesen – jedenfalls seitdem die Kläger Miteigentümer seien – keine Betreiber eines Prostitutionslokals gewesen seien, heiße nicht, dass der Inhalt der Widmung der Ausschluss eines Prostitutionslokals sei. Die von den Klägern vorgenommene Interpretation würde bedeuten, dass alle im Lokal nicht ausgeübten Geschäftszweige von der Widmung ausgeschlossen wären. Sei keine spezielle Geschäftsraumwidmung zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern getroffen worden, bewirke die Umwandlung des Gegenstands und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt – hier in dem im schlichten Miteigentum stehenden und dem Erstbeklagten sowie der Zweitbeklagten zur alleinigen Nutzung übertragenen Geschäftslokal Top Nr 1 – geführten Unternehmens dann eine genehmigungsbedürftige Änderung, wenn dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten würden. Dazu bedürfe es eines „Vorher-Nachher-Vergleichs“. Die Beurteilung sei einzelfallbezogen, Maßstäbe seien die allgemeine Lebensführung und die Beschaffenheit des Hauses und seines Umfelds. Nun habe es wohl schon im Haus selbst seit mehr als 25 Jahren keinen Bordellbetrieb mehr gegeben, doch gebe es eine vielfältige Nutzung des Objekts Top Nr 1 und insbesondere gebe es eine bemerkenswerte Dichte von Prostitutionslokalen im Umfeld des Hauses. Die von den Beklagten vorgenommene Nutzungsänderung des Objekts sei daher als verkehrsüblich zu erachten. Die Änderung des äußeren Erscheinungsbilds der Fassade überschreite ebenfalls den Rahmen der Verkehrsüblichkeit nicht. Betrachte man sowohl die Nutzung des Objekts nach Ankauf des Hauses durch die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten als auch das Umfeld des Hauses, so seien die Aufschriften und nächtlich beleuchteten Balken als für Geschäftslokale einerseits und für die nähere Umgebung andererseits typisch zu erachten. Es möge zutreffen, dass die Kombination der Aufschriften und Beleuchtung auf ein Prostitutionslokal hinweisen, die aber – wie ausgeführt – in dieser Gegend äußerst verbreitet seien. Schließlich sei nichts daran auszusetzen, dass das Erstgericht auch Prostitutionslokale, die weiter als 200 m vom Haus entfernt seien, der unmittelbaren Umgebung zugeordnet habe.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die Revision für zulässig, weil es die zum Wohnungseigentum ergangene Judikatur analog herangezogen habe. Die Komplexität der Rechtsfragen ergebe sich zudem nicht nur aus der Tatsache, dass ein sogenanntes „Mischhaus“ vorliege, sondern auch daraus, dass der Drittbeklagte Mieter des Geschäftslokals und die Viertbeklagte Pächterin und Betreiberin des Prostitutionsunternehmens sei.

         Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger. Sie machen als Revisionsgründe die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; in eventu stellen sie Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig.

1. Die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB kann von jedem Miteigentümer (Wohnungseigentümer) nicht nur gegen Dritte, sondern auch gegen andere Miteigentümer (Wohnungseigentümer) erhoben werden (5 Ob 65/17w; RIS-Justiz RS0012137, RS0012112, RS0012114, RS0013417, RS0013428). Für die Beseitigung einer behauptetermaßen eigenmächtig vorgenommenen Änderung macht es dabei keinen Unterschied, ob der Beklagte als Wohnungseigentümer oder als schlichter Miteigentümer in Anspruch genommen wird (5 Ob 73/14t; 5 Ob 7/13k; 5 Ob 40/12m).

2.1. Das Berufungsgericht ging zutreffend davon aus, dass das im Wohnungseigentumsvertrag vom 1. 8. 1997 beschriebene Geschäftslokal Top Nr 1 zwar als allgemeiner Teil der Liegenschaft im schlichten Miteigentum aller Miteigentümer steht, aber im Rahmen einer Benützungsvereinbarung dem Erst- und der Zweitbeklagten zur alleinigen Nutzung übertragen wurde.

2.2. Eine solche Benützungsvereinbarung bewirkt die Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen (RIS-Justiz RS0029352). Einem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, kommt die ausschließliche rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zu (5 Ob 73/14t; 8 Ob 130/13w; 5 Ob 40/12m). Diesem alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrecht eines Miteigentümers steht § 828 ABGB, wonach kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf, nur dann entgegen, wenn eine Widmungsänderung oder ein Eingriff in die Substanz in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingreifen und deren wichtige Interessen berühren (5 Ob 23/16t; 5 Ob 73/14t; 8 Ob 130/13w; 5 Ob 7/13k; 5 Ob 40/12m; RIS-Justiz RS0013205; RS0013604).

2.3. Widmungsänderungen sind, auch wenn sie die einzelnen Teilhabern zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftsguts betreffen, als Veränderung in der Rechtssphäre der Anderen und Interessenberührung zu werten und daher ohne Zustimmung aller übrigen Mit- und Wohnungseigentümer (ohne Einstimmigkeit) unzulässig (5 Ob 174/02b = RIS-Justiz RS0013205 [T4]; zu Substanzveränderungen insbesondere durch Baumaßnahmen 5 Ob 7/13k; 8 Ob 130/13w; RIS-Justiz RS0013205 [T3, T8]).

3.1. Die Notwendigkeit der Zustimmung aller übrigen Mit- und Wohnungseigentümer besteht erst dann, wenn der Miteigentümer tatsächlich eine (Widmungs-)Änderung seines Objekts vornimmt. Nur dann steht nämlich anderen Mit- und Wohnungseigentümern ein Unterlassungsanspruch zu. Es ist daher zu prüfen, ob das dem Erst- und der Zweitbeklagten aus der Benützungsvereinbarung zukommende Verfügungsrecht die in diesem Verfahren beanstandeten Maßnahmen der Beklagten (Betrieb eines Prostitutionslokals und eine dies kennzeichnende Gestaltung der Fassade) deckt.

3.2. Das Änderungsrecht des § 16 Abs 2 WEG betrifft nur Wohnungseigentümer, nicht aber auch schlichte Miteigentümer in sogenannten Mischhäusern (5 Ob 84/14k; RIS-Justiz RS0083174). Inhalt und Umfang der Sondernutzungsrechte des Erst- und der Zweitbeklagten an der Top Nr 1 bestimmen sich daher nach der getroffenen Benützungsvereinbarung. Es entspricht aber dem wohlverstandenen Sinn der hier von den Mit- und Wohnungseigentümern im Wohnungseigentumsvertrag getroffenen Vereinbarung, dass der Erst- und die Zweitbeklagte gleich Wohnungseigentümern (bzw Eigentümerpartnern) zur Nutzung des ihnen zugeordneten (wohnungseigentumstauglichen) Objekts berechtigt sind. Es ist daher nicht nur für die Frage, zu welchem Zweck die Top Nr 1 (also der Sachteil, der den Gegenstand dieser Benützungsregelung bildet) verwendet werden darf, wie bei Wohnungseigentumsobjekten auf dessen Widmung abzustellen. Angesichts des von den Mit- und Wohnungseigentümern im hier zu beurteilenden Einzelfall vertraglich geschaffenen Gleichklangs hat das Berufungsgericht vielmehr zu Recht auch auf die Rechtsprechung zur Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG zurückgegriffen.

3.3. Nach dieser Rechtsprechung kann die Änderung eines in einem Geschäftslokal betriebenen Unternehmensgegenstands und seiner Betriebsform eine Widmungsänderung sein. Ob dies zutrifft, also zur Prüfung, ob eine Widmungsänderung vorliegt, ist die Widmung des betreffenden Objekts der beabsichtigten oder bereits tatsächlich erfolgten Verwendung gegenüberzustellen (5 Ob 160/17s; 5 Ob 117/16s; RIS-Justiz RS0101800 [T8]). Für die Frage der Widmung wiederum ist auf die (allenfalls konkludente) privatrechtliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer abzustellen (5 Ob 160/17s; RIS-Justiz RS0120725 [T1, T4]; RS0119528 [T4, T6]).

3.4. Ansatzpunkt muss also zunächst sein, welche Widmung auf der Grundlage der darüber bestandenen vertraglichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer für das betreffende Objekt besteht. Dieser Widmungsakt gibt Auskunft über die zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern bestehende Rechtslage. Die Beschreibung des Wohnungseigentumsobjekts oder die Bezeichnung der betreffenden Räume und der daraus resultierende Verwendungszweck in einem Nutzwertgutachten kann ein bei der Auslegung zu berücksichtigender Aspekt sein, soweit ein Konnex auf die Einbeziehung dieser Umstände in die Widmungsvereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer indiziert ist. Besteht keine spezifische Geschäftsraumwidmung, war also kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt (5 Ob 105/16a). Es kann im Verlauf der Zeit zwar zu Widmungsänderungen kommen, die ebenfalls eine
– grundsätzlich auch konkludent mögliche – Willenseinigung aller Mit- und Wohnungseigentümer erfordert (5 Ob 160/17s; 5 Ob 105/16a; RIS-Justiz RS0120725 [T9], RS0114928 [T2, T3]). Soweit allerdings ein (konkludenter) Verzicht auf Verwendungsmöglichkeiten angenommen werden soll, die in einer unspezifizierten Widmung Deckung finden, ist – schon nach allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen – besondere Vorsicht geboten (5 Ob 160/17s; 5 Ob 105/16a).

4.1. Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt (§ 502 Abs 1 ZPO). Die Auslegung einer Benützungsvereinbarung hat stets unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (vgl 5 Ob 26/17k; 5 Ob 152/16p; 5 Ob 255/09z; allgemein zur Vertragsauslegung RIS-Justiz RS0044358 [T7, T11]; RS0042555; RS0042776; RS0042936). Das rechtswirksame Zustandekommen und der Inhalt einer Widmung hängen ebenso von den konkreten Umständen des gerade zu beurteilenden Falls ab (RIS-Justiz RS0120725 [T3]), wie die Frage, ob die Umwandlung des Gegenstands eines Unternehmens, das ein Miteigentümer im mittels Benützungsregelung zugewiesenen Objekt führt, vom Verfügungsrecht des Benützungsberechtigten gedeckt ist oder eine zustimmungsbedürftige Änderung bewirkt (5 Ob 117/16s). Diese Fragen des Einzelfalls wären nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 2 ZPO, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

4.2. Eine solche aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls durch das Berufungsgericht liegt hier aber nicht vor. Im Wohnungseigentumsvertrag vom 1. 8. 1997 und der diesem zugrunde gelegten Nutzwertfestsetzung (Sachbeschluss des Außerstreitgerichts und Nutzwertgutachten) wird die Top Nr 1 – unspezifisch – als „Geschäftslokal“ gewidmet. Bis zum Ankauf des Hauses durch die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten 1991 wurden die Räumlichkeiten im Objekt als Bordell genutzt. Da für das Objekt Top Nr 1 kein Käufer gefunden werden konnte, stand dieses bis Mai 1996 leer. Danach wurde das Objekt an verschiedene Personen vermietet, beispielsweise an Tischler, einen Jugendclub, an den Betreiber eines Flüchtlingsprojekts und an ein Bauunternehmen. Es gab immer wieder Zeiträume, in welchen das Objekt leer stand. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die von dem Erst- und der Zweitbeklagten vorgenommene und von der Klägerin bekämpfte Bereitstellung ihres Objekts zum Betrieb eines Prostitutionslokals sei durch die bestehende – unspezifische – Geschäftsraumwidmung gedeckt und zulässig, jedenfalls vertretbar. Dass betreffend diese Widmung eine spätere (konkludente) Änderung (Einschränkung) erfolgt sei, kann den getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden. Die Revision befasst sich sehr ausführlich mit der Frage der – von den Vorinstanzen bejahten und den Klägern bestrittenen – Verkehrsüblichkeit der diesem Verfahren inkriminierten Verwendung. Die Verkehrsüblichkeit spielt als Auslegungskriterium für der Ermittlung des Inhalts einer privatrechtlichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer über die Widmung eines Objekts zwar grundsätzlich auch bei der Beurteilung, ob eine vorgenommene oder beabsichtigte Änderung der Nutzung eines Objekts eine zustimmungs- bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung bewirkt, eine Rolle; im hier vorliegenden Fall einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung tritt diese allerdings in den Hintergrund (vgl 5 Ob 105/16a = RIS-Justiz RS0119528 [T7]). Abgesehen davon ist angesichts der Sachlage auch in den Überlegungen des Berufungsgerichts zur Verkehrsüblichkeit keine als unvertretbar aufzugreifende Einzelfallbeurteilung zu erkennen.

5. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revision ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0112296; RS0035979; RS0035962). Kostenbemessungsgrundlage ist jedoch weiterhin der in der Klage angegebene Streitwert und nicht der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0035750).

Textnummer

E122326

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00041.18T.0718.000

Im RIS seit

08.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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