Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Dieter Gallistl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Anton Moser, Rechtsanwalt in Traun, wegen brutto 10.171,24 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. März 2018, GZ 12 Ra 7/18p-12, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. November 2017, GZ 9 Cga 74/17b-8, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Bestätigt der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts und erachtet er dessen Begründung für zutreffend, so reicht es aus, wenn er auf deren Richtigkeit hinweist (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Dies ist hier der Fall.
Der am 4. 10. 1961 geborene Kläger war von 8. 10. 1984 bis zur Kündigung durch die Beklagte zum 30. 6. 2017 als Lagerleiter beschäftigt. Mit Vereinbarung vom 28. 2. 2015 setzten die Parteien die wöchentliche Normalarbeitszeit des Klägers von 38,5 Stunden auf 29 Stunden herab. Weiters erklärte sich der Kläger in dieser Vereinbarung damit einverstanden, dass künftige Abfertigungsansprüche gemäß § 23 AngG nur nach dem jeweiligen Teilzeitentgelt auf Basis von 29 Stunden berechnet würden und es zu keiner Durchschnittsbetrachtung aller maßgeblichen Dienstjahre komme. Der Kläger erhielt eine gesetzliche Abfertigung auf Basis des zuletzt bezogenen Bruttomonatlohns.
Der Kläger begehrt 10.171,24 EUR sA an Abfertigungsdifferenz. § 14 Abs 4 AVRAG sei einseitig zwingend zugunsten des Arbeitnehmers und damit habe der Kläger nicht wirksam auf die Berechnung der Abfertigung nach dem Durchschnittsprinzip verzichten können.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt. § 14 Abs 4 AVRAG sei relativ zwingend, sodass nur für den Arbeitnehmer günstigere Vereinbarungen getroffen werden könnten.
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO); sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. § 16 AVRAG ordnet an, dass alle Rechte, die dem Arbeitnehmer aufgrund der §§ 2 bis 15a AVRAG zustehen, durch Arbeitsvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung weder aufgehoben noch beschränkt werden können. Die Regelungen des AVRAG sind insofern relativ zwingend, als nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers davon abgewichen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0111017). Abweichende Regelungen zB im Arbeitsvertrag sind also nur zulässig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger als die Anordnungen im Gesetz sind (Pfeil in ZellKomm² §§ 16, 17 AVRAG Rz 3).
§ 14 AVRAG wurde durch das ASRÄG 1997 BGBl I 139/1997 unter anderem mit dem Ziel ins Gesetz eingefügt, „Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine flexible Gestaltung des Arbeitslebens zu erleichtern, ohne aber die arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitnehmer zu verschlechtern (Abfertigung, Kündigungsschutz)“ (RV 886 BlgNR 20. GP 74; vgl auch Pfeil in ZellKomm² § 14 AVRAG Rz 1).
Vor diesem Hintergrund modifiziert § 14 Abs 4 AVRAG die Abfertigungsregeln nach AngG, ArbAbfG und GAngG bei Herabsetzung der Normalarbeitszeit durch Vereinbarung nach § 14 Abs 2 AVRAG: Gemäß § 14 Abs 4 Satz 1 AVRAG hat eine solche Vereinbarung keine negative Auswirkung auf den Anspruch auf Abfertigung – insbesondere auch nach § 23 AngG –, wenn die Herabsetzung der Normalarbeitszeit weniger als zwei Jahre gedauert hat. Hat sie – wie hier – zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits länger als zwei Jahre gedauert, so ist nach § 14 Abs 4 Satz 2 AVRAG – sofern keine andere Vereinbarung abgeschlossen wird – bei der Berechnung einer nach dem AngG, dem ArbAbfG oder dem GAngG zustehenden Abfertigung für die Ermittlung des Monatsentgelts vom Durchschnitt der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit auszugehen.
2. Aus § 16 AVRAG folgt, dass eine „andere Vereinbarung“ nur eine für den Arbeitnehmer im Vergleich zu der in § 14 Abs 4 Satz 2 AVRAG angeordneten Durchschnittsbetrachtung günstigere Regel sein kann (so auch Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG³ § 14 Rz 18; Pfeil in ZellKomm² § 14 AVRAG Rz 4; Holzer/Reissner in AVRAG² § 16 Rz 12). Da sich § 14 Abs 4 AVRAG explizit als Modifikation der Abfertigungsregeln nach AngG (bzw ArbAbfG oder GAngG) versteht (vgl Jabornegg, Arbeitsrechtliche Aspekte des ASRÄG 1997, in Jabornegg/Resch, Rechtsfragen des ASRÄG 1997, 36), liegt insoweit eine nach § 16 AVRAG vor Verschlechterungen geschützte Rechtsposition des Arbeitnehmers vor.
3. Die Vorinstanzen haben daher die zwischen den Parteien anlässlich der Herabsetzung der Normalarbeitszeit getroffene Vereinbarung, wonach künftige Abfertigungsansprüche unter Abbedingung einer Durchschnittsbetrachtung aller maßgeblichen Dienstjahre gemäß § 23 AngG nur nach dem jeweiligen Teilzeitentgelt auf Basis von 29 Stunden berechnet werden, zutreffend als unwirksam beurteilt.
Der unbegründeten Revision war damit nicht Folge zu geben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E122357European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00029.18Z.0719.000Im RIS seit
10.08.2018Zuletzt aktualisiert am
19.03.2021