TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/16 W257 2185015-2

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Veröffentlicht am 16.07.2018
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Entscheidungsdatum

16.07.2018

Norm

AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W257 2185015-2/2Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA, als Einzelrichter in der Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV.) und des Verlustes des Aufenthaltsrechtes (Spruchpunkt V.) des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

In teilweiser Stattgebung der vollumfänglichen Beschwerde werden die Spruchpunkt IV. und V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 11.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Es wurde schließlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer seit dem 30.03.2017 gem. § 13 Abs. 2 Ziffer 3 AsylG 2005 sein Recht auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe.

Die belangte Behörde begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, welche vom Beschwerdeführer ausgehe, da dieser wiederholt straffällig geworden sei und sich derzeit wegen vorsätzlicher schwerwiegender Delikte in Untersuchungshaft befände. Den Verlust des Aufenthaltsrechts begründete die belangte Behörde mit der Straffälligkeit des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit Schriftsatz vom 09.07.2018 durch den Vertreter des Beschwerdeführers erhobene vollumfängliche Beschwerde. Darin wird hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass es sich bei den gegenständlichen Verurteilungen um Jugendstraftaten handeln würde. Daraus könne keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abgeleitet werden. Im Übrigen sei die Verhängung der Untersuchungshaft nicht mit einer Verurteilung gleichzuhalten. Der Beschwerdeführer brachte gegen den Verlust des Aufenthaltsrechts vor, dass gemäß § 5 Z 10 JGG bei Jugendstraftaten die in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten.

Mit Schreiben vom 11.04.2018 der Staatsanwaltschaft XXXX , XXXX , wurde die belangte Behörde von der Anklageerhebung wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen verständigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen

Der vorstehende Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , wegen den §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a und 3 SMG, § 15 StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten und mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , wegen den §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a und 3 SMG, § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt (Strafregisterauszug vom 10.07.2018).

2. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten (Verwaltungs- und Gerichtsakt) des Beschwerdeführers und der Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Zum Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt (Z 1), schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (Z 2), der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat (Z 3), der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat (Z 4), das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht (Z 5), gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist (Z 6), oder der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen (Z 7).

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet seit seinem Beschluss vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung, dass § 18 Abs. 5 BFA-VG das Bundesverwaltungsgericht dazu verpflichtet, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden (VwGH 19.10.2017, Ra 2017/18/0278 mit Verweis auf VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023, 0024, wonach "förmlich" zu entscheiden ist; 30.6.2017, Fr 2017/18/0026; 20.9.2017, Ra 2017/19/0284, 0285 uvm). Das Bundesverwaltungsgericht erledigt dies im gegenständlichen Fall mit gesondertem Teilerkenntnis (vgl. VwGH 19.10.2017, Ra 2017/18/0278, Rz 9).

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ist - anders als jene nach § 18 Abs. 2 BFA-VG - nicht zwingend, sondern sie setzt eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraus (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146).

Die belangte Behörde kam im verfahrensgegenständlichen Bescheid zu dem Ergebnis, dass die "schwerwiegende Gründe" wie sie in § 18 Abs. 1 Ziffer 2 BFA-VG genannt werden, durch den Beschwerdeführer erfüllt sind. Dabei stützte sie sich auf die zweifache rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Suchtgiftdelikte und seiner erneuten Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbaren Handlungen. Dabei nimmt die belangte Behörde jedoch keinen Bezug darauf, dass es sich bei den rechtskräftigen Verurteilungen um Jugendstraftaten iSd JGG handelte.

Nach § 5 Z 10 JGG treten bei der Ahndung von Jugendstraftaten in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen nicht ein. Nach § 1 Z 3 JGG ist eine Jugendstraftat eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem Jugendlichen begangen wird. Nach § 1 Z 2 JGG ist Jugendlicher, wer das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Da der Beschwerdeführer zu den Tatzeitpunkten, welche jeweils zu den Verurteilungen führten, 17 Jahre XXXX (OZ 1 AS 67), sowie 17 Jahre XXXX (OZ 1 AS 113 verso) alt war, ist er diesbezüglich somit als Jugendlicher nach dem JGG zu qualifizieren.

Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen Fremde ergibt sich, dass auch Jugendstraftaten des Fremden im Rahmen der Gesamtabwägung der Interessen nach Art. 8 EMRK oder bei einer Gefährdungsprognose Beachtung finden können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246 mit Hinweis auf VwGH 31.1.2013, 2012/23/0004, u.a.).

Demnach hindert § 5 Z 10 JGG eine Verwaltungsbehörde jedenfalls nicht, die Verurteilung einer Person wegen einer von ihr begangenen Jugendstraftat in ihrem Verfahren zu berücksichtigen, wenn die einschlägigen Normen des Verwaltungsrechts dies im Speziellen anordnen oder die Bedachtnahme auf diese strafrechtliche Verurteilung als Teil einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens dieser Person im Rahmen einer Gefährdungsprognose erfolgt (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246).

§ 5 Z 10 JGG bezieht sich somit - nach unstrittigem allgemeinen Verständnis - jedenfalls auf Fälle, in denen eine bundesgesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verurteilung eintreten würde, ohne dass es einer Anordnung durch die Verwaltungsbehörde bedürfte. Nichts anderes kann aber gelten, wenn sich die Rechtsfolge zwar erst aufgrund einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde realisiert, diese Entscheidung als Folge der strafrechtlichen Verurteilung vom Gesetz aber zur Gänze determiniert ist und der Behörde weder hinsichtlich der Frage, ob die Entscheidung getroffen wird, noch wie sie inhaltlich auszufallen hat, eigenen Entscheidungsspielraum belässt. Sehen die gesetzlichen Vorschriften nämlich vor, dass allein die strafrechtliche Verurteilung zwingend zu einer bestimmten Reaktion der Verwaltungsbehörde führen muss, ohne dass dieser bei ihrem Vorgehen ein eigenes Prüfkalkül zukäme, handelt es sich im Ergebnis auch um eine gesetzliche Rechtsfolge der Verurteilung im Sinne des § 5 Z 10 JGG. Mangels einer anderslautenden spezielleren gesetzlichen Anordnung kommt auch in solchen Fällen der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG zum Tragen (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246).

Im gegenständlichen Fall lässt die belangte Behörde im Zuge der Prüfung der Aberkennungsvoraussetzungen der aufschiebenden Wirkung allerdings eine hinreichend begründete Gefährdungsprognose vermissen. Auch wenn im Sinne obiger Rechtsprechung, die Berücksichtigung von Verurteilungen wegen einer Jugendstraftat nicht ausgeschlossen ist, so hat die Bedachtnahme auf diese strafrechtliche Verurteilung als Teil einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens dieser Person im Rahmen einer Gefährdungsprognose zu erfolgen. Der pauschale Verweis auf die strafrechtlichen Verurteilungen als Jugendlicher kann dem allein nicht gerecht werden. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auf die vergleichbare Thematik der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu verweisen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13.12.2011, U 1907/10 (VfSlg. 19591), ausgesprochen, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder, wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0155, stellt ein Fremder jedenfalls dann eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 dar, wenn sich diese aufgrund besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstöße prognostizieren lässt. Als derartige Verstöße kommen insbesondere qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie beispielsweise in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden) in Betracht, zumal an der Verhinderung des Suchtgifthandels ein besonderes öffentliches Interesse besteht (vgl. dazu etwa VwGH vom 22.11.2012, 2011/23/0556, mwN). Im entscheidungsrelevanten Fall handelt es sich um eine Jugendstraftat eines minderjährigen Asylwerbers wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften ua. nach § 27 Abs. 2a SMG, die Qualifizierung nach § 28a SMG liegt hingegen nicht vor. Dass sich der Beschwerdeführer derzeit in Untersuchungshaft befände, kann - unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Unschuldsvermutung - dem Beschwerdeführer nicht derart zum Nachteil gereichen, dass diesem damit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit attestiert wird. Für eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG war daher kein Raum.

Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ist daher aus den angeführten Gründen mittels des vorliegenden Teilerkenntnisses ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zum Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 13 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

Nach Abs. 2 leg. cit. verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn dieser straffällig geworden ist (Z 1), gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist (Z 2), gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (Z 3) oder der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist (Z 4). Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

Nach § 5 Z 10 JGG treten bei der Ahndung von Jugendstraftaten in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen nicht ein. Nach § 1 Z 3 JGG ist eine Jugendstraftat eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem Jugendlichen begangen wird. Nach § 1 Z 2 JGG ist Jugendlicher, wer das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.

Der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG bezieht sich jedenfalls auf Fälle in denen eine bundesgesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verurteilung eintritt, ohne dass es einer Anordnung durch die Verwaltungsbehörde bedürfte. Nichts anderes kann dann gelten, wenn sich die Rechtsfolge zwar erst aufgrund einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde realisiert, diese Entscheidung als Folge der strafrechtlichen Verurteilung vom Gesetz aber zur Gänze determiniert ist und der Behörde weder hinsichtlich der Frage, ob die Entscheidung getroffen wird, noch wie sie inhaltlich auszufallen hat, eigenen Entscheidungsspielraum belässt. Sehen die gesetzlichen Vorschriften nämlich vor, dass allein die strafrechtliche Verurteilung zwingend zu einer bestimmten Reaktion der Verwaltungsbehörde führen muss, ohne dass dieser bei ihrem Vorgehen ein eigenes Prüfkalkül zukäme, handelt es sich im Ergebnis auch um eine gesetzliche Rechtsfolge der Verurteilung im Sinne des § 5 Z 10 JGG. Mangels einer anderslautenden spezielleren gesetzlichen Anordnung kommt auch in solchen Fällen der Rechtsfolgenausschluss des § 5 Z 10 JGG zum Tragen (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246).

Da die von der belangten Behörde zur Begründung des Verlusts des Aufenthaltsrechts herangezogene Verurteilungen auf Jugendstraftaten beruhen, konnte der Beschwerdeführer aufgrund des Rechtsfolgenausschlusses des § 5 Z 10 JGG seines Aufenthaltsrechts nicht verlustig gehen.

Dem Grunde nach trat zwar durch die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Wien nach § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 der Verlust des Aufenthaltsrechts ein, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte und somit kein Jugendlicher im Sinn des JGG mehr war. Allerdings ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass dies dem BF mittels Verfahrensanordnung nach § 13 Abs. 2 AsylG 2005 rechtwirksam mitgeteilt worden wäre.

Somit war auch Spruchpunkt V. ersatzlos zu beheben.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber gesondert entschieden werden.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Eine öffentliche mündliche Verhandlung zwecks Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA - VG entfallen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Beurteilung des Verlustes des Aufenthaltsrechtes konnte § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der im vorliegenden Fall entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Insbesondere stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung -
Entfall, Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung,
Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W257.2185015.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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