TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/16 W177 2126986-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2018
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Entscheidungsdatum

16.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W177 2126986-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 25.04.2016, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG stattgegeben und XXXX

der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 01.06.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 05.06.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass sein Vater von den Taliban getötet worden sei, weil er eine Gruppe angehöre, die das Dorf beschützt hätte. Mit dieser Gruppe werde der Beschwerdeführer in Verbindung gebracht.

I.2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.01.2018 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass sein Vater Kommandant einer für den Schutz des Dorfes zuständigen Truppe gewesen und im Zuge einer nächtlichen Auseinandersetzung mit den Taliban zunächst von diesen entführt und dann ermordet worden sei. Eine Woche später sei ein pakistanischer Geistlicher zur Mutter des Beschwerdeführers gekommen und habe den Beschwerdeführer in eine Koranschule in Pakistan mitnehmen wollen.

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.04.2016, durch Hinterlegung zugestellt am 28.04.2016, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs, 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

I.4. Mit Verfahrensanordnung vom 25.04.2016 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsberatungsorganisation zur Seite gestellt.

I.5. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2016 richtet sich die am 24.05.2016 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde.

I.6. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 25.04.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

I.7. Am 25.04.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers samt Integrationsunterlagen im Bundesverwaltungsgericht ein.

I.8. Am 04.06.2018 langte eine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

I.9. Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Fotos vom Vater des Beschwerdeführers

* Kopie der edu-Card des Beschwerdeführers, gültig bis 30.10.2018

* Kopie des Dienstausweises des Roten Kreuzes, gültig bis 10/2018

* Schweißzertifikat vom 18.05.2018

* Bestätigung für die Teilnahme an einem Learning Center vom 24.04.2018

* Bestätigung darüber, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet vom 19.04.2018

* Bestätigung über den Besuch eines Vorbereitungslehrganges für den Pflichtschulabschluss vom 19.04.2018

* Bestätigung über die Teilnahme an einem Mentoring-Projekt für Geflüchtete vom 15.04.2018

* Teilnahmebestätigung für diverse Projekte eines Vereins im Zeitraum Mai 2016 bis April 2018 vom 08.04.2018 sowie damit zusammenhängende Fotos und ein Zeitungsartikel vom 29.05.2017

* Bestätigung für die Teilnahme an der Übergangsstufe einer HTL für das Schuljahr 2016/2017 vom 12.03.2018

* Empfehlungsschreiben vom 04.01.2018

* Bestätigung über die ehrenamtliche Mithilfe des Beschwerdeführers im Sommer 2017 in einem Verein für Menschen mit Behinderung

* Kursbesuchsbestätigung über die Teilnahme an einem Lernforum Pflichtschulabschluss vom 12.09.2017

* Schulbesuchsbestätigung vom 12.09.2017

* Abschlussbestätigung der Übergangsstufe an BMHS vom 30.05.2017

* Schulbesuchsbestätigung für die Übergangsklasse einer HTL vom 14.11.2016

* Bestätigung über die Absolvierung des Erste Hilfe Krundkurses vom 03.11.2016

* Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs A2.1 vom 27.10.2016

* Teilnahmebestätigung für eine Kompetenzerhebung vom 25.10.2016

* Teilnahmebestätigung für einen A2 Integrationskurs des ÖIF vom 18.10.2016

* Bestätigung einer christlichen Betätigung des Beschwerdeführers vom 17.05.2016

* Konvolut an Abrechnungsaufstellungen über Mithilfe in einer Stadtgemeinde im Jahr 2016

* Bestätigung über freiwillige Mitarbeit beim Roten Kreuz vom 08.03.2016

* Vereinbarung über freiwillige Mitarbeit beim Flüchtlingsdienst der Diakonie vom 03.03.2016

* Teilnahmezertifikat für Sprachfördernden Deutschunterricht im Zeitraum September 2015 bis Juni 2016

* Klassenfoto

* Berichte zum Erdbeben im Oktober 2015 in Afghanistan

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er ist als schiitischer Moslem aufgewachsen. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ansonsten ist er gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

II.1.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde im Distrikt Markazi Bihsud, Provinz Maidan Wardak, Afghanistan geboren.

Der Beschwerdeführer hat sechs Monate eine Koranschule besucht.

Der Vater des Beschwerdeführers ist im März 2015 verstorben. Die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers sind bei einem Erdbeben am 26.10.2015 in Afghanistan ums Leben gekommen. Der Onkel des Beschwerdeführers lebt noch im Herkunftsstaat. Kontakt zu ihm besteht nicht. Der Beschwerdeführer hat eine Tante mütterlicherseits, die in Ghazni lebt. Kontakt zu ihr besteht nicht.

Der Beschwerdeführer hat recht beachtliche Integrationserfolge vorzuweisen.

II.1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Vater des Beschwerdeführers war drei Jahre als Kommandant für die afghanische Lokalpolizei im Heimatdorf des Beschwerdeführers tätig. Er wurde bei einer nächtlichen bewaffneten Auseinandersetzung im März 2015 von den Taliban entführt und drei Tage später ermordet auf einem Feld aufgefunden.

Der Beschwerdeführer nahm über mehrere Monate an Zusammenkünften und am Bibelunterricht von Zeugen Jehovas teil und interessiert sich nach wie vor für das Christentum. Davon erzählte er telefonisch einem in Afghanistan verbliebenen Freund seines Vaters, der den Onkel des Beschwerdeführers darüber informierte.

Der Freund des Vaters des Beschwerdeführers und der Onkel des Beschwerdeführers unterstellen dem Beschwerdeführer, er sei vom Islam abgefallen und zum Christentum konvertiert. Der Onkel des Beschwerdeführers hat den Beschwerdeführer telefonisch bedroht, indem er zum Beschwerdeführer sagte, dieser habe Schande über die ganze Familie gebracht und sollte er nach Afghanistan zurückkehren, werde er ihn mit eigenen Händen töten.

Eine Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat sich jedoch aus freier Überzeugung vom Islam abgewandt und lebt nicht nach den Regeln des Islam. Insbesondere betet er nicht, trinkt gelegentlich Alkohol und fastet nicht. Er sieht sich nicht als Muslim.

Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer Verfolgung durch seinen Onkel wegen Apostasie und der ihm unterstellten Konversion zum Christentum. Dem Beschwerdeführer droht im Herkunftsstaat wegen Apostasie auch strafgerichtliche Verfolgung bis hin zur Todesstrafe.

Von Seiten der Taliban droht dem Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund der ihm unterstellten Konversion zum Christentum bzw. wegen seine Abkehr vom Islam (Apostasie) sowie wegen der Tätigkeit seines Vaters für die afghanischen Behörden als Lokalpolizist.

Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung.

Dass die afghanischen Behörden den Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung schützen wollen bzw. können, ist nicht zu erwarten.

Asylausschlussgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

II.1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Sicherheitslage in der Provinz Maydan Wardak, der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, erweist sich als volatil. Die Provinz gilt als Talibanhochburg und die Taliban haben die Provinz seit dem Jahr 2008 destabilisiert, sodass Gegenden der Provinz für Regierungsbeamte nicht zugänglich sind. Auch andere Gruppen von Aufständischen sind in der Provinz aktiv. Die Sicherheitskräfte führen Operationen in verschiedenen Distrikten der Provinz durch. Insbesondere die Straßen durch Wardak sind sehr unsicher.

Die Verhängung von Strafen durch Paralleljustiz wurde dokumentiert. Betroffen sind auch Personen, die familiäre Beziehungen zu ANSF haben.

Unter dem Einfluss der Scharia droht die in Afghanistan eigentlich auf besonders schwerwiegende Delikte beschränkte Todesstrafe auch bei "Delikten" wie Blasphemie und Apostasie.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten vom 28.08.2015, das im Untersuchungszeitpunkt am 14.08.2015 ein Mindestalter von 19 Jahren ergeben hat. Diesem Gutachten ist der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom 18.05.2016 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der Diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung vom 19.01.2018. Ansonsten wurde ein Vorbringen bezüglich anderer gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine weiteren ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

II.2.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben. Der Tod des Vaters des Beschwerdeführers wurde bereits von der belangten Behörde festgestellt.

Die Feststellung, dass Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers bei einem Erdbeben am Hindukusch am 26.10.2015 ums Leben kamen, ergibt sich insbesondere aus den gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 21.01.2016 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2018. Insbesondere reagierte der Beschwerdeführer auf das Vorbringen seiner Rechtsvertreterin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2018 sehr emotional und betroffen. Die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde erschöpfen sich in der Ausführung, der Beschwerdeführer habe eine persönliche Betroffenheit nicht glaubhaft machen können, weil er keine situationsbedingte Reaktion, wie man sie von jemandem erwarten würde, der tatsächlich seine gesamte Familie verloren hatte, erwarten könne. Wie bereits ausgeführt hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2018 einen ganz anderen Eindruck vermittelt. Auch geht die belangte Behörde mit keinem Wort auf die bereits in der Einvernahme am 21.01.2016 vorgelegten Unterlagen zum Erdbeben am Hindukusch ein, auch wenn diese eindeutig belegen, dass am 26.10.2018 unter anderem in Afghanistan ein verheerendes Erdbeben stattgefunden hat, das zahlreiche Menschenleben gekostet und viele Gebäude zerstört und zum Zusammenbruch von Strom- und Kommunikationsnetzen geführt hat.

Insbesondere ist auf der Intensitätskarte des Erdbebens im vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 vorgelegten Artikel The Guardian, "Strong earthquake in Afghanistan kills more than 150 people" vom 26.10.2015 ersichtlich, derzufolge auch die Region vom Erdbeben betroffen war, aus der der Beschwerdeführer stammt.

Die Integrationserfolge des Beschwerdeführers ergeben sich aus den umfassenden vorgelegten Integrationsunterlagen.

Die Feststellung, dass Kontakt zum Onkel nicht besteht, ergibt sich aus dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere in Zusammenschau mit der vom Onkel gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochenen Todesdrohung. Die Erklärung des Beschwerdeführers, warum zur Tante mütterlicherseits in Ghazni kein Kontakt besteht, wird vom Bundesverwaltungsgericht als plausibel bewertet, weswegen die Feststellung dementsprechend getroffen wurde.

II.2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Die Tätigkeit des Vaters für die Lokalpolizei im Heimatdorf und die Ermordung des Vaters durch die Taliban wurden im Wesentlichen bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt. Der Beschwerdeführer brachte die Umstände um den Tod seines Vaters auch im Kern gleichbleibend und stringent vor, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass für Zweifel besteht. Auch decken sich die Erzählungen des Beschwerdeführers zur Tätigkeit des Vaters mit den Informationen, die dem vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten EASO Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation. von Dezember 2017 (S. 28 f.) sowie dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand:

30.01.2018 zur afghanischen Lokalpolizei zu entnehmen sind. Dort wird wie folgt ausgeführt (S. 146 f.):

"Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016)."

Dazu, dass eine Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum nicht festgestellt werden kann, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer eine solche lediglich in seiner Beschwerde vom 18.05.2016 behauptete. Dagegen gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2018 an, sein Interesse für das Christentum sei noch aufrecht, er sei aber kein Christ und werde sich erst, wenn er mit der Schule fertig sei und mehr Zeit habe, wieder damit befassen. Dies wird in der Stellungnahme vom 24.04.2018 insofern ebenfalls ausgeführt, als dort ein weiterer Kontakt zu den Zeugen Jehovas verneint, allerdings das weitere Interesse des Beschwerdeführers für das Christentum bekräftigt und dessen Wunsch, sich vor der wichtigen Entscheidung betreffend Konversion ausreichend Zeit zu nehmen, erläutert wird. Zusammengefasst behauptet der Beschwerdeführer folglich nicht mehr, dass er konvertiert ist.

Ein Interesse des Beschwerdeführers am Christentum konnte dennoch festgestellt werden, weil der Beschwerdeführer dieses wiederholt glaubwürdig bekundet hat. Insbesondere wird dieses auch vom im Akt einliegenden Schreiben über eine "christliche Betätigung" des Beschwerdeführers bei den Zeugen Jehovas vom 17.05.2016 untermauert. Ein zaghaftes Interesse am Christentum reicht allerdings noch nicht aus, um von einem Glaubenswechsel sprechen zu können und ist daher nicht davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer die innere Überzeugung eines Glaubenswechsels vom Islam zum Christentum vorliegt.

Dass der Beschwerdeführer nicht nach den Regeln des Islam lebt und insbesondere weder betet, noch fastet und Alkohol trinkt und sich nicht als Muslim betrachtet, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2018 glaubwürdig angegeben und auch nachvollziehbar begründen können. Insbesondere fand der vom Beschwerdeführer als Grund für die Abkehr vom Islam genannte Vorfall ein breites mediales Echo (Vgl. insbesondere auch im vorgelegten Bericht, Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihre Chancen auf familiäre Unterstützung. Asylmagazin 3/2017, S. 83) und erschien die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zur Schau gestellte Ablehnung für Strafen wie Steinigung oder Erhängen dem Bundesverwaltungsgericht als durchaus ehrlich, sodass das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss kommen musste, dass der Beschwerdeführer sich aus freier innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat.

Dass dem Beschwerdeführer Verfolgung durch seinen Onkel aufgrund seiner Abkehr vom Islam und seiner Kirchenbesuche droht, ergibt sich aus seinen stringenten und lebhaften Schilderungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo der Beschwerdeführer auch einen persönlich glaubwürdigen Eindruck vermittelte. Vor dem Hintergrund der herangezogenen Länderinformationen erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Onkel wolle den Beschwerdeführer aufgrund seines Kirchenbesuches töten und unterstelle ihm, den christlichen Glauben angenommen zu haben durchaus plausibel. Insbesondere wird im vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachten Gutachten Afghanistan vom 28.03.2018 von Friederike Stahlmann ausgeführt (S. 314-315):

"Um die Annahme der Apostasie, des Abfalls vom Glauben, zu etablieren reicht nach weithin geteilten gesellschaftlichen Maßstäben [...] der Aufenthalt in Europa und die moralischen und religiösen Zweifel, die durch eine erwartete Anpassung in der Alltagskultur geweckt werden. Der Rückkehrer ist somit in der Nachweispflicht religiöse aber auch soziale Riten überzeugt und ohne Abweichung zu erfüllen. Doch selbst, wenn er dazu in der Lage ist, bedeutet das noch nicht, dass er den Verdacht der Verwestlichung ausräumen kann, wenn Gerüchte oder sogar Indizien im Umlauf sind, die den Glaubensabfall oder den Kulturverrat scheinbar bestätigen. Das können Fotos auf Facebook, kolportierte Geschichten Dritter oder schlicht Missverständnisse ob der in Europa geltenden Regeln sein.

Doch zu dem erwarteten Fehlverhalten gehören auch außereheliche Beziehungen, Schweinefleisch-, Alkohol- und Drogenkonsum, sowie alle möglichen Varianten von Apostasie - angefangen von der Vernachlässigung religiöser Pflichten wie dem regelmäßigen Gebet, über diverse Formen der Blasphemie, bis hin zu Konversion zum Christentum oder Atheismus. Unter dem Verdacht der Konversion stehen insbesondere Asylbewerber, weil es in Afghanistan das zunehmend verbreitete Gerücht gibt, dass europäische Länder angeblich nur Christen Schutz gewähren. Es mag u. a. daran liegen, dass tatsächliche oder angebliche Konversionen genauso wie Missionierungsversuche aufgrund der immensen kulturellen, religiösen und politischen Provokation, die sie darstellen, überproportional viel Aufmerksamkeit erregen und Gerüchte dazu weithin in sozialen Netzwerken geteilt werden.

Apostasie wird [...] auch von Seiten des Staates verfolgt. Erfahrungsgemäß finden angeklagte Apostaten zudem keinen Strafverteidiger und werden in der Untersuchungshaft nicht vor Misshandlungen geschützt, was auch jene akut in Gefahr bringt, die nur dem Verdacht ausgesetzt sind Apostaten zu sein, selbst wenn sie die formalen Bedingungen nicht erfüllen. (vgl. EASO December 2017a: 23ff., Bsp. in AFP/Al Arabiya 31.01.2011, MacKenzie/PRI 03.06.2011)

Für die Taliban wiederum genügt für den Vorwurf im Rahmen ihrer Praxis des Takfirismus, also der pauschalen Ernennung politischer Gegner zu Apostaten, schon der Aufenthalt im Westen (s. o.).

Sind Gerüchte im Umlauf, dass ein Geflüchteter schwerwiegende Straftaten begangen hat oder gar konvertiert ist, besteht jedoch zunächst die Erwartung, dass die Herkunftsfamilie die damit verbundene Schande tilgt und die Taten ahndet. Wie das von der New York Times dokumentierte Beispiel des Schwagers eines Konvertiten namens Josef demonstriert, droht bei Apostasie hier auch der Tod:

"Josef's brother-in-law Ibrahim arrived in Kabul recently, leaving behind his family and business in Pakistan, to hunt down the apostate and kill him. Reached by telephone, Ibrahim, who uses only one name, offered a reporter for The New York Times $20,000 to tell him where Josef was hiding. 'If I find him, once we are done with him, I will kill his son as well, because his son is a bastard,' Ibrahim said, referring to Josef's 3-year-old child. 'He is not from a Muslim father.' (Ahmed/New York Times 21.06.2014)

Unterbleibt diese Ahndung, wird wiederum die gesamte Familie dafür zur Rechenschaft gezogen und als Komplize des Aktes der Apostasie gewertet. Wenn nicht aus Überzeugung, dann zumindest aus Selbstschutz wird somit die eigene Familie zur akuten Bedrohung für angebliche oder tatsächliche Apostaten - egal auf welchem Normbruch der Vorwurf beruht.

Wie der Bericht des Freundes eines ermordeten Rückkehrers bezeugt, unterschätzen manche Rückkehrer und ihre Familien diese Gefahr offensichtlich: "[A] boy who was also deported from UK was killed in our area. He had newly arrived from UK and was living peacefully with his family until people found out about him, though he did not have any enemy at that time. But he was badly targeted standing in front of a mosque in the village he was living. I participated in his funeral and Fatiha." (Refugee Support Network April 2016: 29)"

Friederike Stahlmann, MA International and Comparative Legal Studies, ist Mitglied der International Max Planck Research School on Retaliation Mediation und Punishment und u.a. Gutachterin für britische Gerichte zu Afghanistan in Asylrechtsfällen. Das von ihr verfasste Gutachten für das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 28.03.2018 basiert daher auf hoher Fachkompetenz.

Es ist insbesondere noch anzumerken, dass des Beschwerdeführers Abfall vom Glauben in Afghanistan - wenn auch durch ihn selbst - bereits bekannt geworden ist, weil der Beschwerdeführer dies dem Freund seines Vaters mitteilte. Aus dem zitierten Bericht ergibt sich nunmehr, dass den Onkel des Beschwerdeführers die gesellschaftliche Erwartung der Ahndung des vom Beschwerdeführer dem Freund des Vaters gegenüber bereits eingeräumten Verstoßes trifft, was das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in diesem Punkt plausibel erscheinen lässt.

Zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Apostasie in Afghanistan auch strafrechtliche Verfolgung droht, ist auf die vorliegenden Länderinformationen zu verweisen, aus denen sich ergibt, dass Apostasie und Konversion nicht nur strafbewehrt sind, sondern sogar (insbesondere bei Männern) der Todesstrafe unterliegen. Zum Abfall vom Islam wird im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018, in Kapitel 15.

Religionsfreiheit im Wortlaut wie folgt berichtet (S. 161 ff.):

"[...] Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016). [...]

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016). [...]"

Bestätigt wird diese Einschätzung im Wesentlichen auch von den vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (siehe insbesondere S. 61-62). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"; vgl. VwGH vom 22.11.2016, Ra 2016/20/0259 mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN) sowie vom bereits oben zitierten Gutachten Afghanistan vom 28.03.2018 von Friederike Stahlmann (insbesondere S. 314).

Hierzu auch nochmals anzumerken, dass des Beschwerdeführers Abfall vom Glauben - wie schon weiter oben beweiswürdigend ausgeführt wurde - in Afghanistan bereits bekannt ist.

Zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer Verfolgung durch die Taliban wegen der Tätigkeit seines Vaters als Lokalpolizist droht, ist auszuführen, dass sich aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender ergibt, dass Angehörigen der afghanischen lokalen Polizei aufgrund ihrer Tätigkeit Opfer von gezielten Angriffen werden (siehe insbesondere S. 41 f.). Dieses Gefahrenpotenzial hat sich - wie festgestellt und bereits beweiswürdigend erläutert - für den Vater des Beschwerdeführers bereits in dessen Ermordung durch die Taliban verwirklicht. Nach Information der UNHCR-Richtlinien wird diese Verfolgung im Wege der Sippenhaftung auch auf Familienangehörige ausgedehnt (S. 47). Zur Indizwirkung der UNHCR-Richtlinien wird auf die bereits oben zitierte Judikatur des VwGH verwiesen.

Bestätigt wird diese Einschätzung vom durch den Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachten Landinfo report Afghanistan:

Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne. Von Dr. Antonio Giustozzi vom 23.08.2017.

Der Landinfo report Afghanistan: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne. Von Dr. Antonio Giustozzi vom 23.08.2017 zählt auch "Personen, die gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen" (Punkt 4) als Zielpersonen der Taliban auf. Weiter wird insbesondere ausgeführt, dass Personen, die unter anderem dieser Kategorie zugeordnet sind, von den Taliban nicht die Chance erhalten, durch Reue und den Willen zur Wiedergutmachung einer Bestrafung zu entgehen (siehe ebenfalls Punkt 4).

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Abkehr seines Onkels wegen Apostasie-Vorwürfen über keinerlei gesellschaftlichen Rückhalt und Schutz verfügt, sodass seine Mörder nicht mit Vergeltungsmaßnahmen durch Angehörige des Beschwerdeführers rechnen müssten. Dies macht ihn zu einem besonders leichten Ziel. Mit Blick auf den Landinfo report Afghanistan:

Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne. Von Dr. Antonio Giustozzi vom 23.08.2017, demzufolge nicht nur die Wichtigkeit der Zielperson bedeutsam für die Zielauswahl ist, sondern auch die Frage der praktischen Durchführbarkeit, ist daher von einem hohen Risiko auszugehen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Opfer einer gezielten Tötung durch die Taliban werden könnte.

Dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht, ergibt sich insbesondere aus dem vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten Landinfo report Afghanistan: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne von Dr. Antonio Giustozzi vom 23.08.2017 in deutscher Übersetzung, demzufolge die Taliban in der Lage sind, Zielpersonen überall in Afghanistan ausfindig zu machen und zu ermorden und eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten der unterschiedlichen Shuras besteht. Bestätigt wird diese Einschätzung auch von der durch den Beschwerdeführer vorgelegten Abhandlung von Friederike Stahlmann, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt. (ZAR 5-6/2017, insbesondere S. 195-196), wo es im Wortlaut heißt (Schreibweise teilweise korrigiert):

"[...] Auch der Versuch, sich dieser tödlichen Gefahr durch Flucht in einen anderen Landesteil zu entziehen, bringt kein Ende der Verfolgung. Die Möglichkeit zu einer landesweiten Verfolgung ist auch privaten Gewaltakteuren jederzeit möglich. Zusammenfassend beruht diese auf alltäglicher sozialer Kontrolle, mit der die Identität und biographischen Angaben eines Neuankömmlings durch bestehende soziale Netzwerke überprüft werden. Durch diese Überprüfung erhält der Herkunftsort und somit der Verfolger Auskunft über den derzeitigen Aufenthaltsort des Geflüchteten. Das landesweite Spitzelnetzwerk der Taliban würde Inlandsverfolgung auch ohne diese traditionelle Überwachung möglich machen, doch ist ein Flüchtling durch diese soziale Kontrolle in der zusätzlichen Gefahr, an dem Zielort seiner Flucht an die Taliban oder andere Verfolger verraten zu werden. [...]

Der Erfahrungswert, dass man sich den Taliban nicht widersetzen und entziehen kann - egal in welcher Rolle oder Funktion ­ ohne sein eigenes Leben oder das seiner Angehörigen zu gefährden, hat sich längst als überlebenswichtiges Alltagswissen durchgesetzt. So Dr. Mostafa Danesch: "In Kabul kommt es häufig zu Fällen, in denen junge Männer getötet werden und Gerüchte wollen wissen, dass es sich um Racheakte der Taliban handle. Die Kabuler Kriminalpolizei bestätigt, dass in Kabul sehr häufig junge Männer ‚verschwinden'. Auf ihre Vermisstenanzeigen erhalten die Angehörigen bei der Polizei oft die Auskunft, dann seien sie vermutlich von den Taliban entführt worden. Häufig werden Leichen von Verschwundenen in der Umgebung von Kabul gefunden."

Die Feststellung zur Schutzunfähigkeit bzw. Schutzunwilligkeit wird vom Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018 (S. 143 ff.) sowie vom EASO Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation. von Dezember 2017 (insbesondere S. 48-49) belegt. Bestätigung findet sie auch in der eben zitierten Abhandlung von Friederike Stahlmann, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt. (ZAR 5-6/2017, insbesondere S. 196 ff.)

Dafür, dass ein Asylausschlussgrund vorliegt, sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen.

II.2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers basieren insbesondere auf dem vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachten EASO Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation. von Dezember 2017 (insbesondere Kapitel 2.34 zur Sicherheitslage in Wardak, S. 252 ff.) sowie auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 30.01.2018. Dort heißt es zur Sicherheitslage im Herkunftsstaat im Wortlaut (S. 44 ff.):

"3. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017). [...]

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016). [...]"

Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers wird im Wortlaut ausgeführt (S. 125 f.):

"3.33. Wardak/ Maidan Wardak

[...] Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Wardak 359 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in der Provinz festgehalten - gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Talibanaufständische sind in einer Anzahl von abgelegenen Distrikten in der Provinz aktiv (Khaama Press 3.7.2016). Aufständische werden durch die Sicherheitskräfte in der Provinz Wardak bekämpft (SIGAR 30.1.2017) und auch militärische Operationen werden durchgeführt (Khaama Press 25.9.2016; Khaama Press 28.10.2016; Khaama Press 17.8.2016; Khaama Press 21.7.2016; Khaama Press 1.6.2016)."

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben."

Die Feststellungen zum Anwendungsbereich der Todesstrafe in Afghanistan ergeben sich insbesondere aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018, wo es im Wortlaut heißt (S. 160 f.):

"14. Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Es gibt ein Präsidialdekret aus dem Jahre 1992, welches die Anwendung der Todesstrafe auf fünf Deliktarten einschränkt: (vorsätzlicher) Mord, Genozid, Sprengstoffattentate (i.V.m. Mord), Straßenräuberei (i.V.m. Mord) und Angriffe gegen die territoriale Integrität Afghanistans. Dieses Präsidialdekret wurde allerdings in jüngster Zeit nicht beachtet. Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe auch bei anderen "Delikten" (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen bzw. bestätigt und kann nur mit Zustimmung des Präsidenten vollstreckt werden. Die Todesstrafe wird durch Erhängen vollstreckt. In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig wahrgenommenen Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 9.2016).

Im Jahr 2015 wurde die Todesstrafe weiterhin verhängt - oft nach unfairen Verfahren. Die von Präsident Ghani im Jahr 2014 angeordnete Überprüfung von fast 400 noch nicht vollstreckten Todesurteilen war Ende 2015 noch nicht abgeschlossen (AI 24.2.2016).

Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hatte und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, die eine Umwandlung von Todesstrafen in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, werden weiter Todesurteile vollstreckt. Im Mai 2016 fand die Hinrichtung von sechs verurteilten Terroristen statt. Die Vollstreckung der bereits rechtskräftigen Todesurteile war Teil einer von Präsident Ghani angekündigten härteren Politik im Kampf gegen Aufständische und folgte als Reaktion auf öffentliche Vergeltungsrufe nach einem schweren Taliban-Anschlag. Zuvor wurden 2014 und 2012 sechs bzw. 16 Todesstrafen verurteilter Straftäter vollstreckt (AA 9.2016)."

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Verfahrensrecht und Zuständigkeit

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2017/138, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Afghanistan, da der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger ist.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren.

Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Handlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/020).

Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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