TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/17 W257 2147808-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2018
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Entscheidungsdatum

17.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W257 2147808-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert Gerhard MANTLER, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch "Verein Menschenrechte Österreich", gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 10.01.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 03.07.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang

1.1. Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer stellte am 02.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.11.2014 gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan, sei am 01.05.2000 in Kabul geboren und dort aufgewachsen. Er sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er habe 7 Jahre die Grundschule besucht, sei ledig und kinderlos.

Aus Afghanistan sei er vor ca. 6 Monaten geflohen, weil sein Vater als Offizier von der Regierung beauftragt worden sei, einen mächtigen "Unruhestifter" aufzuspüren. Dieser Mann sei schließlich erschossen worden, woraufhin sein Vater für dessen Tot verantwortlich gemacht und erschossen worden sei. Auch ein Bruder wäre vor ca. 6 Monaten deswegen entführt worden. Seine Familie hätte beschlossen ihn außer Landes zu schaffen.

1.3. Das Bundesland Steiermark übernahm wegen der Minderjährigkeit die gesetzliche Vollmacht und übergab diese an die Caritas der Diözese Graz-Seckau.

1.4. Am 30.08.2016 brachte er folgende Unterlagen vor: Eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Gemüsebauprojekt vom 17.09.2015, eine Schulbesuchsbestätigung der NMS - Sportmittelschule vom 12.03.2015, ein Deutschzertifikat ausgestellt von " XXXX " vom 31.07.2015, ein Empfehlungsschreiben der NMS - Sportmittelschule, ein ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A2 vom 03.03.2016, eine Teilnahmebestätigung an einem Workshop für Gesundheitsförderung, eine Bestätigung über die Teilnahme an der externen Hauptschule XXXX , vom 23.08.2016, eine Urkunde "23. XXXX " vom 13.05.2015, eine Anmeldebestätigung für einen A1 Intensivkurs, und verschiedene XXXX Zertifikate. Am 15.11.2015 wurde zwei weitere Bestätigungen der " XXXX " vorgelegt. Demnach würde er regelmäßig am Unterricht " XXXX " im Ausmaß von 28 Wochenstunden teilnehmen. Am 07.12.2016 wurde ein weiteres Empfehlungsschreiben der Behörde vorgelegt.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch "Behörde" genannt) am 12.12.2016 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass er in Kabul, in XXXX , gemeinsam mit seinen Eltern, einer Schwester und seinen drei Brüdern aufgewachsen sei. Sein Vater mit dem Namen XXXX wäre beim Militär gewesen und sechs Monate vor seiner Ausreise getötet worden. Sie wären zu dieser Zeit bei einer Hochzeitsfeier eines Verwandten in Pakistan gewesen. Als die Familie nach Afghanistan zurückgekommen sei, hätten Sie von dem Tod des Vaters erfahren. Er hätte für die Amerikaner gearbeitet und wäre in Kabul stationiert gewesen. Nähere Angaben über den Tod des Vaters könne er nicht machen. Nach dem Tod hätte die Familie zu dem Bruder namens XXXX , welcher in Kandarhar beim Militär stationiert gewesen sein soll, ebenso keinen Kontakt mehr gehabt. Die Familie gehe davon aus, dass er verschollen sei. Sein Onkel, welcher sich nach dem Tod um die Familie gekümmert habe, vermeinte, dass er nun nichts mehr machen könne und deswegen müsse der Beschwerdeführer das Land verlassen. Seine Mutter und seine Geschwister, sowie weitere Verwandte, würden in Kabul leben. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil er dann das gleiche Schicksal hätte, wie sein Vater oder sein Bruder.

1.5. Am 21.12.2016 langte eine nachträgliche Stellungnahme der Caritas im Namen des Beschwerdeführers bei der Behörde ein. Darin wird ausgeführt, dass sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auf die Furch vor Verfolgungshandlungen aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie beziehe. Es wurde in diesem Zusammenhang einschlägige Judikatur in vergleichsbaren Fällen vorgebracht. Es wird weiters darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer für die Aufklärung der Todesursache des Vaters und des Bruders zuständig gewesen wäre und im Umkehrschluss allerdings der Beschwerdeführer selbst im Rahmen der Blutracheregelung die nächste Zielperson sei. In weiterer Folge wird auf die Sicherheitslage in Kabul hingewiesen, wodurch der Beschwerdeführer alleine deswegen einer Gefährdung ausgesetzt sei. Schließlich wird auf den Einflussbereich der Taliban hingewiesen und dass diese in ganz Afghanistan Personen verfolgen könnten. Deswegen wäre dem Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative zugestanden. Schließlich wird auf die schwierige Situation der minderjährigen Rückkehrer eingegangen und vorgebracht, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr kein adäquates familiäres Netz vorfinden würde.

1.6. Die Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers mit dem im Spruch erwähnten Bescheid hinsichtlich des internationalen Schutzes ab, sowie wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten ebenso nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig sei. Der Beschwerdeführer bekam eine zweiwöchige Frist für seine Ausreise zugestanden.

1.7. Zur Nichtzuerkennung des Asylantrages vermeinte die Behörde, dass der Beschwerdeführer keinen Grund vorbringen hätte können, welcher einen ausreichende Asylrelevanz dargestellt hätte. In der Erstbefragung vor der Polizei hätte der Beschwerdeführer noch vorgebracht, dass sein Vater einen Auftrag gehabt hätte, eine bestimmte Person zu verfolgen, dies zur Tötung des Vaters geführt hätte. Vor der Behörde wäre dies nicht vorgebracht worden, sondern nunmehr, dass ein Vater jemanden von der gegnerischen Partei erschossen hätte. Die Behörde vermeinte zusätzlich, dass keine Gründe hervortraten oder glaubhaft gemacht werden konnten, welche gegen eine Rückkehr zur Familie in Kabul sprechen würden.

1.8. Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers, wobei er im Wesentlichen die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht und unrichtige Beweiswürdigung geltend machte. Der Beschwerdeführer vermeinte sehr wohl dass er einer individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Wörtlich wird ausgeführt: "Im Jahr 2014 wurde der Vater des mj. BF im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit aufgefordert die Festnahme einer Person der gegnerischen Partei vorzunehmen. Diese wurde schließlich vom Vater des mj. BF erschossen. Kurz darauf wurde der Vater des mj. BF erschossen, nach dem Begräbnis des Vaters war der älteste Bruder verschollen."

1.9. Der Verwaltungsakt langte am 17.02.2017 am Bundesverwaltungsgericht ein und wurde entsprechend der Geschäftseinteilung der Gerichtsabteilung W257 zugewiesen (OZ 1).

1.10. Das Bundesverwaltungsgericht setzte für den 03.07.2018 eine mündliche Verhandlung fest, wovon die Parteien nachweislich verständigt wurden.

1.11. Folgende Länderberichte des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers wurden der Einladung angeschlossen und den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit geboten, dazu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen (OZ 2).

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Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2018 (Beilage 1)

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UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, (Beilage 2)

Die Parteien nahmen von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch.

1.12. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtvorbringen folgendes aus:

Sein Vater wäre beim Militär gewesen. Er sei Offizier gewesen, wobei er den Rang nicht wisse. In welcher Kaserne er stationiert gewesen sei, könne er nicht sagen. Er hätte von der Regierung den Auftrag bekommen, einflussreiche Personen festzunehmen. Bei dem Angriff - wer wisse nicht wo das war - sei ein Kommandant von ihnen getötet worden. Sein Vater wäre für den Tod verantwortlich gemacht worden, weswegen er getötet worden sei. Ein gewisser XXXX sei der Feind seines Vaters. Wann und wo das war, könne er nicht sagen. Sein Bruder sei daraufhin verschollen und man hätte überall nach ihm gesucht. Er hätte in Kandahar für die Amerikaner gearbeitet. Als er seiner Mutter von dem negativen Bescheid erzählt hätte, hätte Sie ihm gesagt, dass der Bruder nicht verschollen, sondern entführt und getötet worden sei. Er könne aber nicht mehr sagen, weil er seine Mutter nicht danach gefragt hätte. Seine Schwester wäre von einer Zwangsverheiratung mit der Familie dieses XXXX bedroht.

Befragt, warum er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, führte er aus, dass die verfeindete Familie, welche mittlerweile mit den Taliban in Verbindung stehe, ihn umbringen werden, schließlich können sie ihm in ganz Afghanistan auffinden.

Er legte folgende Unterlagen vor, welche seine Integration bescheinigen sollen: Zeugnis über den Pflichtschulabschluss vom 14.06.2018, eine Vereinbarung über einen "Schnuppertag" der XXXX vom 02.05.2015, ein Empfehlungsschreiben von " XXXX ", ein Zeugnis zur Integrationsprüfung vom 17.04.2018, Bestätigung des Diakoniewerkes, dass der Beschwerdeführer als Dolmetscher tätig ist, Bestätigung des XXXX Verbandes über sportliche Leistungen des Beschwerdeführers.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest!

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am 01.05.2000 geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer wurde in Kabul geboren und wuchs dort im Familienverband auf. Die Kernfamilie bestand aus seinem Vater, seiner Mutter, seiner jüngeren Schwester, und seinen drei Brüdern, wobei ein Bruder älter ist als er. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er lebte bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2014 in Kabul. Der Beschwerdeführer besuchte ca 6 Jahre lang die Schule in Kabul. Er kann lesen und schreiben. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 02.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der der Vater beim Militär arbeitete und im Jahr 2014 verstorben ist. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Bruder verschollen oder ermordet wurde. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Berufserfahrung. Zu seiner in Kabul lebenden Familie hat der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt. Die wirtschaftliche Situation der Familie des Beschwerdeführers ist durchschnittlich. Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanzielle und persönliche Unterstützung durch seine in Kabul lebende Familie erfahren können. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er kann zudem Dari und Deutsch lesen und schreiben. Zudem kann er auch etwas Englisch. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat einer systematischen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, dh. wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt war oder ihm in Falle einer Rückkehr derartiges droht.

2.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Kabul in Afghanistan kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

2.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung am 02.11.2014 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er bezieht seit seiner Antragstellung Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich. Die höchste deutschsprachige Ausbildung des Beschwerdeführers befindet sich entsprechend dem Europäische Referenzrahmen auf dem Niveau "B1". Er hat die Pflichtschule abgeschlossen. In seiner Freizeit betätigt er sich in einem Verein sportlich. Er ist sichtlich um seine Integration in Österreich bemüht.

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

2.5.1. Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in Kabul:

2.5.1.1. Aus: "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, aktualisiert mit der letzten Kurzinformation vom 30.01.2018" Angriffe in Kabul; Seite 6

"Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

(Grafik)

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

(Grafik)

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018)."

2.5.1.2. Aus: "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, aktualisiert mit der letzten Kurzinformation vom 30.01.2018"; Sicherheitslage, Seite 44

"Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017). [...]

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen [....]

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017). [...]

Quellen: [...]

2.5.1.3. Aus: "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, aktualisiert mit der letzten Kurzinformation vom 30.01.2018"; Sicherheitslage in Kabul

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

...Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017). Quellen:[...]"

2.5.1.4. Sicherheitsbehörden

Aus: "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.01.2018, Punkt 5.:

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016). Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016). Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

Resolute Support Mission

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016). Quellen [...].

2.5.2. Risikogruppen in Afghanistan: (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 -zusammenfassende Darstellung des UNHCR vom 04.05.2016):

"Laut UNHCR können folgende Asylsuchende aus Afghanistan, abhängig von den im Einzelfall besonderen Umständen, internationalen Schutz benötigen. Diese Risikoprofile sind weder zwangsläufig erschöpfend, noch werden sie der Rangfolge nach angeführt:

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;

(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;

(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;

(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;

(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;

(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige)."

Zu diesen Feststellungen gelangt das Gericht aufgrund folgender

3. Beweiswürdigung

3.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Zu Punkt 2.1.1.: Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der Behörde, in der Beschwerde, in der eingebrachten Stellungnahme, in den im Verfahren erstatteten Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den vorgelegten Dokumenten.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthaltsorten, seinem schulischen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen, seine Sorgepflichten seinen sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Afghanistan, der wirtschaftlichen Situation seiner Familie, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seiner Einreise nach Österreich sowie seiner Fluchtroute waren im Wesentlichen - soweit dies angesichts des fehlenden Bildungshintergrundes gefordert werden kann - gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Zu Punkt 2.1.2.: Das Gericht kann aufgrund fehlender Dokumente und sonstiger Nachweise nicht feststellen, dass der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich im Jahr 2014 verstorben ist. Somit verbleibt dem Gericht für diese Tatsachenerhebung die Aussage des Beschwerdeführers. Hierbei ist anzumerken, dass des Beschwerdeführers, auch eingedenk seines Alters von 14 Jahren zum Zeitpunkt des angeblichen Todeszeitpunktes, nicht in der Lage war genauere Umstände zum Vater und insbesondere zu dessen Tod zu erklären. Er konnte weder sagen, wann noch wo sein Vater gestorben sei. Dagegen war er allerdings in der Lage, vor dem Gericht den Namen des Feindes seines Vaters sagen können. Ebenso wenig konnte er erklären wie sein Bruder ums Leben kam. Nach dem negativen Bescheid der Behörde hätte ihm seine Mutter gesagt, dass der Bruder nicht verschollen, sondern getötet worden sei. Beim Vorhalt, dass sein Bruder bei "Verschollen" ja auch lediglich einfach telefonisch nicht erreichbar sein kann, brachte er schließlich vor, dass seine Mutter ihm gesagt hätte, dass er verstorben sei. Auf den Widerspruch aufmerksam gemacht (sh Seite 11 der gerichtlichen Niederschrift), konnte er keine genauen Umstände über den Tod seines Bruders erzählen, weil er seine Mutter danach nicht gefragt habe. Zu dem Zeitpunkt, als er von dem Tod seines Bruders erfahren habe, war der Beschwerdeführer bereits 17 Jahre alt und man kann nicht mehr von einer kindlichen Wahrnehmung, wie in der Beschwerde auf Seite 10 im Vergleich zu einem ähnlichen Fall ausgeführt, ausgehen. Er war somit bereits in einem Alter, von dem man voraussetzen kann, dass er die Mutter um genauere Umstände des Todes seines Bruders fragen hätte können. Zudem hat er in der Beschwerde abermals angegeben, dass sein Bruder verschollen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte er allerdings von dem vermeintlichen Tod schon wissen müssen, denn das besagte Telefonat mit seiner Mutter sei vor der Beschwerde erfolgt. Darauf angesprochen bracht er vor, dass er bei der Besprechung hstl der Beschwerde bei seinem Rechtsvertreter danach (ob der Bruder nun verschollen oder getötet wurde) nicht gefragt worden sei und dass er von dem Telefonat mit seiner Mutter bei der nächsten Einvernahme sprechen solle (Seite 14 der gerichtlichen Niederschrift). Gerade in dieser nächsten Einvernahme, vor dem Gericht, wiederholte er allerdings die Version mit dem verschollenen Bruder und führte aus, was alles unternommen worden sei, um ihn zu finden. Erst als er auf den Widerspruch, dass sein Bruder vielleicht einfach nicht erreichbar sein kann, brachte er - wie oben beschrieben - den Tod seines Bruders vor. Das Gericht gelangt aufgrund dieses gesteigerten und haltlosen Vorbringens zur Auffassung, dass der Bruder nicht ermordet wurde. Möglicherweise ist er nicht erreichbar, aber es liegt die Auffassung nahe, dass der Bruder nach wie vor am Leben ist. Er konnte zudem nicht genau und schlüssig erklären, wie nach seinem Bruder "gesucht" wurde. Auch diese Angaben (sh Seite 10 am Ende der gerichtlichen Niederschrift) scheinen weder nachvollziehbar noch logisch. Es kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der Bruder genau erklären könne, wie und mit welchen Methoden nach dem Bruder gesucht wurde, und dies mit eigenen freien Worten und nicht nach mehrmaligen Nachfragen.

Es ist mit den logischen Denkgesetzen ebenso nicht vereinbar, dass ein 14-jähriger, über die Umstände des Todes des Vaters nicht mehr weiß, als er vor der mündlichen Verhandlung am 03.07.2018 vorbrachte (sh Seite 9 der gerichtlichen Niederschrift). Eigentlich konnte er nichts vorbringen, weil "wenn jemand stirbt, spricht man nicht darüber wie er zu Tode gekommen ist" (Seite 9 der gerichtlichen Niederschrift). Das ist weder glaubhaft, noch nachvollziehbar, noch mit dem notorischen Amtswissen über Paschtunen, bei denen die Familienehre ein wesentlicher Bestandteil der Kultur darstellt, in Deckung zu bringen. Insbesondere ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer der älteste im Haus lebende Sohn des vermeintlich getöteten Vaters war und seinem Beschwerdevorbringen folgend (Seite 6 der Beschwerde) verantwortlich für die Aufklärung dieser Todesursachen sei. Gerade unter diesem Aspekt ist es nicht erklärbar, dass er zwar den Namen des Feindes des Vaters (zu dem noch zu kommen ist) wisse, nicht aber die genauen Todesumstände seines Vaters und seines Bruders.

Die Annahme, dass beide noch leben, liegt aufgrund seiner Aussagen näher, als die anzunehmende Tatsache, dass der Vater und der Bruder ermordet wurden. Aufgrund dieser Überzeugung, ist

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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