TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/19 W236 2009404-3

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Veröffentlicht am 19.07.2018
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Entscheidungsdatum

19.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

1) W236 2009404-3/5E

2) W236 2011030-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , und 2) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrecht Österreich, gegen die Spruchpunkte IV. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 28.05.2018, Zlen. 1) 821739002/151133435, und 2) 821739100/151133478, zu Recht:

A) Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. wird stattgegeben und

diese ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute (gemeinsam als Beschwerdeführer bezeichnet). Beide sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und Muslime.

1. Verfahren über die ersten Anträge auf internationalen Schutz:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin reisten gemeinsam am 28.11.2012 ins Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Die erste gemeinsame Tochter der Beschwerdeführer wurde bereits im Bundesgebiet geboren und für diese am 14.10.2014 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.2. Mit Bescheiden vom 21.05.2014 (bzw. vom 10.11.2014 hinsichtlich der älteren Tochter der Beschwerdeführer), wies das Bundesamt die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkte I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkte II.) ab und erteilte den Beschwerdeführern gemäß § 57 und § 55 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation zulässig sei, wobei die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt wurde (Spruchpunkte III.). Weiters wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkte IV.).

1.3. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung am 12.05.2015 mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.07.2015 hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. als unbegründet abgewiesen. Die bekämpften Spruchpunkte IV. wurden gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ersatzlos behoben. Zur Behebung der Einreiseverbote wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt: "Vor dem Hintergrund der aktuellen fremden- und asylrechtlichen Bestimmungen und deren Zusammenhalt kann es demnach - wie in der soeben zitierten Judikatur zu vorangegangenen Rechtslagen dargelegt - nicht als rechtmäßig gesehen werden, wenn das Bundesamt von seiner Ermächtigung zur Erlassung eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 2 und Z 6 FPG gegen einen Asylwerber Gebraucht macht, dem andererseits mit Hilfe der Bundesbetreuung eine Grundversorgung in Österreich ermöglicht wird.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich überhaupt nicht von jenen tausender anderer Asylwerber, die - wohl unter Umgehung der Grenzkontrolle - nach Österreich eingereist sind und sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, wodurch ihr Aufenthalt vorläufig legalisiert wurde. Genauso wie bei fast allen anderen Asylwerbern ist der Beschwerdeführer wohl im Wesentlichen mittellos, aber ist sein Unterhalt aktuell durch die Grundversorgung gesichert. Andererseits ist es dem Beschwerdeführer als Asylwerber verwehrt, unselbstständig erwerbstätig zu werden (mit geringen hier nicht zu erörternden Ausnahmen). Dass der Beschwerdeführer sonst irgendwelche anderen Übertretungen begangen hätte (außer, dass eine Anzeige wegen Körperverletzung erfolgt ist, die jedoch nicht in eine Verurteilung mündete), lässt sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen. Er führt hier ohne Zweifel - wie bereits ausgeführt - ein enges Familienleben mit seiner Ehefrau und seiner in Österreich geborenen, im Kleinkindalter befindlichen, Tochter und ist überdies - was den einzigen Unterschied zu vielen anderen Asylwerbern betrifft - körperbehindert.

Warum gerade beim Beschwerdeführer ein Einreiseverbot erlassen wurde, kann daher nicht nachvollzogen worden werden.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass im vorliegenden Fall keine besonderen individuellen Umstände vorliegen, die die Verhängung eines Einreiseverbotes rechtfertigen würden."

Diese Erkenntnisse wurden den Beschwerdeführern am 14.07.2015 durch eigenhändige Übernahme zugestellt. Die dagegen erhobene ao. Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11.11.2015 zurückgewiesen. Die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen Beschwerden wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 18.02.2016 abgelehnt.

2. Verfahren über die zweiten Anträge auf internationalen Schutz:

2.1. Am 20.08.2015 stellten die Beschwerdeführer (auch für die gemeinsame ältere Tochter) zweite Anträge auf internationalen Schutz. Welche mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2015 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden.

2.2. Den dagegen erhobenen Beschwerden gab das Bundesverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 11.11.2015 statt, behob die angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück.

2.3. Im Oktober 2016 wurde die zweite Tochter der Beschwerdeführer geboren und für diese am 31.10.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2.4. Nach neuerlichen Einvernahmen der Beschwerdeführer und Einholung einer Anfragebeantwortung eines Sachverständigen zur tatsächlichen behördlichen Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die zweiten Anträge der Beschwerdeführer (sowie auch jene ihrer beiden Töchter) auf internationalen Schutz mit den oa. Bescheiden vom 28.05.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkte I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkte II.) ab und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 FPG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte III.). Weiters wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkte IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 und Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte V.).

2.5. Gegen die Spruchpunkte IV. (Einreiseverbote) erhoben die Beschwerdeführer am 21.06.2018 fristgerecht Beschwerde. Begründend wird darin ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführer und ihre beiden Töchter für die freiwillige Rückkehr angemeldet hätten und diese seitens des Bundesamtes auch bewilligt worden sei. Damit wolle man zeigen, dass man die Rechtsordnung in Österreich akzeptiere und respektiere. Die Beschwerdeführer seien jedoch der Meinung, dass das Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren zu Unrecht erlassen worden sei. Sie stellen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und beziehen - so wie der überwiegende Teil aller Asylwerber in Österreich - Mittel aus der Grundversorgung. Würde es die Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit geben, dann hätten sie diese schon längst ergriffen. Unter den gesetzlichen Gegebenheiten sei praktisch fast jeder Asylwerber in Österreich auf Mittel aus der Grundversorgung angewiesen. Die Beschwerdeführer unterscheiden sich daher nicht von anderen Asylwerbern und sei die Erlassung des Einreiseverbotes daher nicht gerechtfertigt.

2.6. Die gegen die Bescheide der beiden Töchter erhobenen Beschwerden vom 10.07.2018 zogen die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17.07.2018 zurück. Damit erwuchsen die Bescheide der beiden Töchter der Beschwerdeführer vom 28.05.2018 in Rechtskraft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Auf Grundlage der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten der Beschwerdeführer (insbesondere auch zu den Vorverfahren), der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.

1.2. Zur den Personen der Beschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute. Beide sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und Muslime.

Die Beschwerdeführer sind die Eltern der minderjährigen XXXX , geb. XXXX , und der minderjährigen XXXX , geb. XXXX , deren Asylverfahren aufgrund der Zurückziehung der Beschwerden mit Beschlüssen vom heutigen Tag, GZ. W236 2014795-3/5E und W236 2201074-1/5E, rechtskräftig negativ abgeschlossen wurden.

Für den Erstbeschwerdeführer scheint im österreichischen Strafregister eine Verurteilung auf: Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 02.12.2015 (rechtskräftig seit 08.12.2015) wurde der Erstbeschwerdeführer wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist unbescholten.

Die Beschwerdeführer befinden sich seit ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet in der Grundversorgung. Sie sind derzeit nicht selbsterhaltungsfähig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten der Beschwerdeführer sowie aus der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung der Einreiseverbote

3.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist gemäß Z 6 lec. cit. insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits - zu § 17 Abs. 2 Z 4 FrG 1992 - mit Erkenntnis vom 25.09.1998, Zl. 95/21/1092, ausgesprochen, dass die Ausweisung eines Asylwerbers, dessen Lebensbedarf aus Mitteln des Bundes nach den Vorschriften des Bundesbetreuungsgesetzes bestritten wird, nicht als eine Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung gesehen werden kann. Habe der Gesetzgeber nämlich die Förderungswürdigkeit bestimmter Asylwerber während des Asylverfahrens anerkannt, so könne ihm nicht unterstellt werden, er hätte gleichzeitig die sofortige Beendigung von deren Aufenthalt als im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten angeordnet (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1999, Zl. 94/18/0840, und vom 24. März 20000, Zl. 96/21/0198; zu § 18 Abs. 2 Z 7 FrG 1992 siehe das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1997, Zl. 96/21/0888).

Vor dem Hintergrund der fremden- und asylrechtlichen Bestimmungen und deren Zusammenhalt kann es nicht als rechtmäßig gesehen werden, wenn die Fremdenpolizeibehörde von ihrer Ermächtigung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 7 FrG 1997 gegen einen Asylwerber Gebrauch macht, dem andererseits mit Hilfe der Bundesbetreuung eine Grundversorgung in Österreich ermöglicht wird. In diesem Fall ist - so nicht andere Gründe als die Mittellosigkeit des Asylwerbers für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechen - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht als im Sinn des Gesetzes gelegen zu werten (VwGH vom 21.12.2004, 2004/21/0083).

Auch wenn die zitierten Erkenntnisse zu älteren Rechtslagen ergangen sind, war die Wertung daraus unverändert auf die aktuellen fremden - und asylrechtlichen Bestimmungen anzuwenden.

3.2. Das Bundesamt stützte die Verhängung des Einreiseverbotes gegen die Beschwerdeführer auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG und begründete dies im Wesentlichen mit der Mittellosigkeit der Beschwerdeführer. Dem ist entgegen zu halten, dass sich die Beschwerdeführer seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet im November 2012 durchgehend in der Grundversorgung befinden, die ihnen als Asylwerber in einem zugelassenen Verfahren auch zusteht. Dass die Beschwerdeführer von der Grundversorgung leben, unterscheidet sie nicht von anderen Asylwerbern in Österreich, kann diesen auch nicht zum Vorwurf gemacht werden und kann für die Begründung eines Einreiseverbots jedenfalls nicht ausreichen. Wie bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinen Erkenntnissen die Erstverfahren der Beschwerdeführer betreffend vom 09.07.2015 ausführte, unterscheiden sich die vorliegenden Fälle überhaupt nicht von jenen tausender anderer Asylwerber, die meist im Wesentlichen mittellos sind, deren Unterhalt jedoch durch die Grundversorgung gesichert ist, da es ihnen als Asylwerber verwehrt ist, unselbstständig erwerbstätig zu werden (mit geringen hier nicht zu erörternden Ausnahmen). Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Ausführung in den bekämpften Bescheiden, "dass die Mittellosigkeit an ein rechtskonformes Verhalten Ihrer Person anknüpfen würde, kann insbesondere vor den bekannten Arbeitsmöglichkeiten von Asylwerbern (Saisonbeschäftigung) nicht erkannt werden", nicht nachvollziehen, da die Saisonbeschäftigung personell beschränkt ist und nicht jeder Asylwerber die Möglichkeit einer Saisonarbeit bekommt (die noch dazu für sich allein betrachtet nicht ausreichend wäre, um einen Unterhalt in Österreich zu garantieren). Das gegen die Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot erweist sich daher schon aufgrund deren legalen Bezugs der Grundversorgung als rechtswidrig.

Soweit das Bundesamt in der Begründung über die Verhängung des Einreiseverbotes gegen die Beschwerdeführer zu bedenken gibt, "dass aus der sich aus dem rechtskräftig negativen Abschluss des Asylverfahrens ergebenden Mittellosigkeit Ihrer die Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung [...] resultiert", grenzt dies - vor dem Hintergrund, dass die Zweitbeschwerdeführerin völlig unbescholten ist und gegen den Erstbeschwerdeführer lediglich (wobei dies an dieser Stelle nicht beschönigt werden soll) eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung vorliegt (jedenfalls keine wegen eines Vermögensdeliktes), diese auch nach rechtskräftigem Abschluss ihrer Erstverfahren keiner illegalen Beschäftigung nachgingen oder die Mittel für ihren Unterhalt auf strafrechtswidrige Weise erlangten - an eine zynische Unterstellung zukünftigen (verwaltungs)strafrechtswidrigen Verhaltens.

Wenn das Bundesamt dann in beiden Bescheiden der Beschwerdeführer weiter wörtlich ausführt, "Ihr Mann hat bereits eine Anzeige wegen Schwarzarbeit und Sie haben es bislang unterlassen der ho. Behörde Identitätsdokumente vorzulegen. Zudem sind Sie in der Vergangenheit wegen diverser Eigentumsdelikte zu Geld- und Haftstrafen verurteilt worden.", so grenzt dies vor dem Hintergrund der gegebenen Aktenlage nahezu an Willkür. Die Zweitbeschwerdeführerin ist wie bereits mehrfach ausgeführt unbescholten, für den Erstbeschwerdeführer scheint lediglich eine Verurteilung wegen eines Deliktes gegen Leib und Leben im Strafregister auf; Verurteilungen wegen Eigentumsdelikten zu Geld- und Haftstrafen scheinen in den Strafregisterauszügen beider Beschwerdeführer nicht auf. Gegen den Erstbeschwerdeführer wurde zudem niemals Anzeige wegen Schwarzarbeit erhoben. Die Zweitbeschwerdeführerin legte den österreichischen Behörden darüber hinaus ihren russischen Inlandsreisepass vor. Die Identität des Erstbeschwerdeführers steht aufgrund der eingeholten Heimreisezertifikate (wie das Bundesamt in den o.a. Bescheiden auch feststellte) mittlerweile auch fest.

Zudem konnte die belangte Behörde nicht nachvollziehbar darlegen, inwiefern von den Beschwerdeführern eine Gefahr der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeht. Nach der gesetzgeberischen Intention kann es keinen Zweifel daran geben, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) - oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes - regelmäßig (nur) dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige "bloß" einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 leg. cit. erfüllt (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Weiters ist festzuhalten, dass allein das Vorliegen einer der in § 53 FPG angeführten Tatsachen allein die Behörde nicht von der Pflicht entbindet, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen eine Prognose über die Möglichkeit der schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Verbleib des Fremden zu treffen ist. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (vgl. VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281).

In der bloßen "Mittellosigkeit" eines Fremden kann kein Grund erblickt werden, diesem eine künftige legale Wiedereinreise unter Berufung auf eine Gefährdung öffentlicher Interessen zu verunmöglichen (vgl. hiezu Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Stand 15.1.2016, S.1134, K14). Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich die Beschwerdeführer in der Grundversorgung befinden. Abgesehen von ihrem unrechtmäßigen Aufenthalt und der zweimaligen Asylantragstellung gefährdete der Aufenthalt der Zweitbeschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit bisher in keiner Weise. Der Erstbeschwerdeführer setzte lediglich einmalig im Juli 2014 ein strafrechtswidriges Verhalten und beging seither keine weiteren strafrechtswidrigen Delikte. Vor dem Hintergrund der Unbescholtenheit der Zweitbeschwerdeführerin und dem Verhalten des Erstbeschwerdeführers seit seiner einmaligen Verurteilung ist zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt auch nicht davon auszugehen, dass eine solche von den Beschwerdeführern ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zukünftig eintreten wird.

Das gegen die Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot war daher ersatzlos zu beheben und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht nicht einmal zwei Monate liegen - die gebotene Aktualität auf. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf. Es lagen somit keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Schlagworte

Einreiseverbot, Grundversorgung, Mittellosigkeit, Rechtswidrigkeit,
strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W236.2009404.3.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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